Umbau auf Stereo-Wiedergabe
„Nicht jeder ist finanziell in der Lage, seine bisherige Mono-Anlage einfach aufzugeben“, schreibt Ernst Pfau im November-Heft 1959 über die neue „Raumtontechnik“ – und propagiert die eingangs beschriebene Radio-Lösung.

„Für viele Musikfreunde mag es eine Beruhigung sein, dass man auf sein erspartes und liebgewonnenes Gerät nicht zu verzichten braucht und dennoch die Möglichkeit hat, mit relativ einfachen Mitteln sich den Zauber der stereophonischen Musikübetragung zu erschließen.“
„Was heißt hier Stereo?“ – Auch die damals üblichen Witzeseiten der Illustrierten – viele von Zeichner Rudi Fäcke – greifen das Thema auf

Laut Ernst Pfau könne man auch eine vorhandene monophone Musiktruhe samt Plattenspieler mit Stereo-Tonabnehmer und einem Radiogerät zur Stereoanlage ausbauen.

Vor Einführung von Stereo gab es schon „dreidimensionalen“ Klang von Radios mit zusätzlichen Seitenlautsprechern – nach Druck auf die 3 D-Zaubertaste
Redaktionskollege Kurt Blaukopf scheint von der Musikwiedergabe in Stereo nicht besonders begeistert zu sein, denn er spöttelt:
„Der Stereofreund braucht einen Raum, der für die Aufstellung der beiden Lautsprechersysteme geeignet ist, und er muss seinen Abhörplatz auf der Mittelachse zwischen ihnen einrichten. Wenn er sich in den bequemen Sessel zum warmen Ofen setzt, der im Winkel steht, geht die Raumbalance wieder verloren. Gattin, Kinder, Gäste müssen auf dieser ‚Mittelachse‘ brav hintereinander gesetzt werden. Das ist vielleicht ein bisschen ungemütlich, aber der Freund des Allerneuesten wird’s gern in Kauf nehmen.“
Eine Ausgabe später befasst sich das fonoforum schon ernsthafter mit dem Thema und tritt Befürchtungen entgegen, die bisherige monophone Musikwiedergabe sei damit veraltet:
„Wir beobachten, dass manche Phono-Freunde meinen, es bestünde ein absoluter ‚Bruch‘ zwischen der Darbietung bisherigen Stils und der nunmehr propagierten Wiedergabe von Stereo-Schallplatten mit Stereo-Geräten.“
Nur scheinbar Stereo: Radiogerät mit Phillips „Mignon“ und Zusatzlautsprechern. Den „Plattenschlucker“ für Singles gab’s nur als Mono-Gerät

Eines der Rundfunkgeräte, so Pfau in seinen Ratschlägen, ließe sich dadurch ersetzen, dass man einen stereofähigen Phonokoffer mit Anschlussbuchse für den zweiten Kanal verwendet. „Hier wird der eine Kanal über den Phonokoffer, der andere über den Rundfunkempfänger wiedergegeben.“

Stereo mit Radiogerät und zweitem Lautsprecher im Phonokoffer

Hier befindet sich der Lautsprecher des Phonokoffers im Deckel, der separat aufgestellt wird. Dadurch lässt sich die für Stereoklang nötige Basisbreite flexibler gestalten
Ein Handgriff für zwei Geräte: Beim Phonokoffer Musikus und zusätzlichem Radio bestimmt ein „Tandemregler“ die gemeinsame Lautstärke. Telefunken verspricht damit „echtes Stereohören“


Der wunde Punkt bei der Stereophonie sind die separaten Lautsprecher. Möbelstücke, die an „Strippen“’ hängen, lehnen Hausfrauen ab. Für dieses Problem hat Saba mit einer integrierten Kombination die Lösung
Beim Umbau von Musiktruhen, so Ernst Pfau, werde für den zweiten Kanal ein separater Mono-Verstärker eingesetzt, an dem der Zusatzlautsprecher angeschlossen wird.
Mono-Verstärker von Graetz zum Betrieb eines zweiten Lautsprechers bei Stereo-Wiedergabe

„Solche Zusatzverstärker brauchen also nur einkanalig ausgeführt zu sein. Sie sind deshalb billig, in zahlreichen Modellen vorhanden und meist vom Fabrikanten der jeweiligen Truhe lieferbar.“

Auch in der DDR war Umbau auf Stereo ein Thema: Zusatzverstärker des sächsischen Herstellers Heliradio mit Stereoboxen im Ulbricht-Design
Der Zusatzverstärker HS-1 von Heli ist ein Beispiel, wie im Arbeiter- und Bauernstaat „trotz sparsamstem Materialeinsatz Geräte mit zukunftsweisenden Eigenschaften“ entstehen – Bild: Gerd Fraass

Vollstereo und Disc-O-Rama

Viele Musikfreunde wollen auch bei Stereo auf ihre geliebte Musiktruhe nicht verzichten
Natürlich erkennen die Hersteller der Musikschränke beim Aufkommen der neuen Technik die Problematik ihrer Produktgattung. Die Basisbreite selbst langgestreckter Modelle ist für wirksame Stereo-Wiedergabe völlig unzureichend.
Bei dieser Musiktruhe soll eine zusätzliche Raumklang-Box das Stereo-Erlebnis sicherstellen; typisch für die Zeit sind die abgespreizten Füße mit Messingbeschlägen

Neue zweikanalige Vollstereo-Truhen mit seitlich abgesetzten Lautsprechern in Disc-O-Rama-Anordnung sollen die Hörbasis spürbar verbreitern und ein Klangbild von „überwältigender Schönheit“ liefern.

Truhe mit separten Höhenstrahlern für stereophonische Raumortung
Andere Truhenproduzenten behelfen sich bei ihren Modellen mit herausklappbaren Lautsprechern an den Schmalseiten, deren Abstrahlwinkel sich beliebig verändern lässt.
Stereonetta und Stereo-Colonna
Mit der Stereophonie kommen zahlreiche neue Wand- und Ständerlautsprecher sowie Tonsäulen auf den Markt.
Rund und elegant: Zusatz-Lautsprecher Stereonetta von Isophon


Tonsäulen Stereo-Colonna, ebenfalls vom Berliner Hersteller Isophon
Die Boxen werden mit dem Stereo-Dirigent (Grundig), der Stereo-Waage (Philips) oder dem Stereo-Garant (Graetz) auf gleiche Lautstärke gebracht.
Graetz legt seinen Zusatzlautsprecher quer und stellt ihn auf vier höhere Füße. „Damit wird er zugleich zum eleganten Lautsprechertisch, dessen Deckplatte mit kratzfestem und abwaschbarem Kunststoff überzogen ist.“
Schaub-Lorenz hat als Aussetzlautsprecher zwei Stereovox-Strahler entwickelt. Während der Stereovox T ein Tischmodell ist, wird der Stereovox S als „prismatisches Gebilde von drei leicht geschwungenen Messingfüßen getragen“.
Aussetz-Lautsprecher Stereovox S mit geschwungenen Messingfüßen

Das Ton-Magazin gibt in der Rubrik „Tipps mit Grips“ eine Anleitung zum Austausch verstaubter Bespannungen.
Um schnelles Wiederverschmutzen zu vermeiden, wird Hausfrauen empfohlen, beim „Saubermachen mit Musik“ die Lautsprecher mit einem Tuch abzudecken. „Viele Hersteller haben ihren Boxen für diesen Zweck bereits eine Stoffhülle beigegeben.“
Gefällige Wohnbeispiele
Das Ton-Magazin wird nicht müde, in immer wieder neuen „gefälligen“ Wohnbeispielen aufzuzeigen, wie man Stilmöbel mit moderner Technik kombiniert, ohne deshalb zu Versteckspielen wie Lautsprecher in einer alten Standuhr oder Plattenspieler in einer umgebauten Barock-Kommode zu greifen.
Dass ein Sofa den linken Lautsprecher stark verdeckt, habe einen Hausherrn nicht gestört. „Dafür wird dieser Kanal stärker aufgedreht, meint er lächelnd.“ Die Bespannung habe er so bemalt, dass sie wie Holzmaserung wirkt und die Boxen dadurch wie ein geschlossenes Möbelstück aussehen.

Weiter informiert das Ton-Magazin über einen „Lampen-Lautsprecher“ nach dem elektrostatischen Arbeitsprinzip. „Die Stehlampe, in deren Fuß sich zusätzlich noch ein elektro-dynamischer Basslautsprecher befindet, ist aber keine Attrappe, sondern ein richtiger Beleuchtungskörper, der unabhängig von seiner Funktion als Lautsprecher ein- und ausgeschaltet werden kann.“
In einem Beitrag „Stereo im sozialen Wohnungsbau“ schreibt die Zeitschrift über eine Heimanlage mit Boxen von Asco Mönchweiler:
„Es steht wohl außer Zweifel, dass die drei Möbelstücke mit ihrer klaren, zeitlosen Linie auch den Gefallen der Frau Gemahlin finden, zumal ihr Geschmack zwischen den Holzarten Nussbaum Natur, Rüster und Teakholz wählen kann.“
Es folgen Ratschläge, wie beim Aufstellen der Lautsprecher „die gefürchteten Bumsbässe“ vermieden werden können.

Eine besonders originelle Kreation ist diese Stereobox mit eingebauter Zeitschaltuhr
„Kurfürst“, „Reichsgraf“, „Fähnrich“
Lieferant der hier vorgestellten Kreationen ist in Frankfurt das Rundfunk-Fernseh-Kaufhaus Radio Wächtershäuser in der Friedensstraße 7 gegenüber dem Hotel Frankfurter Hof.
Radio Wächtershäuser an einem Herbstabend 1961. Lediglich in der dritten Etage befindet sich eine kleine Abteilung mit HiFi-Geräten

Gängige Radios bei Wächtershäuser sind Telefunken Gavotte, Saba Wildbad oder Loewe-Opta Kantate mit „3D-Zaubertaste“. Röhrenfernseher von Graetz mit abgerundeten Bildschirmecken tragen ihrem technischen Rang nach Beinamen wie „Kurfürst“, „Reichsgraf“ oder „Fähnrich“.
Musiktruhen im ausklingenden Rokoko, Louis-seize oder Barock haben handgeschnitztes Dekor und Lautsprecher-Abdeckungen aus geflammten Rohrgeflecht.
Spezialfirmen wie die Ilse-Werke in Uslar – „erlesene Hölzer in meisterlicher Verarbeitung“ – bauen nur die Schränke und kaufen für die technische Ausstattung einfache Industriechassis hinzu.

Vater und Sohn wählen Grundig – die Meinung der Ehefrau ist nicht gefragt
Grundig-Truhe im Chippendale-Stil – benannt nach den Designvorstellungen von Thomas Chippendale, einem englischen Tischlermeister

Alle Geräte gibt bei Wächtershäuser auf Wunsch auch ohne Anzahlung und „Raten mit Hilfe eines Münzsparautomaten“.
„Zur Möbelindustrie verkommen“
„Die Suche nach den besten, wirklich hochqualitativen Musikwiedergabeanlagen, die Vergleiche mit internationalen Spitzengeräten aushalten, ergab ein betrübliches Bild“ schreibt die Zeitschrift Das Musikinstrument in einem Messerückblick. Nicht dass es keine prächtigen Luxus-Musiktruhen mit Dezent-Taste zur Dynamikbegrenzung gegeben hätte. Aber diese entsprachen wohl mehr Repräsentationsbedürfnissen als anspruchsvoller Musikreproduktion.“
Auch Ernst Pfau hat sich inzwischen geläutert. Seine Erkennnis:
„Mit einer Musiktruhe erwirbt man in erster Linie Holz, auf das 30 bis 50 Prozent des Kaufpreises entfallen. Die Wiedergabequalität hängt aber nicht von der Maserung, Politur, Zierleiste, Auspolsterung, Beleuchtungsspielereien oder dem Einbau einer Cocktail-Bar ab. Die elektroakustische Industrie ist heute zu einem Zweig der Möbelindustrie verkommen.“
Viel Kopfzerbrechen, ergänzt noch Pfau, mache auch der von vielen Musikhörern immer wieder bevorzugte Plattenwechsler. „So praktisch er auch für das Abspielen von 45er Platten bei einem Unterhaltungsabend sein mag, schon bei der Langspielplatte wird er überflüssig. Für die Stereophonie ist der Wechsler technisch gesehen ein Unfug.“

Ernst Pfau ist bis 1961 Chefredakteur der Zeitschrift fono forum. 1962 wechselt er zur neu gegründeten HiFi-Stereophonie. 1964 muss er die Chefredaktion an seinen Stellvertreter Karl Breh abtreten. Bis April 1968 ist Pfau noch Herausgeber, 1974 dann Mitbegründer der Zeitschrift Stereo. Noch Anfang der 1980er Jahre arbeitet der 1904 Geborene auf seinem Fachgebiet als freier Autor