Das Beste aus der Schweiz: Qualität

Blick vom Aussichtspunkt Männlichen zum Jungfraumassiv im Berner Oberland. Der Jungfraugipfel (4158 m) erhebt sich volle 3250 Meter über dem hinteren Lauterbrunnental. Es ist dies nach dem Mont Blanc die zweithöchste Steilwand der Alpen

Wer könnte Schweizer Qualität besser repräsentieren als typisch schweizerische Produkte wie Käse, Schokolade, Uhren oder „Sackmesser“ – so die eigentümliche Bezeichnung der Eidgenossen für das rote Offiziersmesser mit dem Schweizerkreuz. Mit all diesen Gütern verbindet man automatisch die Schweiz. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das kleine Alpenland auf keine großen Mengen an natürlichen Rohstoffen oder nennenswerte Bodenschätze zurückgreifen kann.

Dennoch gibt es einige Gründe für das Erfolgsmodell. Der wohl wichtigste: Die durchweg hohe Qualität, die von schweizerischen Produkten geboten wird. Sind es doch Werte wie Innovation, Fleiß, Zuverlässigkeit und Bodenständigkeit, welche die Schweizer auszeichnen. Wo andere Länder auf günstige Preise und Massenproduktion setzen, hat es die Schweiz geschafft, sich mit ganz anderen Eigenschaften einen Namen zu machen.

Kopfabdeckung der Röhren-Bandmaschine Revox G 36 – mit Hinweis auf das Land ihrer Herkunft

Tonbandfreunden fallen beim Thema Schweizer Qualität sofort die Bandmaschinen von Revox, Nagra und Stellavox ein. Liebhaber des „schwarzen Goldes“ verbinden damit die Plattenspieler von Thorens und Lenco.

Schaltfeld des Thorens TD 124 mit der Herkunftsbezeichnung „Made in Switzerland“

Beide Fabrikate tragen ihre regionale Herkunft – das „Made in Switzerland“ – stolz auf der Platine.

Auch Lenco stattete sein 1960 vorgestelltes neues Spitzenmodell, den Plattenspieler L 70, mit einem Hinweis auf die Herkunft aus der Schweiz aus

Feinmechanisches Know-how

Die Herstellung von Qualitätsplattenspielern hat in der Schweiz eine lange Tradition. Thorens-Plattenspieler aus Sainte-Croix genießen in zahlreichen Ländern wegen ihrer besonderen Qualität einen hervorragenden Ruf und waren der Konkurrenz stets eine Nasenlänge voraus.

Firmengründer Hermann Thorens entwickelte ein besonderes Talent, Wiedergabegeräte für Schallplatten mit erstaunlicher Klangtreue auf den Markt zu bringen

Weil der heimische Markt für solche Erzeugnisse nur in begrenzten Mengen aufnahmefähig war und Thorens rund die Hälfte seiner Produktion auf dem Weltmarkt verkaufen musste, waren erstklassige Spieler lebensnotwendig. Stets ging es im Schweizer Jura – wie auch bei der Phonoindustrie im Schwarzwald – um das besondere feinmechanische Know-how.

Thorens-Werk in Sainte-Croix in den frühen 1950er Jahren – ein Hort Schweizer Wertarbeit

Besondere Absatzerfolge – dies schon vor dem zweiten Weltkrieg – erzielte Thorens in den Vereinigten Staaten.

Thorens-Motiv mit Eispickel aus den frühen 1950er Jahren – damit warb die amerikanische Vertriebsgesellschaft um Kunden in den USA

Auch heute genießen Thorens-Produkte in den USA einen legendären Ruf. Allen voran natürlich der Plattenspieler TD 124, der im Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon kurz nach seiner Einführung 1957 ein großer Markterfolg war. Davon zeugen die zahlreichen TD 124, die dort heute noch in Betrieb sind – und die unter ihren Besitzern für anhaltende Nachfrage nach der englischsprachigen Ausgabe von SCHWEIZER PRÄZISION sorgen.

Auch beim professionellen Einsatz des Thorens TD 124 in Tonstudios und beim Rundfunk ging es stets um „Swiss Precision Craftsmanship“

Das Thorens-Werk in Sainte-Croix unterhielt im Direktionsgebäude einen Showroom, in dem Besuchern die schweizerischen Qualitätsprodukte des Unternehmens präsentiert wurden.

Informationsschild vor dem im Showroom ausgestellten Thorens TD 124. Das Laufwerk kostete bis Ende der 1950er Jahre in der Schweiz 385 Franken

Präzisionsarbeit und penible Kontrollen

Schweizer Qualität kommt nicht von ungefähr. Besucher des Thorens-Werkes in Sainte-Croix erfuhren hautnah, wie handwerkliche Sorgfalt und Serienfertigung ineinanderzugreifen haben, um den Bedürfnissen eines über die ganze Welt reichenden Marktes qualitativ und mengenmäßig nachzukommen.

Der US-Importeur ELPA Marketing Industries bezeichnet die Erzeugnisse aus Sainte-Croix als das „Ergebnis meisterlichen handwerklichen Könnens“ und spricht von „perfekter Balance zwischen Großfertigung und Facharbeit höchster Güte“.

Eine fertigungstechnische Herausforderung ist das massive, zur Erhöhung der Verwindungssteifigkeit verrippte Chassis aus Alumium-Druckguss des Thorens TD 124. Eine solche Konstruktion würde heute selbst bei großer Stückzahl ein Vermögen kosten.

Blick von Südosten auf die Werkssilhouette; rechts am Bildrand das Produktionsgebäude des Thorens TD 124

Um die anspruchsvollen Daten der Thorens-Plattenspieler für die Laufruhe einzuhalten, werden bei der Herstellung alle schnell rotierenden Antriebselemente genau ausgewuchtet.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Antriebsmotor E 50. Seinen Rotor kontrolliert eine elektronische Maschine. Dank ihrer Empfindlichkeit nimmt sie jeden Fehler in der Auswuchtung von einigen Milligramm/Millimeter wahr. Der Rotor dreht dabei frei in einem offenen Stator unter einer photoelektrischen Zelle.

Der Fehler in der Auswuchtung wird für beide Enden des Rotors in Wert und Winkelposition auf zwei Skalen als leuchtender Punkt angegeben; Foto: Gerd Pinsker

Das genaue Auswuchten geschieht durch Wegnahme von Material am Rotor; Foto: Gerd Pinsker

Nicht minder sorgfältig die Bearbeitung des gusseisernen Schwungrads. Im nachfolgenden Bild wird der Schwungteller unter einen Schleifstein gebracht, der die Oberfläche der sechs Gummischeiben eben schleift.

Durch Planschleifen der sechs Gummischeiben kommt der Hilfsteller völlig senkrecht zur Hauptachse auf dem Schwungrad zu liegen; Foto: Gerd Pinsker

Nach dem Zusammenbau von Hauptachse und Schwungrad wird die Zentrierung der Antriebsfläche für das Reibrad mittels Mikrometer kontrolliert. Die Exzentrizität darf maximal 0,025 Millimeter betragen Foto: Gerd Pinsker

Es gibt heute unterschiedliche Meinungen, wie man am besten das Schwungrad des TD 124 vom Laufwerk entfernt.

Einfache Methode: Man löst die drei Schrauben, mit denen der Gussteller mit der Hauptachse verbunden ist und nimmt den Schwungteller vom Chassis ab. Anspruchsvoller: Man hebt die Teile vorsichtig zusammen aus dem Lager und vermeidet so das Trennen des Tellers von der Achse.

Gegner dieses Vorgehens argumentieren, man riskiere so Schäden an Achse und Lager. Doch die Sorge ist unbegründet, wenn man dabei die nötige Sorgfalt walten lässt.

Bastlern fällt nach Eintreffen eines TD 124 nicht Besseres ein als sofort das Schwungrad durch Lösen der Schrauben vom Laufwerk zu nehmen – oft aus reiner Neugier oder Spieltrieb, ohne einen besonderen Grund dafür zu haben.

Das sollte man tunlichst unterlassen – der Bildausschnitt gibt zu denken. Denn beim Wiederzusammenbau von Teller und Achse hat man keine Möglichkeit, die Zentrierung wie im Thorens-Werk mit einem Messinstrument zu kontrollieren

Das antimagnetische Schwungrad CB 788, das mit der Hauptachse über einen Adapter verbunden ist, erweist sich in dieser Hinsicht als besonders kritisch. Denn beim Zusammenbau kann es zu zusätzlichen Toleranzen kommen. Eine „eiernde“ Stroboskoplinie ist die Quittung für unnötige Spielereien.

Solchen Ärger habe ich bei meinem TD 124/II selbst erlebt: Hier ging es aber nicht um Spielen, sondern den Austausch des CB 788 gegen das antimagnetische Schwungrad von SWISSONOR – zu dem die kleine Firma sogar eine Anleitung mitliefert.

Der Schwungteller CB 788 ist mit der Hauptachse des Thorens TD 124 durch einen Adapter verbunden

Da ich mir den fachgerechten Tausch selbst nicht zutraute, brachte ich das Laufwerk zu einem Bekannten, von dem ich wusste, dass er bei seinen 124ern alles selbst erledigt. Doch der war damit schnell überfordert.

Nach dem Tellertausch schleifte die Kupplung – was durchaus passieren kann. Dem vermeintlichen Fachmann gelang es nicht, die Kupplung korrekt auf den neuen Teller einzustellen. Nach Rückbau auf den Zinkteller zeigte die Stroboskoplinie das besagte Eiern. So dass Peter Feldmann auf seiner Drehbank ein Zentrierstück anfertigen musste, um den Teller an der Achse wieder korrekt zu positionieren.

Kontrolle der Unterseite eines Thorens TD 135 durch Projektion auf einen schräg gestellten Spiegel; Foto: Gerd Pinsker

Streng ist der Kontrollservice in Sainte-Croix, der völlig unabhängig von der Produktion arbeitet und nicht weniger als 22 Kontrollen umfasst. Vor Verlassen der Fabrik wird jeder TD 124 unter Laboratoriumsbedingungen gemessen.

Das Rumpelverhalten jedes Thorens TD 124 ermittelt dieser Fachmann in den auf Felsen gegründeten Kellern eines Fabrikgebäudes – fern jeglicher Ursachen von Vibrationen; Foto: Gerd Pinsker

Zum Messen dient eine Spezialplatte, die auf einer der modernsten Aufnahmemaschinen direkt auf Pyral-Folie graviert worden ist. Ein Messverstärker misst nach der NARTB-Methode den Brumm- und Geräuschpegel. Es ist ein Instrument, das man in keinem Katalog findet und das im Forschungslabor der Firma Thorens entworfen und hergestellt wurde.

Früchte der Unternehmenskultur

Der Thorens TD 124 und die anderen in Sainte-Croix produzierten Plattenspieler sind keine Massenprodukte. Sie werden von erstklassigen Facharbeitern individuell von Hand gebaut. Niemand übt dabei Druck aus oder schaut gar auf die Uhr.

Die vorwiegend älteren, bedächtigen Mitarbeiter bringen ihr ganzes Können in die Herstellung von Plattenspielern ein, die sie stolz machen; Foto: Gerd Pinsker

Die Mitarbeiter sind keine zum Ablesen verlangter Sollwerte dressierte Roboter. Sondern imstande, die jeweiligen Anforderungen an die Mechanik auch Besuchern begreiflich zu machen.

Zeitzeugen berichten von der Thorens-Fabrik, die in mehr als 80 Jahren organisch gewachsen ist, als einem einzigen großen Handwerksbetrieb. „Arbeit am Fließband war dort unbekannt.“

Jacques Basset, bis zu seinem Tod einer der letzten lebenden Mitarbeiter, hatte vom Thorens-Werk in Sainte-Croix den Eindruck einer „ziemlich antiquierten mechanischen Produktionsstätte“

Bei meinem Besuch in Sainte-Croix verriet mir Robert Thorens, dass die Belegschaft ausgesprochen gern im Unternehmen gearbeitet hat. „Bei uns handelten wir alle im Geist einer großen Familie.“

Frédéric Thorens war ein tief ehrlicher, pflichtbewusster, bescheidener Mensch. Jeder Fabrikmitarbeiter konnte mit seinen Anliegen zu ihm kommen

Ein Nichtschweizer kann nur schwer begreifen, was es bedeutete, ein Teil dieses großartigen Unternehmens und Hortes Schweizer Wertarbeit zu sein.

1966 brach für die langjährig erfahrenen Thorens-Mitarbeiter dann eine Welt zusammen: Im Rahmen der Produktionsverlagerung nach Deutschland auf Geheiß des neuen Eigentümers EMT wurde die Fabrik in Sainte-Croix gegen Jahresende einfach geschlossen. Aus, zu Ende, vorbei – die treue Belegschaft sah sich von einem Tag auf den anderen vor vollendete Tatsachen gestellt.