Goldgräberstimmung im Netz

Mein Beitrag über den Stanton Unipoise ist jetzt zwei Jahre her, und ich hatte nicht damit gerechnet, darauf noch eine Reaktion zu erhalten. Doch nun meldete sich ein Blog-Leser und berichtete mir von einem sensationellen Fund:
„Ich habe mit wachsendem Interesse Ihren Artikel Pickering Stanton Unipoise 200, ergänzt um die Aufsetzhilfe Ortofon Hi-Jack Mk. I. gelesen. Vor etlichen Jahren habe ich einen TD 124/II mit eben diesem Tonarm samt System Pickering V 15 AME 1 und Aufsetzhilfe Ortofon auf dem Sperrmüll gefunden.“
Da der Analogfreund auf dem Thorens TD 124/II inzwischen einen anderen Tonarm betreibt und den Stanton nicht behalten will, bat er mich als Kenner des Arms, die Verkaufsmöglichkeit und den erzielbaren Preis abzuschätzen.
Ich machte klar, dass das Begehrteste an der Armkombination wohl der Lift ist. Für einen guten Ortofon Hi-Jack werden auf dem Sammlermarkt mindestens 150, wenn nicht 200 Euro gezahlt.
Den Wert von Arm und Brett taxierte ich zurückhaltender und riet, das seltene Gesamtpaket zum Einstiegspreis 500 Euro anzubieten – was schon großzügig angesetzt ist. Denn die „Wackelgeschichte“ ist eher etwas für Bastler und Schnäppchenjäger, die wenig zahlen oder besser noch alles fast umsonst haben wollen.
Auch lagen mir zur Wertbeurteilung keine Fotos vor, die über den genauen Zustand des Objekts hätten Auskunft geben können. Die Verfassung bedeutet bei einer solchen Rarität alles …
Die große Überraschung
In meinem Account des Online-Auktionshauses habe ich die Suchfunktion neben anderen Begriffen schon vor Jahren auf den Stanton Unipoise programmiert – und da poppte jetzt das Angebot des Hannoveraners auf. Und schau her – meine Preisempfehlung hat er auf einen Tausender glatt verdoppelt!
Hier sind auch gelbstichige Fotos des Stanton zu sehen – mit begrenzter Aussagekraft. „So la-la“ würde ich den Zustand der Armkombination auf den ersten Blick beschreiben.

Dem von Paillard-Bolex gelieferten Stanton Unipoise auf Thorens-Brett fehlt eine Ruhestütze samt Klammer – der Arm ruht ohne jede Sicherung auf der Liftbank. Die Handhabung des wackeligen Einpunkters wird dadurch nicht einfacher.
Meinen Stanton hat Techniker Peter Feldmann nachträglich mit einer solchen Armsicherung versehen, die am Sockel befestigt ist:

Gut zu erkennen ist der von Feldmann verbesserte Phono-Anschluss unter dem Brett – ein Schwachpunkt des Stanton.
Und wie sieht’s bei dem Online-Angebot mit dem kritischen Teil aus? Ein Bild von der Brettunterseite zeigt der Anbieter nicht – offenbar fehlt dem Arm das unverzichtbare Anschlusskabel.
Paillard Bolex hat den Stanton mit dem Ortofon Hi-Jack Mark I kombiniert. An diesem Arm ist der seltenere Mark II mit verkürzter Bank für Neuzoll-Tonarme montiert


Der Blick auf den verstaubten Tonkopf mit Pickering-System offenbart den erheblichen Reinigungsbedarf. Das dürfte für den ganzen Tonarm gelten
Zum Vergleich der Tonkopf an meinem restaurierten Stanton mit Tonabnehmer Pickering 380

Mäßig wie der Zustand des Tonarms ist auch dessen Beschreibung:
Statt auf den abgebrochenen Griff hinzuweisen und auf die Frage des Anschlusskabels einzugehen, zitiert der Anbieter nur einige Allgemeinplätze über den Stanton – Herstellerlob aus meinem Blog. Beim Abschreiben rutscht er auch noch einige Zeilen zu tief:
„Es ist eigentlich überflüssig zu sagen, dass die Musikwiedergabe des Stanton über jeden Zweifel erhaben ist. Der Rumpel-Fremdspannungsabstand erreicht stolze – 43 dB, die Gleichlaufschwankungen liegen unter 0,15 %. Änderungen der Stromspannung von ± 10 % beeinflussen die Drehzahlstabilität nicht.“
Das ist im Kontext des Tonarms natürlich Unsinn:
Ein Tonarm hat weder einen „Rumpel-Fremdspannungsabstand“ noch „Gleichlaufschwankungen“ oder gar „Drehzahlstabilität“. – Hier geht es nicht mehr um den Arm, sondern um Aussagen über den Plattenspieler Stanton 800, auf dem der Unipoise-Arm serienmäßig verbaut war und den ich in dem Fachartikel ebenfalls beschrieben habe.
Was soll man also sagen?
„1000 Euro oder mehr“ für diesen Oldie? Ganz schön sportlich – am Auktionsende ist man schlauer!
Seltenheit allein genügt nicht – für einen hohen Erlös muss das Verkaufsobjekt auch in Top-Zustand sein!