Dual- und PE-Buch – das Sechste

Auf der letzten Phono- und Radiobörse in Sankt Georgen hat Norbert Kotschenreuther die lang erwartete Neuauflage seines Buches über die Schwarzwälder Phono-Industrie vorgestellt. Sicher das Highlight in der Stadthalle – die mitgebrachten 70 Exemplare waren komplett ausverkauft. Werfen wir einen Blick in dieses eindrucksvolle Werk!

Gelungenes Design: Den Buchtitel hat der Autor gegenüber früheren Ausgaben sehr zum Vorteil entschlackt

Dual gilt als ein typisches Beispiel für den enormen Aufstieg, aber auch den langsamen und unausweichlichen Niedergang der deutschen HiFi-Industrie. Gleiches trifft für Perpetuum-Ebner zu, den zweiten großen Hersteller von Plattenspielern in Sankt Georgen.

Die Geschichte von Perpetuum-Ebner endete allerdings schon zu einer Zeit, als der örtliche Konkurrent noch in Saft und Kraft stand. Nach vielen Erfolgsjahren hatte sich PE mit ausbleibenden Innovationen und einer unglücklichen Modellpolitik verzettelt.

Die Nachricht auf den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen, dass PE in Zahlungsschwierigkeiten steckt und von Dual übernommen wird, traf viele HiFi-Freunde und auch mich damals wie ein Schock. Schwer verständlich – schließlich hatte 1971 das goldene Jahrzehnt der deutschen Phonoindustrie ja gerade erst begonnen!

Dual aber nutzte die Gunst der Stunde und verleibte sich den lästigen Wettbewerber einfach ein. Nach einer kurzen Schamfrist unter den Fittichen von Dual verschwand die traditionsreiche Schwarzwälder Marke und damit auch das bekannte Kürzel „PE“ in der Versenkung.

Werksansicht von PE gegen Ende der 1950er Jahre. Die Grünfläche dahinter in der Zeichnung ist gefälscht – sie soll die Herkunft des Unternehmens aus dem Schwarzwald stilisieren

Allerdings sollte man sich bei Dual nicht zu früh freuen: Die Erfolgsstory des Marktführers währte auch nur noch eine Dekade länger.

„Der überraschende Zusammenbruch des größten deutschen Phono-Herstellers Ende 1981, die darauf folgenden Schrumpfungen und Inhaberwechsel gelten als symptomatisch für die Entwicklung der heimischen Unterhaltungselektronik-Branche“, resümiert der Autor. „Als nächster großer Industriezweig nach dem Kamerabau konnte sie der fernöstlichen Offensive nicht standhalten.“

Beide Firmen liefern aber auch Zeugnis – und das macht dieses Buch spannend -, zu welchen Leistungen aus kleinen Anfängen gewachsene Familienunternehmen im zwanzigsten Jahrhundert fähig waren.

Ursprung im Stockwald

Von der Landschaft, den Menschen und der wirtschaftlichen Entwicklung her weisen der Schweizer Jura und der Schwarzwald eine gewisse Verwandtschaft auf. Ob in Sainte-Croix oder in Sankt Georgen – stets geht es in den langen Wintermonaten der Gebirgsgegenden um das besondere feinmechanische Know-how.

Die Vorfahren der Dual-Inhaber Gebrüder Steidinger sind talentierte Uhrmacher, die aus dem „Krumpenloch“ im stillen Stockwälder Tal – einem Seitental der Brigach – stammen.

Das Stockwälder Tal – Keimzelle der Sankt Georgener Phonoindustrie – Bild: Ursula Engelhardt

In einem kleinen Schwarzwaldhaus westlich des Großbauern betreiben sie über Generationen hinweg eine Werkzeugmacherei für Uhren und stellen auch selbst Zeitmesser her.

Aus gutem Grund verzichtet man darauf, fremde Gesellen einzustellen, denn nur so können die Geheimnisse eigenentwickelter Geräte und Verfahren gewahrt bleiben.

Alte Schwarzwälder Uhrmacherwerkstatt Bei dieser Hausindustrie ist der Betrieb fest in das Familienleben integriert: Arbeiten, Essen und Schlafen, Gebären, Leben und Sterben finden auf engstem Raum statt

Die Steidingers ersinnen eine Spindelbohrmaschine, mit der sie als Zulieferer für die Uhrenindustrie ein Monopol erringen und die ihren Namen weit über Sankt Georgen hinaus bekannt macht.

Zu Beginn der 1860er Jahre heiratet einer der Männer nach Sankt Georgen. Seine Söhne Christian und Josef werden in der Werkstatt des Vaters in die Technik der Werkzeugmacherei eingewiesen.

Bald gelingt es Christian, die Aufmerksamkeit Sankt Georgener Unternehmer auf sich zu lenken. Er kann den Auftrag einer Uhrenfabrik für ein Spezialteil dank eines neuartigen Werkzeuges in einer fast unmöglich kurz erscheinenden Zeit erledigen.

Nach seiner Militärzeit landet Christian Steidinger einen ähnlichen Coup, als er einem feinmechanischen Betrieb als Zulieferer aus misslicher Lage hilft:

Mit einem selbst ersonnenen Fräskopf und der Mithilfe seines Bruders und der Schwestern gelingt es dem jungen Werkzeugmacher, eine gegenüber dem üblichen Drehen von Zahnrädern fünf- bis sechsfach höhere Leistung zu erzielen. Mit dem daraus resultierenden Verdienst stellt er die Weichen für die Zukunft.

Hausbau mit Werkstatt

Um seine Fertigung auf breitere Basis zu stellen, lässt Christian Steidinger an der Ecke von Sommerauer- und Leopoldstraße im Jahre 1900 ein Wohnhaus bauen – das als sich stetig ausdehnendes Werk an dieser Stelle für viele Jahrzehnte seinen Platz behalten wird.

Die kleine Werkstatt im Erdgeschoss ist noch ein typischer Familienbetrieb; im Hintergrund mit dem Blatt in der Hand Inhaber Christian Steidinger

Bald ist die Kapazität der Werkstatt überschritten. Mit seinem Bruder Josef, der bisher einen eigenen Betrieb führte und einem Firmenzusammenschluss zustimmt, errichtet Christian unterhalb seines Hauses das erste reine Fabrikgebäude.

Der 1. Februar 1907 wird dann zum Gründungsdatum der Firma „Gebrüder Steidinger, Fabrik für Feinmechanik“.

Sankt Georgen im Blick vom Großbauernweg: Die kolorierte Postkarte zeigt die Bergstadt im Jahr der Firmengründung

Von Anfang an umfasst die Fertigung der Steidingers auch Federlaufwerke für die damals aufkommenden Grammophone. Das Know-how dafür schöpft man aus der reichen Erfahrung in der Fabrikation von Teilen für die Uhrenindstrie.

Bereits fünf Jahre nach dem Zusammenschluss führen Meinungsverschiedenheiten in der Betriebsführung wieder zur Trennung der beiden Inhaber. Auch privat, schreibt Kotschenreuther, erwächst zwischen Josef und Christian immer mehr eine erbitterte Rivalität: „Das Band der Brüderlichkeit ist und bleibt für alle Zeit durchschnitten.“

Nach dem Aderlass der Vermögensaufteilung gelingt es Christian Steidinger nur mit großer Mühe, das verkleinerte Stammwerk an der Sommerauer Straße wieder zum Laufen zu bringen.

Josef Steidinger hingegen gründet mit seinem Firmenanteil unter dem Namen „Perpetuum Schwarzwälder Federmotoren und Automatenwerke“ ein eigenes Unternehmen.

Fabrikneubau von Perpetuum am Sankt Georgener Bahnhof aus dem Jahre 1914

Das Produktionsprogramm von Perpetuum umfasst eine breite Palette von Federlaufwerken für Sprechmaschinen, Orchestrione und Reklameapparate.

Trichter- und Koffergrammophone

Nach dem ersten Weltkrieg kann Christian Steidinger die Produktion von Grammophon-Laufwerken mit Spielzeiten von bis zu vier Schallplattenseiten wieder aufnehmen.

Mit Emil Knecht gewinnt Steidinger einen talentierten Ingenieur, der bis MItte der 1950er Jahre für alle Entwicklungen auf dem Phonosektor maßgeblich bleiben und den Werdegang von Dual entscheidend beeinflussen wird.

Zwischen dem Firmengründer und Emil Knecht entsteht ein freundschaftliches Verhältnis. Der ausgezeichnete Fachmann bringt umfangreiches Wissen in das Unternehmen ein

Auch bei Perpetuum kommt die Produktion des Vorkriegsprogramms wieder in Gang. Jedoch wird die Unternehmensgeschichte schon bald durch den frühen Tod von Josef Steidinger im Jahre 1925 überschattet. Sein Bruder Hermann und die Tochter Hermine übernehmen die Firmenleitung.

Nach den bitteren Jahren des ersten Weltkriegs herrscht bei zahlreichen Menschen der Wunsch nach Abwechslung und Vergnügen. Die Schallplattenfirmen nehmen Tanz- und Schlagerplatten in ihr Reperoire auf. Neben den sperrigen Trichtergrammophonen setzt sich das kompakte Koffergrammophon immer mehr durch.

Die typischen Grammophone jener Zeit werden nicht nur von reinen Phonoherstellern gefertigt. Firmen wie Steidinger und Perpetuum sind häufig lediglich Zulieferer.

Schreinereien, die keinen technischen Bezug zur Phonotechnik haben, kaufen Laufwerke, Plattenteller, Tonarme und Schalldosen hinzu und montieren sie in kunstvoll gefertigte Grammophonschränke

Mit dem Rundfunk betritt ein neues Medium für Unterhaltung und Information die Bühne. Gegen Ende der 1920er Jahre erscheinen die ersten Rundfunkgeräte mit Netzanschluss, Elektronenröhren und eingebautem Lautsprecher.

„Das Radio“, schreibt der Autor, „wird Grammophon und Schallplatte durchaus gefährlich“. Doch profitiert auch die Schallplattentechnik vom schnellen Fortschritt:

Durch die Einführung der elektrischen Schallaufzeichnung ergibt sich eine enorme Steigerung der Klangqualität. Einen weiteren Impuls erfährt die Schallplattentechnik wenige Jahre später mit der Erfindung elektrischer Tonabnehmer – zunächst ausschließlich nach dem magnetodynamischen Prinzip.

Der Name Dual ensteht

In die Blütezeit von Grammophon und Schellackplatte Ende der 1920er Jahre fällt die Entstehung eines für die Unternehmensgeschichte der Gebrüder Steidinger enorm wichtigen Produkts.

Mit einem „dualen“ Motor, der zwei Antriebsmethoden kombiniert, lassen sich nun Grammophone im Heim elektrisch und alternativ im Freien mit Federantrieb betreiben.

Anzeige für den neuen, universell verwendbaren Dual-Antrieb

Die Erfindung ist damals nicht neu, wird aber in Sankt Georgen unter der Leitung von Emil Knecht und dem jungen Ingenieur Hermann Papst, den Steidinger als Mitarbeiter gewinnt, perfektioniert.

Hermann Papst entwickelt einen Außenläufermotor und gründet 1942 in Sankt Georgen die Firma Papst-Motoren KG

Die Geburt des Plattenspielers, wie wir ihn heute kennen, findet bei 1933 bei Perpetuum in Form einer Schatulle statt.

Erster Komplettspieler von Perpetuum in einer Holzschatulle. Bei der Herstellung des „Plattenspielgeräts“ greift PE auf Tonarm und Tonabnehmer von Max Braun in Frankfurt zurück

1935 übernimmt Perpetuum die Firma Albert Ebner in Bad Canstatt, mit der schon länger eine Zusammenarbeit besteht. Fortan firmiert man am Sankt Georgener Bahnhof unter dem neuen Namen Perpetuum-Ebner.

Zu dieser Zeit beginnt auch bei Dual die Herstellung kompletter Plattenspieler. Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs erreichen die Abspielgeräte aus dem Hause Steidinger eine bedeutende Marktstellung. 1937 werden Dual-Plattenspieler auf der Weltausstellung in Paris mit einem Ehrendiplom ausgezeichnet.

Im gleichen Jahr stirbt der Unternehmensgründer Christian Steidinger. Doch mit seinen noch verbliebenen sechs Söhnen und der gewissenhaften Auswahl seiner Mitarbeiter hat er für den Fortbestand des Unternehmens vorgesorgt. In Kurt Anton gewinnt der Betrieb einen fähigen Mann für den Einkauf.

Neubeginn nach 1945

Anfang der 1950er Jahre beginnt der Siegeszug des Plattenwechslers. Er wird auf lange Zeit den Schwerpunkt der Schwarzwälder Phonofertigung bleiben.

Mit dem PW 10, der in beliebiger Reihenfolge bis zu zehn Schellackplatten von 25 oder 30 Zentimeter Durchmesser selbsttätig abspielt, stellt Perpetuum-Ebner schon 1949 das erste vollautomatische Modell aus Sankt Georgen vor.

Durch die gerätetypischen Schnecken für den Plattentransport beeindruckt der Wechsler PW 10 schon im Stillstand durch seinen imposanten Aufbau. Nettes Detail: Der Tonarm hat die Form einer Bärentatze

1950 präsentiert Dual mit dem Modell 1000 einen eigenen, einfacher zu bedienenden Wechsler. Wie bei den damaligen Plattenspielern von Thorens erfolgt der Antrieb des Tellers über ein an die Tellerachse angeflanschtes Reduktionsgetriebe. Auch dieser Typ besitzt noch die alleinige Drehzahl 78 U/min für Schellacks.

Als im Jahre 1951 in Deutschland die Langspielplatte aus Vinyl mit Drehzahl 33 ⅓ U/min erscheint – der 1953 noch die 45er Single folgt – beginnt eine neue Ära der Schallplatten-Wiedergabe mit abermals enorm gesteigerter Klangqualität.

Mit den ersten Abspielgeräten für LPs hat Perpetuum-Ebner wiederum die Nase vorn. Nicht nur im Vergleich zu Dual, sondern auch gegenüber den anderen Wettbewerbern auf dem deutschen und euröpäischen Markt setzen die Einzelspieler der 3000er Serie einen neuen Qualitätsmaßstab.

Dann präsentiert Perpetuum-Ebner einen hochwertigen Plattenwechsler, der bis zum Ende des Jahrzehnts in großen Stückzahlen gebaut wird. Der PE Rex verschafft der Firma, die damals die bewährten Abtastsysteme von Elac in ihre Tonarmen verwendet, einen weiteren technischen Vorsprung.

Gegenüber den Wechslern anderer Hersteller nimmt der äußerst zuverlässig arbeitende PE Rex eine Sonderstellung ein

Fakten im Buch von Norbert Kotschenreuther, die manchen Thorens-Liebhaber überraschen:

1. Das Abasten des Schallplattendurchmessers mittels einer Fühlnase an der Innenseite des Tonkopfs, wie dies beim Thorens-Wechsler TD 224 geschieht, ist keine Erfindung aus Sainte-Croix. Schon ab 1954 verfügt der Plattenwechsler PE Rex über diese Technik, die völlig ohne Berührung der empfindlichen Schallrillen auskommt.

2. Bereits sehr früh stattet Perpetuum-Ebner seine Modelle der „Sonderklasse“ mit einem plattenschonenden, selbst entwickelten Magnetsystem samt eingebautem Röhren-Entzerrervorverstärker aus. Dual hingegen setzt in den 1950er Jahren noch auf Kristallsysteme, die ebenfalls in Eigenregie entworfen werden.

3. Last not least: Den kombinierten Riemen-/Reibradantrieb für den Plattenteller, den Thorens beim TD 124 perfektioniert, führt Perpetuum-Ebner – ausgerechnet bei einem Kleinchassis – bereits 1953 ein.

Wegen des technischen Vorsprungs gegenüber Dual wundert es nicht, dass die Auftragsbücher von Perpetuum-Ebner in den 1950er Jahren prall gefüllt sind – nicht zuletzt dank des hervorragenden Geschäfts mit Industriekunden. Alle renommierten Radiohersteller ordern große Stückzahlen von PE-Chassis zum Einbau in die beliebten Tonmöbel.

Stolz bezeichnet man sich bei PE als „älteste und größte Phono-Spezialfabrik des Kontinents“. Links der Neubau von 1954; im Vordergrund ein VW Käfer, der gerade die Brücke der Brigach überquert

Auch das Exportgeschäft speziell nach Nordamerika floriert immer mehr, so dass bald mehr als 1000 Mitarbeiterinen und Mitarbeiter bei Perpetuum-Ebner beschäftigt sind.

Der in geringen Stückzahlen gefertigte Einzelspieler PE 3332 Ultra High Fidelity aus der Mono-Ära mit Magnet-Tonabnehmer findet bei den Liebhabern hoher Wiedergabequalität große Anerkennung

Mit dem obigen PE 3332 bin ich im Werk von Kotschenreuther einem alten Bekannten begegnet. Genau dieses Modell besaß ab 1956 mein Vater! Opa Hugo Bung, der Geschäftsführer und Teilhaber der Feinmechanischen Fabrik Tobias Bäuerle in Sankt Georgen war, hatte einen 3332 mit seinen Beziehungen direkt aus dem PE-Werk am Bahnhof besorgt. Diesen ersten Plattenspieler in unserem Haus mit Chassis in goldfarbenem Hammerschlaglack, grüner Tellerauflage aus dickem Gummi und elfenbeinfarbigem Kunststofftonarm habe ich noch heute vor Augen. Sein Spielpartner war eine Siemens „Kammermusikschatulle“.

Erste Plattenspieler in HiFi Stereo

Auch bei der Entwicklung hifi-tauglicher Plattenspieler in der neuen Stereotechnik ist Perpetuum-Ebner Pionier. Die niedrigen Gleichlaufschwankungen des manuell zu bedienenden 3310 PE Studio entsprechen bereits der erst sechs Jahre später eingeführten HiFi-Norm DIN 45500.

Nur in Kleinserie wird der PE 3310 studio mit Fremdtonarm von Bang & Olufsen gebaut. Dank der „Stereo
Sonderklasse“ beginnt bei Perpetuum-Ebner 1959 das HiFi-Zeitalter

Nähere Informationen zu dem damals weithin unbeachteten Modell finden Sie in meinem Blog-Beitrag vom Juni 2023. „Der 3310“, unterstreicht Kotschenreuther, „gilt als Startup für die traditionelle Verbindung zwischen PE sowie B & O in den 1960er Jahren.

Einen ersten Versuch, ebenfalls Plattenspieler in HiFi-Qualität auf den Markt zu bringen, unternimmt Dual mit dem Modell 1006. Der Wechsler ist speziell im Hinblick auf den Export nach Nordamerika konzipiert. Als „nettes Detail“ bezeichnet Kotschenreuther die in die Armstütze integrierte Tonarmwaage.

Clou des 1006 ist aber sein „Roll-Pickup“, mit dem das Abtasten des Plattendurchmessers auf die Spitze getrieben wird. „Echte Schwarzwälder Präzision“, wie der Autor vermerkt. Besonders das amerikanische Fachpublikum ist von den „Feeler Wheels“ begeistert.

Plattenwechsler 1006 samt Röllchen-Tonarm. Mit Englisch steht man bei Dual noch auf Kriegsfuß: Die Wiederholungstaste ist mit „Repet“ statt „Repeat“ bezeichnet

Die Weiterentwicklung einer schwedischen Erfindung arbeitet so: Beim Druck auf die Starttaste fährt zunächst ein kleines „Fahrgestell“ mit zwei neoprenummantelten Rollen aus dem Tonkopf. Nach Aufsetzen des Tonarms auf die Schallplatte gleitet der Arm auf den schräg gestellten Rollen von innen nach außen bis zum Rand und tastet dort die Plattengröße ab. Danach hebt der Tonarm wieder an, das Fahrgestell wird eingezogen und der Arm senkte sich mit der Abtastspitze in die Einlaufrille.

Mit dem Dual 1006 bin ich im Buch einem weiteren Bekannten begegnet: Ein solches Modell, dessen Tonarm zwei kleine Rollen aus- und wieder einfährt, war in unserem Haushalt in Kombination mit einem Stereo-Steuergerät von Grundig der Nachfolger des PE 3332. Dazu empfahl der Radiohändler zwei frei aufzustellende „Klangstrahler“ mit abgespreizten Beinen und Bespannung aus Brokatstoff. Die aber wollte meine Mutter partout nicht im Wohnzimmer haben. Stattdessen kamen Breitbandlautsprecher Marke Eigenbau, nun ja, ins Blumenfenster – wo die Basisbreite allenfalls 1,50 Meter betrug.

Als Dual 1006M wird der Plattenwechsler mit dem selbst entwickelten Magnetsystem DMS 900 geliefert. Für den Hersteller kein Ruhmesblatt: Qualitätsmäßig nur unteres Mittelfeld, Konkurrenzsysteme erweisen sich als besser. So bleibt das DMS 900 der einzige von Dual je eigenständig gefertigte Magnet-Tonabnehmer.

High Fidelity etabliert sich

Zu Beginn der 1960er Jahre fasst auch in Deutschland die HiFi-Bewegung langsam Fuß. An der Entwicklung haben aber zunächst nur Spezialfirmen wie Braun, Dynacord, Klein + Hummel, Sennheiser sowie die Importeure Herbert Anger und Garrard-Audioson Interesse.

Zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen High Fidelity Instituts zählt der Kieler Hersteller Elac, der mit den Typen Miracord 10 H und 17 H bereits Plattenspieler in HiFi-Qualität baut. Weder Dual noch PE beteiligen sich am dhfi.

Auch in den großen Firmen der Unterhaltungselektronik tut man HiFi-Interessenten zunächst noch als „Spinner“ ab. „Ein Phonokoffer mit Plattenwechsler“, konstatiert Kotschenreuther, „ist für den deutschen Normalbürger Stand der Technik.“

Dann aber setzt Perpetuum-Ebner die Tradition seiner Sonderklassen-Modelle fort. Nach dem ersten Versuch mit dem 3310 studio in Stereotechnik erscheint 1963 ein neues Spitzengerät. Auch den PE 33 studio habe ich in meinem Blog-Beitrag vom Juni 2023 bereits vorgestellt.

Der manuelle Einfachspieler PE 33 studio ist trotz seiner Qualitäten kein großer Markterfolg. Er wird bis 1968 in nur rund 10000 Exemplaren gebaut. Von Sammlern historischer HiFi-Geräte wird das Modell heute gesucht

1964 verwendet Perpetuum-Ebner den bewährten kombinierten Riemen-/Reibradantrieb für ein unter dem PE 33 studio angesiedeltes, etwas einfacher gebautes Modell der HiFi-Einstiegsklasse, den Plattenspieler PE 34.

Auch der abgespeckte PE 34 „für den Heimgebrauch“ verfügt über den zweistufigen Tellerantrieb mittels Riemen und Reibrad – hier in einer Kompaktanlage der Baseler Firma Audio Products

Mit der Vorführkombination PE 34 VAE 12 samt Magnetsystem von Pickering werden auch in besseren Plattenbars die schwarzen Scheiben den Kunden vorgespielt. In Frankfurt zum Beispiel im gut sortierten Importgeschäft von Helmut Marcuse in der Kirchnerstraße, wo ich gern Kunde war und an dessen Stelle heute der Wolkenkratzer der Commerzbank steht.

Um den Käufern eine komplette HiFi-Anlage auf dem Niveau des PE 33 studio anzubieten, kauft PE bei Sennheiser in Bissendorf bei Hannover als Ergänzung einen Röhrenvollverstärker der oberen Leistungsklasse mit 2 x 30 Watt Dauerton hinzu.

Anspruchsvolle Komplettanlage von Perpetuum-Ebner mit PE 33 studio, Röhrenvollverstärker HSV 60 und hauseigenen Boxen vom Typ LB 30

Komfortmerkmale des HSV 60 mit Endstufenröhren vom Typ EL 500 sind variable Stereo-Basisbreite (mono – schmal – normal – breit – extrem breit) und eine „Rauschautomatik“, die bei geringen Pegeln bis etwa 2 Watt die obersten Frequenzen und damit das Rauschen abschwächt.

Dual kann der Studio 60 genannten Gesamtanlage von PE, die auch im Hinblick auf chancenreiche Exportmöglichkeiten zusammengestellt wurde, damals nichts Gleichwertiges entgegensetzen.

Doch bei den Plattenspielern wendet sich nun das Blatt !

Neuschöpfung Dual 1009

Ein für die Zukunft und das Ansehen von Dual wichtiger Schritt nach vorn ist 1963 das Erscheinen des HiFi-Plattenwechslers 1009 – eine völlige Neuentwicklung. Der dynamisch ausgewuchtete Plattenteller wiegt erstmals über drei Kilogramm und sorgt für erstklassigen Gleichlauf.

Eine Qualitätsklasse für sich bildet der neue Tonarm aus einem leichten Alurohr, der erstmals dynamisch ausbalanciert ist. Fast ein Alleinstellungsmerkmal, das für Jahrzehnte hochwertige Dual-Plattenspieler auszeichnet.

Mit dem Modell 1009 in HiFi-Qualität erzielt Dual ab 1963 einen überwältigenden Verkaufserfolg – über 200000 (!) Exemplare werden davon gebaut

Aufgrund seiner hochwertigen Lager und der fast reibungslosen Endabschaltung erlaubt der Tonarm das Verwenden von Abtastern mit einer Auflagekraft bis herab zu 0,5 Pond. Für Plattenwechsler ein ungeheurer Fortschritt.

Kristallfräsen“ nennen HiFi-Freunde gern Plattenspieler, die Schallplatten automatisch wechseln. „Mit dem Modell 1009“, so der Autor, „führt Dual die Theorie, dass solche Geräte nicht hifi-tauglich seien, ad absurdum“

Vor allem in Nordamerika erlebt der Dual 1009 als „automatic turntable“ einen beispielhaften Siegeszug. „Die Konkurrenz muss mit ansehen, wie dieser Plattenwechsler weltweit Marktanteile an sich reißt.“

Das Plattenspielerangebot von Perpetuum-Ebner, vom mäßig erfolgreichen PE 33 studio abgesehen, kommt mit dem Erscheinen des Dual 1009 ins Hintertreffen.

Standardspieler der frühen 1960er Jahre und Nachfolger des erfolgreichen „Rex“ ist immer noch der Plattenwechsler PE 66. Ein robustes und bewährtes Gerät, das aber mit seinem an die fünfziger Jahre erinnernden Kunststoff-Tonarm im Vergleich zum neuen Spieler von Dual altbacken wirkt.

Auch der längst vergessen geglaubte Stabilisierungsarm für den Plattenstapel ist beim Plattenwechsler PE 66 nicht mehr zeitgemäß

Erst 1966 wird der optisch und technisch überalterte PE 66 von dem neuen Plattenwechsler PE 72 abgelöst. Neu bei ihm ist die automatische Abastung der Plattengröße durch Fühlstift.

Die Einrichtung mit dem klangvollen Namen „Diamatic“ verschafft dem PE 72 gegenüber vergleichbaren Modellen von Dual noch einmal einen Vorsprung. Unpraktisch dagegen die Steuerung des Tonarmlifts über die Wechselmechanik.

Doch auch bei Dual ist man nicht untätig und verfeinert das Konzept des Spitzenmodells 1009 mit dem Nachfolger Dual 1019, der erstmals einen separaten Lift und eine Skating-Kompensation besitzt.

Das Modell 1019 verleiht der neuen Erfolgsstory von Dual einen noch größeren Schub. Auch im automatikverwöhnten Amerika verkaufte sich der Spieler blendend

Während der mächtige Tonkopf des Vorgängers noch nichts von dem späteren Low-Mass-Konzept bei Dual erkennen lässt, besitzt der Arm des 1019 nun einen wesentlich schlankeren Kopf aus Magnesiumlegierung mit geringerer Masse.

Die Erfolge von Dual mit den Modellen 1009 und 1019 haben bei Perpetuum-Ebner „die Felle davonschwimmen lassen“ – so formuliert es Kotschenreuther. Um der örtlichen Konkurrrenz in der Oberklasse der Automatikspieler wieder Paroli zu bieten, präsentiert das Unternehmen 1968 auf der Industriemesse in Hannover den neuen PE 2020.

Der PE 2020 ist das letzte von Perpetuum-Ebner entwickelte Spitzenmodell. „Das Gerät ist sehr hochwertig und robust aufgebaut“, bescheinigt der Autor. Mir hat der Spieler mit seiner aufdringlichen silbernen Grundplatte – eine Orgie von gebürstetem Aluminium – und dem vergleichsweise plumpen Tonarm nie gefallen

Auch der 2020 verfügt über die automatische Abastung der Plattengröße namens Diamatic. Ein Vorsprung gegenüber Dual gelingt PE noch einmal mit der stufenlosen Verstellmöglichkeit des vertikalen Spurwinkels am Tonarmkopf, um diesen für Einzel- und Wechselbetrieb optimieren zu können.

In den USA wird der PE 2020 von Thorens-Importeur Elpa Marketing Industries vertrieben. Fisher baut den 2020 in seine besseren Musikschränke ein. Diese Version mit optisch verändertem Bedienungsfeld trägt die Bezeichnung Fisher 502.

Dual geht in die Vollen

Seit Produktionsaufnahme des Modells 1009 hat Dual bereits eine Million HiFi-Plattenspieler gebaut. Und wächst am Ende der 1960er Jahre in ganz neue Dimensionen.

Bisher wiesen selbst die Spitzenmodelle aus dem Hause Dual einen Plattenteller von lediglich 27,5 cm Durchmesser auf, der eine LP nicht auf ganzer Fläche unterstützt. Die kompakten Abmessungen des Chassis nahmen Rücksicht auf den Einbau in die noch immer beliebten Tonmöbel.

Auf der Hannover Messe 1969 hebt sich der Vorhang für eine imposante Neuschöpfung: Das vergrößerte Chassis des Dual 1219 erlaubt erstmals das Verwenden eines Plattentellers von 30 cm Durchmesser.

Dual 1219 in neuer Dimension: Der Stroboskopring soll Professionalität ausstrahlen, ist aber nur Blendwerk. Weil die Punkte unter einer aufgelegten Platte verschwinden, sind sie kaum hilfreich. – Bild: Jürgen Hornivius

Als „technischen Leckerbissen“ bezeichnet Kotschenreuther den nun deutlich längeren Tonarm mit seiner doppelt kardanischen Lagerung – für künftige Dual-Spieler fast ein Markenzeichen.

Der Tonarm des Dual 1219, den Fachleute zur Weltspitzenklasse zählen, bietet aber noch weitere Raffinessen:

So hebt der neue „Mode Selector“ das komplette Armlager an, um auch bei Wechselbetrieb einen korrekten Spurwinkel bei der Abtastung zu gewährleisten. Die Antiskating-Einrichtung besitzt erstmals getrennte Skalen für elliptische und konische Nadelverrundungen.

In einem Testbericht wird einzig der „betagte Reibradantrieb“ des 1219 kritisiert, der an der Grenze der Entwicklungsmöglichkeit angekommen sei.

Der Entwickler des Dual 1219 weist darauf hin, dass die radialen Kräfte beim Riemenantrieb größer sind als beim Verwenden eines Reibrads. Der Motor müsse steifer als beim Reibradantrieb an das Chassis angekoppelt werden muss – was sich wiederum ungünstig auf das Rumpelverhalten auswirken kann.

Konstrukteur Heinrich Zimmermann verteidigt den Reibradantrieb beim Dual 1219

Hinsichtlich der Gleichlaufschwankungen verursachten Schlupf und Dickeschwankungen des Riemens wesentlich kritischere Wow-Anteile. Auch der Alterungsfaktor sei trotz moderner Kautschuke beim Riemenantrieb höher zu bewerten, da der Riemen anders als das entkoppelte Reibrad dauernd unter Spannung steht.

Dual und der Wettbewerb

Ein interessanter Haltepunkt im Buch ist der Abschnitt „Konkurrenzsituation“, in dem der Autor auf den Gesamtmarkt in Westeuropa blickt.

Maßgebliche Hersteller der in Deutschland bevorzugten Automatikspieler sind Dual und PE in Sankt Georgen sowie die Firma Elac in Kiel. Außer diesen großen Drei offerieren Philips und Telefunken Modelle in HiFi-Qualität.

Mit Miraphon 22 H (Bild) und dem fast baugleichen Miracord 50 H führt Elac parallel Einzelspieler und Wechsler im Programm. Trotz des differenzierten Angebots bleiben die Kieler immer nur die „Nummer drei“

Weiterer Marktteilnehmer ist Braun in Kronberg mit seinen manuellen Plattenspielern. „Braun bietet zwar keine so umfangreiche Palette wie die schwarzwälder Konkurrenz, doch gelten die Modelle als technisch anspruchsvoll und qualitativ hochwertig. Hinzu kommt ihr unverwechselbares Design.“

Plattenspieler PS 1000 als Bestandteil der 1000er-Anlage von Braun im „Grand Design“. Der Preis dieses von Dieter Rams geschaffenen Kunstwerks mit Relaistasten und photoelektrischer Endabschaltung liegt bei zirka 1200 DM. Auffallend für ein deutsches Modell der überlange Tonarm

In Großbritannien sind es die ebenfalls traditionsreichen Hersteller Garrard und BSR, mit denen sich Dual und PE vor allem im mittleren und unteren Preissegment weltweit messen lassen müssen.

Zwar kämen die Spieler von BSR nicht an die Qualität der Erzeugnisse aus dem Schwarzwald heran. Doch aufgrund ihrer günstigeren Preise konkurrierten sie häufig im Kampf um Industriekunden.

Garrard bewege sich mit seinen Automatikspielern auf einem höheren Qualitätsniveau. Mit dem Modell 401 agiere der Hersteller sogar im Studiobereich.

Zwei Hersteller manueller Plattenspieler kommen aus der Schweiz: Lenco in Burgdorf und Thorens in Sainte-Croix.

Der unverwüstliche Lenco L 75 besticht nicht nur durch gute Qualität, sondern auch ein hervorragendes Verhältnis zwischen Preis und Leistung. In Deutschland ist er ein großer Markterfolg

Der obersten Qualitätsklasse rechnet Kotschenreuther den Thorens TD 124/II zu. Das Modell sei nicht nur in Konstruktionsdetails, sondern auch preislich und qualitativ deutlich oberhalb der „Volksplattenspieler“ von Dual, PE und Elac angesiedelt. „Damit hat er eine völlig andere Zielgruppe im Visier“

Wie lässt sich nun Dual in dieses Marktgeflecht einordnen?

In den 1950er Jahren sind die Plattenspieler von Perpetuum-Ebner und Elac den Produkten aus dem Hause Dual fraglos eine Nasenlänge voraus. Die Sonderklassenmodelle und der Plattenwechsler Rex von PE bereiten den Vertriebsleuten von Dual Kopfzerbrechen. Technisch ebenso führend ist der Kieler Hersteller Elac. 1955 lässt sich das Unternehmen das MM-Prinzip für Tonabnehmersysteme patentieren.

Auch in den beginnenden 1960er Jahren ändert sich an dieser Situation nichts. Dual überlässt das Feld der reinen HiFi-Klasse mit manuellen Einfachspielern weiter ausländischen Spezialfirmen sowie mit Automatikspielern ohne Wechselfunktion Perpetuum-Ebner und Elac (Modelle PE 33 studio, Elac Miraphon 17 H).

Die große Stärke von Dual ist aber schon damals die Präzision, die Verarbeitungsqualität sowie die Zuverlässigkeit seiner Plattenspieler.

„Gerade auf diesem Gebiet“, so der Autor, „fallen die preiswerten Geräte von Philips und Telefunken deutlich zurück.“ Auch die britischen Wettbewerber BSR und Garrard können dem Vergleich mit der Wertarbeit aus dem Schwarzwald nicht standhalten.

Die Verwendung von Elektronik im Plattenspielerbau wie beim Philips GA 212 ist bei Dual kein Thema. Stattdessen setzt man auf präzise, aber teure mechnische Lösungen

Ab Mitte der 1960er Jahre geht Dual mit seinen HiFi-Plattenspielern 1009, 1019 und 1219 dann auch technisch in Führung und steigt mit blendenden Verkaufszahlen zum unangefochtenen Marktführer auf.

Unfreiwillig: Die Wiedervereinigung

Den Verantwortlichen bei Perpetuum-Ebner wird nun immer klarer, dass man in Zukunft auf die Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen angewiesen ist. Die Finanzmittel reichen nicht aus, um den technischen Rückstand gegenüber Dual aufzuholen und mit dem immer schnelleren Tempo der Entwicklung Schritt zu halten.

Ziel der Geschäftsleitung von PE ist es in dieser Situation, mit mehreren Mitbewerbern erste Kooperationsgespräche zu führen – und zwar auf Augenhöhe.

Bei Dual beobachtet man die Probleme des örtlichen Konkurrenten und die ungelöste Frage der Nachfolge bei der Eigentümerfamilie ganz genau.

Hermine Ebner, geborene Steidinger, scheidet altersbedingt aus der Leitung von PE aus und muss mit ihrem Sohn Albert Ebner junior die Nachfolge regeln

Schließlich nimmt die Führungsetage von Dual mit der Geschäftsleitung von PE telefonischen Kontakt auf. Auch um den anderen Interessenten an einer Zusammenarbeit mit Perpetuum-Ebner – ADC und Telefunken – zuvorzukommen und sie so aus der „Bergstadt“ zu halten.

„Perpetuum-Ebner übt den Schulterschluss mit dem ärgsten Konkurrenten“, kommentiert der Autor das Eingehen auf die Geheimgespräche. „Man verspricht sich hierdurch mehr Vorteile als bei einem Einstieg ortsfremder Unternehmen.“

Stammwerk von PE am Bahnhof: Nach Albert Ebner jr. war es „volkswirtschaftlicher Blödsinn“, dass zwei Firmen, deren Sitze nur wenige hundert Meter auseinanderliegen, Entwicklergruppen auf ein und dieselben technischen Themen ansetzen

Im Frühjahr 1971 wird zwischen PE und Dual zunächst eine vorsichtige Kooperation vereinbart. Dual hat zu dieser Zeit etwa 2000 Beschäftigte, PE zählt zirka 1300 Mitarbeiter.

Bei dieser ursprünglich gleichberechtigt angedachten Firmenehe zeigt Dual rasch immer größere Dominanz. Mehr und mehr wird die gesamte Entwicklung zum stärkeren Partner verlagert.

Zum Jahreswechsel 1972/73 kommt es dann endgültig zur Wiedervereinigung der 60 Jahre lang getrennten Unternehmen. Dual übernimmt die Gesamtleitung des Unternehmensverbandes.

Mitarbeiter von Perpetuum-Ebner dürfen aufgrund der Übernahmevereinbarungen nicht entlassen werden. Dadurch sind in den nächsten Jahren viele Positionen doppelt besetzt – entgegen aller wirtschaftlicher Vernunft.

Die neue Mutter Dual schafft sich den bisherigen Konkurrenten schon bald konsequent aus dem Weg. Ab 1974 erscheinen unter der Marke PE nur noch in Technik und Optik leicht veränderte Dual-Chassis.

Statt rund hier elliptisch: Das Tonarm-Kardanlager des Plattenspielers PE 3048 von 1974 verrät nur allzu deutlich die Herkunft von Dual

„Es darf bezweifelt werden, ob die Entscheidung zur Aufgabe der Marke klug war“, reflektiert der Autor. „Perpetuum-Ebner galt bei diversen Industriekunden und im Versandhausgeschäft als guter und verlässlicher Partner.“ Marktanteile seien dadurch kampflos der wachsenden Konkurrenz überlassen worden.

Auch das Zusammenwachsen der Belegschaften wird durch das entschiedene Vorgehen von Dual nicht einfacher. Für manchen Mitarbeiter von Perpetuum-Ebner, der mit der Rivaliät beider Unternehmen aufgewachsen ist, bricht mit dem Verschwinden der Marke eine Welt zusammen.

Goldene Jahre bei Dual

Zur Zeit des Zusammenschlusses der beiden Unternehmen besteht die Geschäftsleitung von Dual aus Siegfried Steidinger als Vorsitzendem sowie Kurt Anton und Dr. Walter Karrer.

Siegfried Steidinger, als siebter und jüngster Sohn von Firmengründer Christian 1907 geboren, erhält seine praktische Ausbildung im väterlichen Betrieb. Nach einem Ingenieurstudium tritt er 1930 in das Unternehmen ein und übernimmt schon sieben Jahre später zusammen mit seinem Bruder Oskar die Leitung der Firma.

Seit dem frühen Tod des Bruders im Jahre 1964 steht Siegfried Steidinger an der Spitze von Dual und trägt die Gesamtverantwortung.

Dual-Oberhaupt Siegfried Steidinger: Strenge Pflichterfüllung, Leistungswille, Korrektheit und Zuverlässigkeit bestimmen sein Handeln

Mit Edgar, Jochen und Rolf Steidinger sowie Klaus-Peter Anton tritt in der ersten Hälfte der 1970er Jahre die Nachfolge-Generation in das Unternehmen ein. Diese vier jungen Männer sollen einmal Schlüsselpositionen einnehmen und das Unternehmen in die sichere Zukunft führen.

Die junge Generation: Edgar Steidinger, Klaus-Peter Anton, Rolf Steidinger, Jochen Steidinger (im Uhrzeigersinn)

Von der Gefahr fernöstlicher Konkurrenz ahnt man bei Dual zu dieser Zeit noch nichts. Man sonnt sich im ständig wachsenden Glanz der Marke in aller Welt. Zeitzeugen berichten, dass man Besuchergruppen aus Fernost voller Stolz durchs Werk führt und sogar freizügiges Fotografieren erlaubt.

Der 1972 erscheinende Dual 1229 unterscheidet sich vom Vorgänger kaum, hat aber jetzt das beim Dual 1219 einzig vermisste beleuchtete Stroboskop

Allerdings erweist sich beim Dual 1229 der noch immer verwendete Reibradantrieb trotz seiner unbestrittenen Zuverlässigkeit als nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das Modell ist der letzte Spitzenwechsler von Dual mit dieser Antriebsart.

Dual mit Direktantrieb

Schon länger hat man bei Dual die Vorteile des Direktantriebs erkannt, bei dem Motor- und Tellerachse identisch sind. Als Vorteile gelten Verschleißfreiheit und überragende Laufruhe der damit ausgerüsteten Plattenspieler.

Mit dem Technics SP 10 bringen die Japaner schon im Jahre 1969 ein Plattenlaufwerk mit Direktantrieb auf den Markt

Bei Dual beginnen die Arbeiten für das revolutionäre Antriebskonzept um das Jahr 1970. Der Motor des Technics erweist sich für Automatikspieler allerdings als nicht geeignet. Zudem wäre sein Preis für einen möglichen Einsatz bei einem Massenhersteller viel zu hoch.

Dual entwickelt deshalb in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Motorspezialisten Papst einen eigenen, preislich günstigeren Direktantrieb. Dieser Motor mit der Bezeichung EDS 1000 wird von Papst dann auch hergestellt.

Nach zahlreichen Prototypen feiert im April 1973 der Dual 701 als erster in Europa entwickelter und gefertigter Automatikspieler mit elektronischem Zentralantrieb auf der Hannover Messe Premiere.

Der Dual 701 ist der erste Plattenspieler aus dem Hause Dual mit den einzigen Drehzahlen 33 und 45. Außerdem bietet das Spitzengerät keine Möglichkeit zum Plattenwechsel mehr

Mit diesen Merkmalen gilt der 701 als Urvater einer Linie hochwertiger Automatikspieler, die sich vom bislang bei Dual vorherrschenden Konzept des hifi-tauglichen Plattenwechslers verabschiedet.

Mit einem Komplettpreis von zirka 1000 DM ist der 701 aber auch der bisher teuerste Dual-Plattenspieler. Er erweist sich trotzdem als großer Markterfolg und wird bis 1976 in rund 100000 Exemplaren gebaut.

Dual mit Riemenantrieb

Ende 1974 feiert ein direkt unter dem Spitzenmodell angesiedelter Automatikspieler Premiere, der über Subteller mit Riemenantrieb verfügt. Mit dem Dual 601 genannten Modell kommen erstmals drei verschiedene Antriebssysteme – Direkt-, Riemen- und Reibradantrieb – in Sankt Georgen zum Einsatz.

Obwohl der Riemenantrieb für das Unternehmen völlig neu, kann der Einzelspieler Dual 601 auf Anhieb überzeugen

Zwei Jahre später ist schon die Mehrzahl aller Dual-Plattenspieler mit Riemenantrieb ausgerüstet. Clou ist die Motorwelle, die sich durch das Eintauchen eines Konus spreizen lässt. Die Veränderung des Durchmessers ermöglicht eine elegante Feineinstellung der Tellerdrehzahl.

Wieder einmal gibt Dual einer feinmechanisch ausgetüftelten Lösung gegenüber Elektronik, die zum Beispiel beim Thorens TD 125 zum Einsatz kommt, den Vorzug.

Auch das neue Topmodell unter den HiFi-Plattenwechslern ist jetzt riemengetrieben:

Der Dual 1249 glänzt mit dem hohem Bedienungskomfort seines Vorgängers und Leistungsdaten, die auch einem Einzelspieler mit Direktantrieb würdig wären. Nicht ohne Grund hat ihn Kotschenreuther für sein Buch als Titelmotiv ausgewählt.

In den 1970er Jahren präsentiert sich Dual als Vollsortimenter mit Tunern, Verstärkern, Receivern und Cassettendecks, inklusive Rack und Boxen zur Plattenaufbewahrung. Die jungen Damen der Werbung verkörpern die damals noch heile Welt in Sankt Georgen

Wolken am Horizont

Inzwischen ist seit dem Bau von Haus und Werkstatt von Christian Steidinger an der Sommerauer Straße ein Dreivierteljahrhundert vergangen: 1975 feiert Dual sein 75jähriges Bestehen.

Das Unternehmen steht im Jubiläumsjahr solide da: Starke Märkte neben Europa sind die USA und Kanada. Die Exportquote erreicht 45 Prozent.

Eine herausragende Stellung haben die Sankt Georgener im Geschäft mit Industriekunden, die Dual-Plattenspieler massenweise in die beliebten Kompaktanlagen der 1970er Jahre einbauen. Nur so lassen sich die hohen Produktionszahlen erreichen.

Zu den besten besten Zeiten des Unternehmens verlassen täglich 6000 Chassis die Bänder in Sankt Georgen. Damit steigt Dual nach BSR und Garrard zum drittgrößten Phonohersteller der Welt auf.

In elf Werken sind über 3500 Personen beschäftigt, davon allein am Stammsitz 2100. Jährlich werden 100 Lehrlinge im technischen und kaufmännischen Bereich ausgebildet.

Gefeiert wird das runde Betriebsjubiläum mit über 500 Gästen in der Donauhalle in Donaueschingen. Jeder Mitarbeiter erhält neben der Festschrift eine Gratifikation, die bei langer Betriebszugehörigkeit mehr als 2000 DM erreichen kann

Verschlechtert haben sich zu dieser Zeit aber schon die Rahmenbedingungen – als Folge der ersten Ölkrise. 4,5 Prozent Arbeitslose und fast eine Million Kurzarbeiter in der Bundesrepublik sind Ausdruck der wirtschaftlichen Stagnation.

In der Branche der Unterhaltungselektronik werden Schatten einer Rezession sichtbar. Sorgen bereiten den Herstellern die massiven Überkapazitäten bei Kompaktanlagen mit der Folge ruinöser Preisnachlässe.

In ganz Europa müssen Unternehmen Federn lassen: in England entlässt der große Konkurrent Garrard 600 Beschäftigte, bei Bang & Olufsen in Dänemark müssen 700 Mitarbeiter gehen, und der skandinavische Hersteller Rank-Arena macht gänzlich dicht.

In Deutschland müssen Saba und Philips Kurzarbeit anmelden. Elac, der Kieler Traditionshersteller von Plattenspielern, geht 1978 gar in Konkurs.

Dual verspürt in den USA die zunehmende japanische Konkurrenz, welche die Preise diktiert. Auf dem Heimatmarkt sind die Herstellungskosten der Plattenspieler um über 20 Prozent gestiegen.

Zu dieser Zeit wird die Zahl der Laufwerkstypen bei Dual immer größer. 1978 produziert das Unternehmen nahezu 25 verschiedene Modelle. Oft erweist sich bei Test von Kompaktanlagen der darin verwendete Dual-Plattenspieler als die hochwertigste Kompenente.

Plattenspieler mit Leichttonarm

Auf der Funkausstellung 1979 in Berlin überrascht Dual mit einer nahezu komplett neuen Produktlinie. In jeder Kategorie, also auch bei Verstärkern, Tunern, Receivern und Cassettendecks, verfügen die Geräte über innovative Technologien oder besondere Ausstattungsmerkmale.

Bei Plattenspielern erreicht die Jagd nach immer geringeren Auflagekräften ihren Höhepunkt. Ein Trend, dem inzwischen längst abgeschworen wurde. Man denke nur an die Neuauflage des Ortofon SPU mit vier Pond Auflagedruck – bei einem für die Plattenerhaltung unkritischen Nadelschliff.

Bei Dual aber heißt jetzt die neue Zauberformel „Utra Low Mass“ – womit ultraleichte Tonarme in Verbindung mit Tonabnehmern extrem hoher Nadelnachgiebigkeit gemeint sind. Die Tonarmmasse beträgt nur noch etwa die Hälfte des bisher üblichen Werts!

Neuer Star bei Dual ist der CS 731 Q mit utraleichtem Tonarm, quartzgeregeltem Direktantrieb und Tipptastenbedienung bei geschlossener Haube

Wesentlichen Anteil an der Masseverringerung haben die für Dual gefertigten Ortofon-Tonabnehmer mit nur noch 2,5 Gramm Eigengewicht. Spezielle Tonkopfschlitten und ein im Durchmesser verringertes Tonarmrohr tragen ebenfalls zur Gewichtsverminderung bei.

Besseres Abtasten verwellter Schallplatten verspricht der ULM-Tonarm

Ein quarzkontrollierter Direktantrieb – die Japaner machen es vor – ist nun auch bei Dual ein Muss. Auch die Blitzfrequenz des Leuchtstroboskops ist quarzstabil. Die Quarzregelung bleibt selbst beim Feineinstellen der Tellerdrehzahl erhalten.

Die Krise beginnt

Wirtschaftlich befindet sich Dual am Ende des Jahrzehnts in einer ersten Krisensituation.

Während der Umsatz des Unternehmens im Spitzenjahr 1974 noch gut eine halbe Milliarde DM erreichte und das Geschäftsjahr 1978 mit etwa 330 Millionen DM abschloss, erleben die Verkaufserlöse 1979 einen regelrechten Einbruch – auf jetzt nur noch 280 Millionen DM.

Nach dem Glanzjahr 1974 ist der Umsatz von Dual deutlich zurückgegangen

Anschaulich schildert Kotschenreuther die Ursachen, die bei Dual zu diesem bedauerlichen Niedergang führten.

Als Hauptgründe nennt der Autor Fehler des Managements, das zu zögerlich auf Martktveränderungen und neue Technologien reagiert, sowie der starke fernöstliche Konkurrenzdruck durch die Abwertung des Yen.

Kritisch sieht Kotschenreuther auch das hohe Maß an Eigenfertigung. Edgar Steidinger rühmte sich einmal, dass man bei Dual vom Abstandsbolzen bis zum Kunststoffteil alles selbst mache. „Mag dies bei Qualitätsbauteilen noch richtig sein, so könnte man bei simplen Teilen schon längst in Billiglohnländer ausweichen. Damit werden die Geräte unnötig teuer.“

Dual-Geschäftsführung mit Siegfried Steidinger an der Spitze: Hier wurden in der Vergangenheit auch Fehlentscheidungen getroffen. Typisch für die Zeit: Die Techniker in weißen Mänteln

Zudem geht der Markttrend der späten 1970er Jahre weg von der Kompaktanlage zum HiFi-Turm. Dadurch erleben die in den Kompaktanlagen zahlreich verbauten Plattenspieler-Chassis von Dual einen deutlichen Nachfragerückgang.

Anteil an der Umsatzverringerung hat auch der aufkommende Videoboom mit Einführung des VHS-Systems von JVC und von Grundigs Video 2000. Ein beträchtlicher Teil der Konsumentenbudgets für Unterhaltungselektronik wird von Videorecordern und den neuen Stereo-Fernsehern absorbiert.

Schließlich wirkt sich in der Branche der immer kürzere Modellzyklus negativ aus. Dadurch lassen sich die Entwicklungs- und Werkzeugkosten kaum mehr amortisieren.

Dual sucht externen Rat

Um die Herstellungskosten nachhaltig zu senken und für Dual eine Zukunftsperspektive zu schaffen, holt die Geschäftsführung von Dual die renommierte Münchener Unternehmensberatung Roland Berger mit ins Boot.

Unter dem Titel „Strategieprojekt DUAL“ durchleuchtet die Unternehmensberatung das Rechnungswesen und erarbeitet eine umfangreiche Marktanalyse für Deutschland sowie die Exportmärkte. Schwerpunkte der Untersuchung sind weiter die Programm- und Vertriebspolitik sowie mögliche Kosteneinsparungen bei Einkauf und Verwaltung. Ein letzter Auftrag betrifft das Erarbeiten einer Budget- und Langfristplanung sowie von Entscheidungsvorlagen für die Geschäftsführung.

Die Analyse von Berger zeichnet ein fast erschreckendes Bild der Unternehmenssituation.

Um trotz des Preisverfalls Marktanteile zu halten bietet Dual seine hochwertigen Automatikspieler deutlich zu billig an. Die dadurch entstehenden Verluste versucht das Unternehmen bei den großen Industrieabnehmern hereinzuholen.

Ein fataler Fehler, denn Grundig durchschaut die Strategie und kündigt wegen überhöhter Preise einen Vertrag über jährlich 300000 Dual-Plattenspieler. Auch große amerikanische Stammkunden wechseln zur Konkurrenz.

Während Dual 1976 noch fast eine Million Chassis an die Industrie liefern kann, geht der Absatz 1979 auf weniger als 300000 Stück zurück. Auch Phonokoffer und einfache Kompaktanlagen lassen sich aufgrund der Marktsättigung immer schwerer verkaufen.

Die Gesamtrendite des Unternehmens ist seit 1977 nur noch befriedigend und rutscht nach dem rasanten Rückgang 1979 in den negativen Bereich. Für das Jahr 1980 sieht die Entwicklung nochmals dramatischer aus. Die Spirale aus sinkenden Umsatzerlösen bei gleichzeitig steigenden Kosten dreht sich immer schneller!

Seit 1978 sind die Kosten bei Dual teilweise rapide gestiegen

Speziell der einst für Dual so wichtige US-Markt leidet unter völlig unbefriedigender Ertragslage. Der Marktanteil bei Plattenspielern erreicht in den Vereinigten Staaten nur noch sechs Prozent. Führend im Segment ist Technics, gefolgt von Pioneer und Sony.

Ziel von Dual muss es nach Ansicht der Berater sein, wieder 1,5 Millionen Plattenspieler pro Jahr zu verkaufen. Dabei habe der in Sankt Georgen lang favorisierte Plattenwechsler in HiFi-Qualität keine Überlebenschance mehr. Einsparungspotenziale sieht Roland Berger im Fertigungsmanagement, in der Materialwirtschaft und bei der Verwaltung.

Alle Ratschläge laufen auf eine massive Verschlankung des Unternehmens hinaus. Auch die zahlreichen Außenwerke stehen im Mittelpunkt von Einsparungs- und Konsolidierungmaßnahmen.

Stilbruch: Die Plastikbomber

1981 stellt Dual eine neue Generation von Plattenspielern im Fernostlook vor. Äußerlich eine radikale Abkehr von den bisherigen Dual-Geräten, die jugendliche Käuferschichten inzwischen als bieder und altbacken empfinden. Das Stahlblechchassis weicht einem fast japanisch anmutenden Gehäuse aus Kunststoff.

Das neue Spitzenmodell Dual CS 741 Q gilt als Höhepunkt der Entwicklung vollautomatischer Plattenspieler mit Direktantrieb. Tonarm, Antrieb und Bedienungskomfort sind nochmals verfeinert worden

Die grundlegenden Qualitätseigenschaften der neuen Baureihe haben sich zwar nicht verschlechtert. Jedoch hinterlässt der Kunststoff bei Anhängern der Marke Dual ein geringeres Wertigkeitsgefühl.

Trotz der Modernisierung bei Dual wird die Dominanz der Marken Technics, Sony, Denon und Pioneer auf dem deutschen Markt für Plattenspieler immer größer. Aufwendigste Prestigemodelle der Japaner machen den Sankt Georgenern im Segment der Spitzenplattenspieler das Leben schwer.

Das Geld wird knapp

Zur Funkausstellung 1980 in Berlin ziehen über Dual dunkle Wolken auf. Als äußeres Zeichen der schmäleren Ressourcen erscheint für das Geräteprogramm nur noch ein dünner Sammelprospekt.

Die Geschäftsleitung ist bemüht, aufkommende Gerüchte über eine schlechte Geschäftlage oder gar eine Schräglage des Unternehmens zu dementieren und die Zukunftsperspektiven positiv darzustellen.

Versuche von Dual, Überkapazitäten in den deutschen Werken wegen der Fertigungsverlagerung nach Fernost durch Zusatzaufträge von Industriekunden abzubauen, bleiben ohne größeren Erfolg.

Das Plattenspieler-Montagewerk in Urloffen bei Appenweier ist einer der Standorte, die geschlossen werden müssen

Die Geschäftsleitung entscheidet, Auslandsbeteiligungen aufzugeben. Die Mitarbeiterzahl in Deutschland ist inzwischen von ehedem 3500 auf etwa 2000 Personen gesunken.

Unter dem Strich bleiben bei Dual im Geschäftsjahr 1980/81 bei 300 Millionen DM Umsatz rund 30 Millionen DM Betriebsverlust. Den Umsatz für’s kommende Jahr schätzt die Unternehmensleitung auf nur noch 250 Millionen DM. Gerüchte nach einem strategischen Partner tauchen auf.

Das Management beschließt, nur noch Plattenspieler herzustellen und das umfangreiche Sortiment an Elektronik-Komponenten – die ohnehin nie die Reputation der Phonogeräte von Dual erreichten – künftig von anderen Firmen zuzukaufen. Tuner und Verstärker der oberen Preisklasse fliegen gänzlich aus dem Programm.

Bei kompletten Stereoanlagen setzt Dual verstärkt auf die jetzt angesagten HiFi-Türme. Schwächstes Glied in den einfachen Anlagen sind die Boxen, bei denen im Hochtonbereich teilweise noch veraltete Konuslautsprecher statt moderner Kalotten zum Einsatz kommen. Erschreckend die Begründung der Techniker: Da diese Schallwandler ohnehin hinter Gardinen, in Schränken oder unter Beistelltischen verschwänden, lohne der erhöhte Aufwand für ein Kalottensystem nicht.

Dual wird zum Problemfall

Durch Kostensenkung, Personalabbau und Lohnfertigung in Japan hofft man im Herbst 1981 wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Doch die Geldinstitute sind skeptisch und bangen um ihren Einsatz. Allein bei der Deutschen Bank steht Dual mit fast 40 Millionen DM in der Kreide.

Auf Druck der Banken stützt die Gesellschafterfamilie das Unternehmen seit 1980 mit annähernd 50 Millionen DM. Gegen Widerstand des Managements wird ein neuer Mann ins Unternehmen geholt.

Dr. Franz Hermann Vogt war vorher bei Grundig und Thomson-Brandt. Der diplomierte Betriebswirt soll bei Dual als „Profi unter Amateuren“ eine neue Struktur schaffen

Beim Eintritt von Dr. Vogt ist das Dual-Schiff fast schon auf Sand gesetzt. Das Familienunternehmen mit seiner stattlichen Anzahl von Gesellschaftern hat aufgrund ihrer Entschlussunfähigkeit es versäumt, notwendige Rationalisierungen frühzeitig und konsequent umzusetzen.

Norbert Kotschenreuther

Eine Bürgschaft des Landes Baden-Württemberg über 10 Millionen DM kann den drohenden Absturz des Unternehmens im Juni 1981 noch aufhalten.

Aber trotz positiver Auftragslage zur Funkausstellung müssen die Mitarbeiter bereits um ihre Löhne und Gehälter bangen. Das einst blühende Familienunternehmen ist zum akuten Problemfall geworden.

Bei Dual ist es jetzt nicht fünf, sondern schon drei vor zwölf

Der neue Geschäftsführer versucht, für Dual einen Käufer zu finden – vergebens:

Grundig steckt selbst in finanziellen Problemen, Philips verfügt über eine eigene Plattenpieler-Fertigung und der französische Thomson-Brandt-Konzern, der sich schon Nordmende und Saba einverleibt hat, fürchtet den möglichen Kaufpreis samt den Kosten für einen Sozialplan.

Die Banken fordern jetzt von den Gesellschaftern, das Unternehmen mit weiteren 20 Millionen DM zu stützen. Als der uneinige Familienclan dazu nicht bereit ist, weigern sich die Geldinstitute, die Kreditlinien zu erhöhen. Das Land zieht eine in Aussicht gestellte weitere Bürgschaft zurück.

Zwar wird in den Werken weiter gearbeitet, doch die Frage nach gesicherter Lohnzahlung quält viele der treuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Inzwischen betragen die Schulden von Dual geschätzte 100 bis 150 Millionen DM. Edgar Steidinger verlässt das sinkende Schiff und setzt sich in die Schweiz ab, bevor ihn Haftungsansprüche als einer der Gesellschafter erreichen.

Große Unruhe herrscht im Unternehmen. Lieferanten wollen nicht bezahlte Waren abholen. Ein Mineralölhändler versucht gar, an Dual geliefertes Heizöl wieder abzupumpen.

Der Zusammenbruch

Am 24. November 1981 drehen die drei Hausbanken endgültig den Geldhahn zu und lösen damit den Sturz des Unternehmens aus. Den schwarzen Peter dafür geben sich die Gesellschafter und die Geldinstitute gegenseitig.

Nach einer langen Nachtsitzung bleibt den Chefs nur übrig, in ihren Mercedes-Limousinen nach Villingen zum Amtsgericht zu fahren, um für die Produktionsgesellschaft von Dual Konkurs anzumelden. Die Mitarbeiter erfahren von der Pleite am Schwarzen Brett.

Schlagzeilen über Schlagzeilen: Der Zusammenbruch von Dual findet bei den Medien großen Wiederhall

Als vorläufiger Konkursverwalter übernimmt der Stuttgarter Rechtsanwalt Hans Ringwald die Geschäfte. Er will die Produktion so bald als möglich wieder hochfahren. Dafür stellen die Banken ihm 10 Millionen DM in Aussicht.

An einer Betriebsversammlung nehmen rund 1000 Belegschaftsangehörige teil. In der aufgewühlten Stimmung ist immer wieder Kritik am Management zu hören: Edgar Steidinger wird mit seinen Neubauten und Werkskäufen Größenwahn vorgeworfen. Die Führung habe ihr Unternehmen als eine Art Spielzeugeisenbahn angesehen.

Durch rechtzeitiges Abtrennen der Besitzgesellschaft von der jetzt pleite gegangenen Produktionsgesellschaft – für die mit nur lächerlichen 24000 DM gehaftet wird – habe die Besitzerfamilie schon vor Jahren ihr Schäfchen ins Trockene gebracht.

Ringwald fordert jetzt von den Gesellschaftern, das Vermögen der Besitzgesellschaft Perpetuum-Ebner KG, der die gesamten Liegenschaften sowie die Produktionsmittel gehören, in die Konkursmasse mit einzubringen.

Firmenpatriarch Siegfried Steidinger bleibt es nicht erspart, die harschen Vorwürfe der Versammelten und das Zusammenbrechen seines Lebenswerks – und das seines Vaters – im Ruhestand mitzuerleben. Er stirbt 1989 – vermutlich voll Kummer – mit 82 Jahren.

Siegfried Steidinger bei der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Meßkirch, wo Dual ein Werk unterhält

Nach langen Verhandlungen und durch starken politischen Druck von außen erklären sich die untereinander zerstrittenen Gesellschafter bereit, den Immobilienbesitz der insolventen Produktionsgesellschaft zuzuschlagen. Damit sollen die Lohnansprüche der Arbeitnehmer befriedigt und Qualifizierungsmaßnahmen finanziert werden.

Nach Zusagen von Banken und Landesregierung für weitere Kredite ist der Weg für die Eröffnung des Konkurses frei. Auf einer weiteren Betriebsversammlung werden alle 1800 Arbeitsverträge aufgehoben.

Unfassbar: Manche Dual-Mitarbeiter bedauern das Schicksal ihrer bisherigen Chefs fast mehr als ihr eigenes …

„Hinter diesen nüchternen Zahlen“, schreibt Kotschenreuther, „verbergen sich viele Einzelschicksale. Mitarbeiter, die nach dem Krieg das Unternehmen aufgebaut haben, sehen sich jetzt auf der Straße und haben aufgrund ihres Alters kaum mehr Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz. Viele weibliche Arbeitnehmer und Hilfskräfte stehen vor dem Nichts.“

Doch nicht nur Dual-Beschäftigte sind von dem Konkurs ihres Arbeitgebers betroffen:

Zahlreiche Zulieferer in der Region trifft ein mögliches Ende bei Dual ebenso. Sankt Georgen verzeichnet jetzt zehn Prozent Arbeitslose. Die Stadt, die aus der sprudelnden Gewerbesteuer den Rathausneubau sowie Sportzentrum und Hallenbad finanzieren konnte, muss deutlich kürzer treten.

Bei einer ersten Gläubigerversammlung werden die Schulden des Unternehmens auf 124 Millionen DM beziffert. 40 Prozent davon entfallen auf den Sozialplan, weitere 25 Prozent auf die Sicherung der Pensionen.

Die Versammlung beschließt die Fortführung des Betriebs mit – zunächst noch – 1000 Mitarbeitern unter der Regie des französischen Thomson-Brandt-Konzerns, der Dual nach wochenlangen, harten Verhandlungen übernimmt.

Der lange Abstieg

Auf den letzten knapp 100 Seiten seines Werkes schildert Kotschenreuther den allmählichen, aber unaufhaltsamen Niedergang der Marke Dual. Die freilich auch mehr als 40 Jahre nach dem Konkurs noch existiert, wenngleich längst nicht mehr in Sankt Georgen.

Fast drängt sich das Gleichnis von der Katze mit den sieben Leben auf. Also die Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen immer wieder auf den Pfoten zu landen und aufzustehen.

Ursachen des schleichenden Abstiegs in den 1980er und 1990er Jahren sind aber nicht nur hausgemachte Probleme und die Fernost-Konkurrenz, sondern auch die weitgehende Sättigung der Märkte.

Absturz: Schon gut eine Dekade nach dem unrühmlichen Konkurs liegt die Mitarbeiterzahl von Dual nur noch im zweistelligen Bereich

Außerdem hat der Vormarsch von Multimedia, Smartphone und Streaming sowie der Zeitanspruch der sozialen Medien die Beschäftigung mit hochwertiger Musikwiedergabe stark in den Hintergrund gedrängt.

Der verbliebene Markt für Unterhaltungselektronik zeigt sich zweigeteilt: in einen großen, von Saturn und Mediamarkt beherrschten Konsumbereich mit Produkten, die bei einem Defekt nur zum Wegwerfen taugen, und ein überschaubares Highend-Segment, das den Herstellern gute Profite beschert.

In diesem Spannungsfeld haben die jeweiligen Verantwortlichen bei Dual es versäumt, wichtige Qualitätsmerkmale der Marke – Preiswürdigkeit, hohe Verarbeitungsqualität und unbedingte Zuverlässigkeit – weiterzuführen und zu festigen. Stattdessen wurde mit der Strategie, in den kaufkräftigsten Preisklassen den Umsatz zu maximieren, auf’s falsche Pferd gesetzt.

Thomson – Schneider – Karstadt

Für den Niedergang der Marke Dual stellt Thomson-Brandt schon gleich nach der Weiterführung des Unternehmens die Weichen.

Unter der Regie der Franzosen wird das Dual-Sortiment um CD-Spieler, Videorecorder und Henkelware erweitert. Die gesamte Produktpalette konzentriert sich jetzt bei HiFi auf die Einstiegs- bis Mittelklasse.

Bei der neuen Plattenspieler-Generation regiert der Rotstift. Leichteste Plattenteller aus Alu-Blech und ein fast schon zerbrechlich anmutendes Plastikgehäuse wollen nicht zum Namen Dual passen. Beim billigsten Modell ist am Tonarm nicht mal mehr das Einstellen von Auflagekraft und Antiskating möglich.

Aus der Preisklasse oberhalb von 500 DM zieht sich Dual völlig zurück. Neuer „Spitzenspieler“ ist das Modell CS 630 Q

Durch diese Entwicklung beginnen sich auch markentreue Kunden von Dual abzuwenden. Produkte aus Sankt Georgen verlieren im Thomson-Brandt-Konzern durch Gleichschaltung an Charakter und Eigenständigkeit.

Mitte der 1980er Jahre kreiert das Unternehmen das neue Markenkonzept Dual New Tech 1985 und stellt einen wieder hochwertigeren Halbautomaten Dual CS 5000 vor – mit dem sich die Sankt Georgener vom Dogma des vollautomatischen Plattenspielers verabschieden.

Allerdings lässt „New Tech“ die erhoffte Resonanz bei den Kunden vermissen. Viele Fachhändler streichen Dual aus ihrem Sortiment. Japanische Firmen wie Sony und Technics erobern in allen Preissegmenten den deutschen und westeuropäischen HiFi-Markt.

Anfang 1987 reifen bei Thomson-Brandt Überlegungen, sich vom Tochterunternehmen Dual, das rote Zahlen schreibt, wieder zu trennen. Ein dauerhafter Erfolg der Marke will sich nicht einstellen.

Neuer Hausherr Schneider

1988 übernehmen die Schneider Rundfunkwerke in Türkheim Dual in zwei Schritten – für jeweils nur eine symbolische Mark.

Der kleinere Hersteller aus dem Unterallgäu gilt bei Unterhaltungselektronik nur als B-Marke, der auch das Versandhaus Neckermann beliefert. Plattenspieler für die Kompaktanlagen bezogen die Türkheimer schon bisher aus Sankt Georgen.

Mit dem Einstieg bei Dual erhofft sich das schwäbische Familienunternehmen eine deutliche stärkere Kompetenz im gehobenen HiFi-Segment.

Bisher war Schneider mit Kompaktanlagen nur im unteren Preisbereich vertreten

Zum Zeitpunkt der Übernahme hat Dual nur noch 145 Beschäftige, gut die Hälfte davon in der Produktion. Über den neuen Hausherrn herrscht wenig Begeisterung – die Mitarbeiter fürchten dadurch einen weiteren Imageverlust der Marke.

Player für die neue, revolutionäre Compact Disc werden jetzt auch für Otto Normalverbraucher erschwinglich. Die kleinen Silberlinge, deren Angebot ständig zunimmt, verdrängen Analogspieler in der Konsumklasse immer mehr.

Plattenspieler, bei denen es während der Vormacht der CD zum weitgehenden Stillstand der technischen Entwicklung kommt, fertigen in Deutschland neben einigen Highend-Schmieden nur noch Thorens und Dual.

Unscheinbar: Der Plattenspieler Schneider PL 6200 des neuen Eigentümers nutzt den Dual-Baukasten mit der kardanischen Tonarmlagerung

Unter den Fittichen von Schneider soll wieder einmal eine neue Produktstrategie Aufwind bringen: Mit dem Audiophile Concept will Dual vom Kunden verstärkt als innovativer und hochqualitativer Anbieter wahrgenommen werden.

Die gestiegene Wertigkeit der Plattenspieler wird mit steigenden Verkaufszahlen belohnt. 1988 schreibt das Unternehmen – das unter der Marke Dual auch die mittelmäßigen Fernseher von Schneider vertreiben muss – wieder schwarze Zahlen.

Die Muttergesellschaft in Türkheim indessen, mit ihrem Geschäft bei Heimcomputern bisher sehr erfolgreich, leidet unter dem vollkommen zusammengebrochenen Markt aufgrund der Fernost-Konkurrenz. 1991 muss Schneider einen Betriebsverlust von 70 Millionen DM hinnehmen.

Wegzug aus Sankt Georgen

Auch aus dem Schwarzwald kommen wieder schlechte Nachrichten: Nach drei guten Jahren, auch wegen des Nachholbedarfs an Unterhaltungselektronik in den neuen Bundesländern, muss Dual einen Umsatzrückgang von 30 Prozent verkraften.

Durch die Aufgabe der Computerfertigung sind in Türkheim Kapzitäten freigeworden. Deshalb beschließt Schneider, die Tochter dorthin zu verlagern.

Als äußeres Zeichen verschwindet auf dem Dach des Werkes 5 im Brigachtal der große Dual-Würfel. Doch völlig verlässt die Plattenspieler-Fertigung, der Sankt Georgen seinen Bekanntheitsgrad in der Welt der Unterhaltungselektronik zu verdanken hat, die Bergstadt nicht.

Mit 7500 Quadratmetern Produktionsfläche war das Werk 5 in der Industriestraße die größte Fertigungsstätte von Dual in Sankt Georgen

1993 kann Alfred Fehrenbacher mit Dual und Schneider eine Vereinbarung über die Weiterführung der Spielerproduktion am Standort abschließen. Der ehemalige Dual-Mitarbeiter glaubt auch zur Glanzzeit der Compact Disc an den Plattenspieler.

In der Folge montiert Fehrenbacher mit noch 15 verbliebenen Mitarbeitern zehn verschiedene Dual-Modelle im Auftrag von Schneider. 1994/95 können so noch immerhin 40000 Plattenspieler verkauft werden.

Der Umsatz von Dual ist zu dieser Zeit wegen schlechter Marktlage und fehlender Highlights im Sortiment weiter unbefriedigend. Die Muttergesellschaft benötigt dringend Kapital und entschließt sich zur Trennung von der Traditionsmarke – mit der sie nur kurzzeitig auf Erfolgskurs war.

Abenteuer Karstadt

Im Juli 1994 versilbert Schneider den Markennamen Dual für acht Millionen DM an die Karstadt AG. Lediglich die Nutzungsrechte der Marke für Plattenspieler verbleiben in Türkheim. Der Konzern will im Rahmen einer neuen Strategie bei Unterhaltungselektronik mit einer eigenen Produktlinie am Markt vertreten sein.

Eine Studie hat ergeben, dass der Name Dual immer noch „positiv besetzt“ ist und das Trading Down der beiden letzten Eigentümer dem Markenimage nicht substanziell geschadet hat. Ziel von Karstadt ist, Dual jetzt als Komplettanbieter zu positionieren, der den ganzen Audiobereich abdeckt.

Radiorecorder mit CD-Player: In der Essener Konzernzentrale ist man der Ansicht, unter dem Namen Dual alles verkaufen zu können

„Kenner der Szene halten das Experiment einer neuen Eigenmarke für nicht ungefährlich“, schreibt Kotschenreuther. Dem kann ich nur zustimmen: Als ich die „Dual“-Geräte zum ersten Mal in einem Frankfurter Kaufhaus entdeckte, wirkte auf mich das Vorhaben irgendwie naiv.

Bei näherer Betrachtung der Karstadt-Linie bleibt ein fader Beigeschmack. Verarbeitungsqualität und Wertigkeit entsprechen nicht immer der (oberen) Preisklasse. Ein Zeitung bezeichnet das neue Programm gar als „retro-futuristisches Lifting einer Leiche“.

Und so schlägt der Versuch von Karstadt, seinen Umsatz mit Unterhaltungselektronik auf diese Weise signifikant zu steigern, nach Anfangserfolgen auch krachend fehl. Das Experiment Dual ist auf ganzer Linie gescheitert.

Dual-Uhrenradio mit Wetterstation: Als Folge des Scheiterns werden alle Karstadt-Angbeote zu Schleuderpreisen verramscht

Die Entwicklung von Dual seit dem Konkurs von 1982 bis ans Ende der Karstadt-Ära fasst der in Konstanz erscheinende Südkurier mit drastischen Worten zusammen:

„Mit der Übernahme der Marke durch Karstadt hat eigentlich die Geschichte der Firma Dual ihr Ende gefunden“, schließt Kotschenreuther diesen Buchabschnitt.

Das letzte Kapitel widmet sich auf nochmals fast 40 Seiten dem weiteren Identitätsverlust des Firmennamens, der mit der Zerplitterung der Markenrechte und weltweit verzweigten Inhabern einhergeht.

Schrecklich zu lesen, was im neuen Jahrtausend alles unter dem Namen Dual verkauft wird: wasserfeste Audiosysteme für Sportboote, Navigationsgeräte, ja sogar billigste Nostalgieradios im Sperrholzgehäuse mit dem altem Firmenlogo in Schreibschrift.

Für Außenstehende wie mich wird’s mit der Lektüre jetzt schwierig – etwa beim Hin und Her der Übernahme von Schneider durch einen chinesischen Elektrokonzern. Doch der Autor kommt auch hier nicht aus der Spur und glänzt bei seiner Darstellung eines Gemenges von Firmenverflechtungen mit unvorstellbarem Detailwissen.

Leere Worte: Dieses kurz nach dem Konkurs in Sankt Georgen gegebene Versprechen konnte Dual nie einhalten

Für weniger Bewanderte wieder verständlich sind die zusammenfassenden Ausführungen in seinem Nachwort.

Ernüchtert stellt der Schreiber fest, dass die in Jahrzehnten gewachsenen Qualitätsmerkmale von Dual letztlich verloren gegangen sind. Den Trend zu hochwertigen und prestigebildenden Produkten haben die Unternehmensführungen ab den 1980er Jahren nicht erkannt oder nicht konsequent umgesetzt.

Gerade Thomson-Brandt hätte aufgrund seiner Größe dazu die Möglichkeit gehabt. Statt dessen wurde das Gerätesortiment der Konzernmarken per „Gleichschaltung“ immer undifferenzierter und ähnlicher. Kotschenreuther vergleicht dies mit der Übernahme der deutschen Traditionsmarke Opel durch den Stellantis-Konzern.

Was auch noch eine Rolle spielt: Neue Wettbewerber auf dem Phonosektor – die österreichisch-tschechische Marke Pro-Ject und der englische Hersteller Rega – haben die früher von Dual besetzten Marktsegmente mit ihren Brettspielern übernommen.

Ehemaliges Stammwerk von Dual an der Sommerauer Straße: Heute unterstützt dort ein Technologiezentrum Existzenzgründer und junge Unternehmen beim Start

Ausgeprägte Sachlichkeit

Schon bei der ersten Durchsicht besticht das Dual- und PE-Buch durch seinen informatorischen Wert. Allerdings wirkt es auch ein wenig nüchtern – Emotionen blitzen beim Autor nur selten auf.

Die Sachlichkeit war schon dem Rezensenten der STEREO bei der Vorstellung der Erstauflage aufgefallen:

Rezension der Erstausgabe in der HiFi-Zeitschrift STEREO. Die Auflage des Softcover-Buches im Jahre 2002 war nur gering – und schnell vergriffen. Selbst der Autor ahnte wohl damals kaum, dass sein Werk bis jetzt sechs Auflagen erleben würde

Sehr positiv wirkt, dass das Themenspektrum des Buches sich nicht auf Plattenspieler von Dual und Perpetuum-Ebner sowie auf die übrige, sehr breite Produktpalette aus Sankt Georgen beschränkt. Die Schilderung der Unternehmenspolitik und der handelnden Personen beider Firmen liest sich ausnehmend spannend.

Erstaunlich auch, wie klar es dem Autor gelingt, den Zusammenbruch von Dual und seine Ursachen nachzuzeichnen – obwohl als Informationsquellen meist Zeitungsberichte genügen mussten.

Ein persönliches Gespräch mit den Inhabern und Geschäftsführern des Unternehmens hätte viele Aufschlüsse liefern können. Doch genau dies blieb dem Passauer verwehrt.

Die Verantwortlichen in Sankt Georgen zeigten kein Interesse an einer irgend gearteten Transparenz ihres Scheiterns – und wollten dies schon gar nicht publiziert wissen. Kotschenreuther stieß auf eine Mauer des Schweigens. Inzwischen leben die potenziellen Interviewpartner nicht mehr.

Norbert Kotschenreuther beschäftigt sich seit den 1990er Jahren intensiv mit der Marke Dual

22 Euro wie das Erstlingswerk kostet die mehr als doppelt so umfangreiche sechste Auflage mit Fadenheftung und Hardcover natürlich nicht mehr – was in Anbetracht der inzwischen enorm gestiegenen Papier- und Druckkosten jeder versteht. Dennoch gelang es dem Autor, mit dem abermaligen Verzicht auf Farbe im Innenteil den Preis des Schwergewichts knapp unter 50 Euro zu halten.

Moderat ist der Buchpreis wohl auch mit Rücksicht auf den Abnehmerkreis. Manchem Liebhaber deutscher Automatikspieler sitzt das Geld nicht so locker wie HiFi-Freunden, die für einen voll restaurierten Thorens TD 124 eine vierstellige Summe ausgeben können.

Zur günstigen Preisgestaltung trug auch bei, dass Kotschenreuther keinen Buchdesigner bezahlen musste, weil er das Layout wieder selbst übernommen hat. Dies hat er mit großer Sorgfalt bewerkstelligt.

Allerdings hat es der Autor beim Bestreben, möglichst viel seines umfangreichen Wissens in die Buchseiten zu packen, an machen Stellen übertrieben:

Sobald nur die kleinste Lücke zwischen zwei Bildern auftauchte, wurde noch Text hineingequetscht – manchmal lediglich zwei (!) Zeilen. Mit der Folge, dass man beim Umblättern den Anschluss vermisst – bis man die fehlenden Zeilen auf der vorigen Seite dann doch noch irgendwo entdeckt.

Der letzte Abschnitt des Werkes besteht aus endlosen Auflistungen sämtlicher jemals von Dual und PE hergestellten Plattenspieler und ihrer Fertigungszeiten. Umfangreiche Tabellen enthalten Informationen zu den verwendeten Konsolen und Hauben, Tonköpfen, Tonabnehmern, Abtastnadeln und sogar der empfohlenen Auflagekraft. Außerdem findet man Angaben zur Funktionsweise der Plattenspieler, der Art des Antriebs, die gebotenen Drehzahlen und noch viel, viel mehr.

Eine unglaubliche Fleißarbeit über mehr als 50 (!) Buchseiten. Um die Notwendigkeit dieses Anhangs in seiner Ausführlichkeit zu verstehen, muss man wohl gedanklich in der Welt der „Dualesen“ verhaftet sein.

Ein Seitenindex, mit der gleichen Energie erarbeitet, hätte weniger eingeweihten Lesern auf der Suche nach Namen oder bestimmten Modellen mehr geholfen. Hier wäre vielleicht auch die Erläuterung des Firmennamens „DGC“ zu finden gewesen – ein Kürzel, das der Autor im letzten Buchabschnitt häufiger verwendet, ohne je zu erklären, wofür die drei Buchstaben stehen.

Diese Hinweise und vereinzelte Unschärfen im Buch können den positiven Eindruck des Werkes aber nicht schmälern. Gratulation dem Autor für sein imposantes „Dual- und PE-Vermächtnis“! Dank auch für die Erlaubnis zur Übernahme zahlreicher Bilder aus dem Werk in diesen Blog-Beitrag.

Zum Schluss stellt sich die Frage, warum ein so substanzreiches Buch wie dieses erst ein Privatmann veröffentlichen muss. Zumal es Verlagstitel zu viel ausgefalleneren Themen gibt – und bei denen man sich wundert, wer diese Bücher eigentlich kaufen soll.

Sämtliche bisher publizierten Werke über Plattenspieler – ein doch wieder aktuelles Thema! – interessierten keinen Verleger und mussten auf eigene Rechnung realisiert werden.

Der Hauptvertrieb des Dual- und PE-Buches läuft über das Deutsche Phonomuseum in Sankt Georgen. Außerdem über den Ersatzteilhändler „Dualfred“ und den Shop der Dual GmbH in Fuchstal bei Landsberg am Lech – die aktuell drei manuelle und drei vollautomatische Dual-Plattenspieler anbietet.

Im Shop von Dual kann die sechste Auflage für 49,90 Euro zuzüglich Versand bestellt werden: