Innovative Abtastkombination

Thorens TD 124/II mit dem futuristischen Miniconic Abtastsystem. Beide Komponenten, Laufwerk und Tonarm, befinden sich in sehr gutem optischen und technischen Zustand

In den letzten Monaten beschäftigte mich ein besonderer Neuzugang in meinem kleinen „Gerätepark“: ein ungewöhnlicher Thorens TD 124/II aus Großbritannien mit einer ganz seltenen Tonabnehmer- und Tonarmkombination, dem Miniconic-System der Firma Euphonics in Chicago.

In Chicago befand sich allerdings nur der Vertrieb von Euphonics. Hergestellt wurde die exotische Abtastkombination (aus Kostengründen?) auf einer Karibikinsel, und zwar in Guaynabo im US-Außengebiet Puerto Rico.

In Band 1 von SCHWEIZER PRÄZISION habe ich dem Euphonics, das 1965 nach einem völlig neuen Verfahren arbeitete, das MC- sowie MM-Systeme überflüssig machen sollte und nach dem Urteil der Fachpresse in der Liga von Ortofon SPU, Decca ffss und Shure V-15 spielte, volle drei Seiten gewidmet. Diese Kombination aus Abtaster und Tonarm ist heute extrem selten. In alten HiFi-Zeitschriften sind nur ganz wenige Anzeigen über das innovative Produkt erschienen.

Umso mehr rieb ich mir die Augen, als im Online-Auktionshaus der britische TD 124/II mit leibhaftigem Euphonics-Tonarm auftauchte. Nie hätte ich gedacht, ein Exemplar dieser Rarität einmal erwerben zu können!

Allerdings wollte der gewerbliche Verkäufer den Euphonics-Tonarm nur zusammen mit dem top-erhaltenen Thorens TD 124/II abgeben. Trotz des selbstbewussten Preises ohne jeden Verhandlungsspielraum musste ich da sofort zuschlagen – wohl wissend, dass sich die Gelegenheit für einen TD 124 in dieser Armkombination und in dem Zustand wahrscheinlich kein zweites Mal mehr bietet.

In Großbritannien wurde das Miniconic von Elstone Electronics im mittelenglischen Leeds vertrieben.

Anzeige des britischen Importeurs. Nicht viele Exemplare des Miniconic-Systems dürften in England verkauft worden sein

In Deutschland bewarb Boyd & Haas die Armkombination von Euphonics als „Sensation“ mit einer „bisher unerreichten Kombination von Vorteilen“.

Anzeige in der HiFi-Stereophonie, August 1966

Der Kölner Importeur führte gegen Ende der 1960er Jahre noch weitere HiFi-Exoten wie den extravaganten britischen Hydraulic-Plattenspieler von Transcriptor im Programm.

Normalerweise sind solch exotische Teile heute abgerockt. Bei näherem Betrachten legt sich schnell die Begeisterung, wenn das Objekt des Interesses schlecht erhalten ist oder es dafür keine Ersatzteile – in dem Fall neue Nadeleinschübe für den Tonabnehmer – mehr gibt. Doch hier zählten zum Angebot gleich zwei Abtastköpfe in Originalverpackung – voll funktionsfähig.

Schatulle mit den beiden Tonköpfen – einer davon sogar noch mit dem originalen Nadelschutz

Was das Angebot komplett und damit endgültig unwiderstehlich machte: Zum Lieferumfang zählte das notwendige Versorgungsteil.

Innovative Abtastlösungen

Das Miniconic-System ist nicht die erste solcher Konstruktionen. Schon 1961 erkennt die Zeitschrift Funk-Technik: „Will man von einem Abtastsystem ein Optimum an Qualität erreichen, muss man Tonabnehmer und Tonarm als Ganzes betrachten. Nur die sorgfältige Abstimmung beider Teile aufeinander ergibt beste Wiedergabequalität bei gleichzeitig höchster Plattenschonung.“

Shure-Dynetic-Tonarm M 222 auf TD 124/II. Die US-Firma bezeichnete das 1958 entwickelte Modell, bei dem Tonabnehmer und Arm eine Einheit bilden, als „Integrated“

Auch in Großbritannien realisierten Hersteller das Prinzip eines Tonarms, an dem nur ein einziges, passgenaues System verwendet werden kann.

Professional-Tonarm von Decca mit dem hauseigenen Tonabnehmer Decca ffss Mark III. Diese phantastisch klingende Kombination ist heute gesucht

Mit dem EPU 100 des Schallplattenkonzerns E.M.I. erschien in England ein weiteres integriertes System der Spitzenklasse. Auch hier wurden Arm und Abtaster als Einheit konzipiert.

Die Abtastkombination EPU 100 von E.M.I. ist heute extrem selten. Falls der bildschöne einpunktgelagerte Tonarm überhaupt mal auftaucht, ist er praktisch immer in schlechtem Zustand

Das gleiche Konzept verfolgt das Tandem von Euphonics – mit einem entscheidenden Unterschied: Während Shure, Decca und E.M.I. für den Tonabnehmer die bekannten Arbeitsprinzipien Moving Magnet beziehungsweise Moving Iron nutzen, macht das Miniconic mit einem völlig neuen Wandlerkonzept Schlagzeilen.

1966 befasst sich das fono forum unter der Überschrift „Ein Tonabnehmer neuen Stils“ mit der US-Innovation auf vollen zweieinhalb Seiten: „Nachdem die moderne Halbleitertechnik in den vergangenen Jahren die bisher gebräuchliche Elektronenröhre aus vielen Anwendungsgebieten verdrängt hat, verschafft sie sich nun auf einem anderen Feld Einlass. Dieses Feld wurde bisher ausschließlich von elektrodynamischen, magnetischen und piezoelektrischen Wandlern beherrscht.“

Den Konstrukteuren der Firma Euphonics in den USA sei es gelungen, mit der Entwicklung des neuen Halbleitersystems Miniconic die Vorteile aller drei Prinzipien zu vereinen, deren Nachteile jedoch zu vermeiden.

Verwandt mit Kristallsystemen

Der Aufbau des Miniconic-Systems entspricht bis auf geringe Abweichungen dem Prinzip piezoelektrischer Tonabnehmer. Als Generator dient hier ein Silizium-Halbleiter-Steuerelement. Der extrem kleine und leichte Wandler ist direkt am Ende der Abtastnadel angebracht. Zur Verstärkung der abgegebenen Spannung sind in das System zwei Silizium-Halbleiter eingebaut. Die Bewegungen des Nadelträgers ziehen die Siliziumplättchen auseinander und drücken sie zusammen, so dass sich ihr elektrischer Widerstand ändert und die Plättchen den Strom einer externen Gleichstromquelle modulieren. Die Plättchen mit den Abmessungen 1,6 x 1,6 x 0,13 Millimeter sind kleiner als der Diamant des Nadelträgers.

Technische Daten Euphonics Miniconic

Prinzip                                    Siliziumhalbleiter-Wandlerelement

Frequenzbereich                    0 – 50000 Hz ± 2 dB

Kanaltrennung                       < – 25 dB

Systemgewicht                       2 Gramm

Nadelnachgiebigkeit              25 x 10-6 cm/dyn

Bewegte Masse                      0,6 Milligramm

Auflagekraft                          0,75 – 3 Gramm

Vertikaler Spurwinkel            15 Grad

Diamantnadel                        elliptisch 23 x 5 µ, sphärisch 13 µ

Ausgangsspannung               max. 80 mV bei 20 V Betriebsspannung (Speisestrom 10 mA)

Vor- und Nachteile

Ein Vorteil der Konstruktion ist, dass die Abtastnadel aufgrund der großen Empfindlichkeit der Halbleiter nur wenig Energie liefern muss. Deshalb lässt sich das System für hohe Nadelnachgiebigkeit und sehr geringe Auflagekraft auslegen. Auch ist eine Phono-Entzerrung beim Miniconic nicht notwendig.

Nachteil des Miniconic ist, dass zum Betrieb eine Gleichspannung anliegen muss. Gleichzeitig mit dem Tonabnehmer hat Euphonics deshalb das externe Versorgungsteil PS 15-E entwickelt. Es erzeugt diese Spannung, verstärkt beide Signale und korrigiert die Phasenlage eines Kanals.

Versorgungsteil PS-15 E – hier noch mit dem originalen Netzstecker nach britischer Norm

Das Versorgungsteil hatte der Hersteller zur Wandmontage, etwa in einem Plattenspielerschrank vorgesehen, wo es permanent mit dem Stromnetz verbunden war. Ein- und Ausgänge befinden sich an dem Kästchen rechterhand, wobei zur Stromversorgung des Tonabnehmers kein gesondertes Kabel benötigt wird. Der Gleichstrom wird über das Tonarmkabel dem Tonkopf zugeliefert.

Mit einem Schalter am PS 15-E schaltet man zwischen linearem Frequenzgang und Phono-Entzerrung hin und her. In der einen Stellung wird das Versorgungsteil mit einem Hochpegeleingang des Verstärkers verbunden, in der anderen mit dem magnetischen Phono-Eingang.

Bevor die Miniconic-Abtastkombination in Großbritannien zu den Kunden ging, wurde das für 117 Volt ausgelegte US-Versorgungsteil bereits beim Importeur Elstone Electronics auf die Stromspannung in Europa umgestellt.

Tonarm in Leichtbauweise

Der auffallend zierliche Tonarm mit der Bezeichnung TA-15 hat ein schlankes Rohr und einen schmalen, länglichen Kopf.

Seitenansicht des Miniconic. Optisch harmoniert der filigrane Tonarm nicht besonders mit dem schweren Laufwerk. Doch der frühere Besitzer wollte das Neueste vom Neuesten auf seinem TD 124/II haben

Das gerade Armrohr misst gerade mal 6,3 mm im Durchmesser – so viel wie der Klinkenstecker eines Kopfhörers. Die notwendige Kröpfung erfolgt am Kopfanschluss.

Einen Lift hat der TA-15 nicht, ebenso kein Antiskating. Die Montage eines Ortofon Hi-Jack oder Dextrafix Microlift verbat sich in dem Fall, da diese externen Aufsetzhilfen mit dem zierlichen Arm nicht harmonieren und die elegante Optik stören würden.

Mit dem Armrohr fest verbunden ist das schwarze hintere Ende des Tonkopfs mit Fingergriff. In dieses Ende wird die elfenbeinfarbige Systemeinheit mit vier Kontaktstiften von vorn einfach eingesteckt.

Tonkopf des Euphonics TA-15 „im Philips-Design“ – so die Meinung einer meiner Buchkunden

In den Drehpunkten des TA-15 arbeiten viskositätsgedämpfte Miniaturkugellager. Die Lagerreibung beträgt horizontal lediglich 0,08 Gramm, in vertikaler Richtung sogar nur 0,06 Gramm. Die Auflagekraft zwischen 0,5 und 3 Pond erzeugt eine Feder, die mit dem nicht kalibrierten Stellknopf rechts vom Sockel gespannt wird. Die Auflagekraft ist herstellerseitig auf etwas über ein Gramm eingestellt.

Tonarmlager mit Gegengewicht und Stellknopf für die Auflagekraft. Der am Ende geriffelte Knopf trägt keine Grammskala

Revision in Bad Homburg

Aus dem nackten Chassis des PS 15-E hat Peter Feldmann ein Tischmodell mit Ein- und Ausschalter und LED-Kontrollleuchte im Holzsockel gezaubert

Peter Feldmann hat das System komplett revidiert und spielseitig in Hochform gebracht: „Zuerst habe ich das Chassis mit einem neuen Netzkabel und dem bei uns gebräuchlichen Stecker versehen. Dann wurde ein neuer Netztransformator eingebaut. Der alte war zwar gut gemacht, aber defekt. Die Kabelzugentlastung habe ich auf den erlaubten Stand gebracht. Dann habe ich das Minoconic testweise in Betrieb genommen: Beide Systeme, die Tonarmelektrik und die Versorgungseinheit funktionieren tadellos! Das Hintergrundrauschen konnte ich am PS 15-E durch Elko-Tausch verringern.“

Laut Feldmann sind beide Miniconic-Systeme gespielt; die elliptischen Diamanten aber in guter Verfassung mit großer Restlebensdauer. Zudem stellte der Techniker fest, dass der in Analogkreisen bekannte Fachmann Martin Göttmann in der Lage sein würde, die Nadelträger bei Bedarf mit einem neuen Abtastdiamanten zu bestücken.

Bei praktischen Versuchen ermittelte Feldmann für sicheres Abtasten 1,8 Gramm als optimale Kraft – ein Wert, der sich auch heute noch sehen lassen kann und große Plattenschonung garantiert. Sein Urteil über das Euphonics Miniconic: „Innovativ und hochmodern, dem damaligen Stand der HiFi-Technik um mindestens zehn Jahre voraus.“

Erfahrungen in der Praxis

Eigentlich widerspricht die Kombination des Euphonics mit dem TD 124 der „reinen Lehre“, dieses Reibrad-Laufwerk tunlichst nicht mit einem leichten Arm mit Pickup hoher Nadelnachgiebigkeit zu betreiben, wenn man unnötiges Rumpeln vermeiden will. Doch hier die erste Überraschung: Rumpeln ist mit dieser Kombination kein Thema!

Dann das nächste positive Erlebnis: Dank der günstigen Form des Kopfgriffs lässt sich der Arm auch ohne Lift ruhig und sicher an den Rand einer Schallplatte setzen, wenn man dabei die Hand auf dem Chassis des Laufwerks abstützt.

Am praktischen Griff des Euphonics-Tonarms kann sich manch neuzeitlicher Tonarm ein Beispiel nehmen

Der Anschluss des Versorgungsteils auf Phono erwies sich klanglich günstiger als an einem Hochpegeleingang. Die Ausgangsspannung des PA 15-E ist derart hoch, dass der Lautstärkeregler am Verstärker selbst für hifi-gerechte Lautstärke kaum aufgedreht werden muss. Ein Vorteil, der das leichte Brummen des Miniconic-Systems mit großem Abstand unter die Hörschwelle senkt. Allerdings verlangt diese Kombination nach einem Phonoeingang mit hoher Übersteuerungsfestigkeit.

Plastisch und ausgewogen

Die praktische Erprobung der Miniconic-Kombination nahm 1966 das Testlabor des fono forum an einem SME-Tonarm 3012 auf dem Thorens TD 124 vor. Für einen Vergleich standen elektrodynamische und magnetische Tonabnehmer zur Verfügung. Abgehört wurde mit einem Transistorverstärker TX-200 von Fisher und der Lautsprecherkombination Kelly-Peerless-Duode. Zur Kontrolle diente der Koss-Kopfhörer Pro 4.

„Das Euphonics-System“, so das Urteil der Zeitschrift, „zeigte sich allen zur Verfügung stehenden Magnetsystemen überlegen. Lediglich bei einem gehörmäßigen Vergleich mit dem SPU sprachen sich zwei Teilnehmer zugunsten des Ortofon aus. Auch ist die Unempfindlichkeit gegenüber magnetischen Plattentellern wie dem des TD 124 ein unbestreitbarer Vorzug.“

Ähnlich positiv die Meinung in Großbritannien: „Das Klangbild war bemerkenswert klar, mit fein gezeichneten Höhen und weitem Hörspektrum“, schreibt John Borwick in der Zeitschrift Gramophone, der das Euphonics Miniconic auf der Londoner Audio Fair hörte.

Startklar: der restaurierte TD 124/II mit Miniconic-Kombination auf meinem Finite-Elemente-Rack

In der US-Zeitschrift Stereophile rangierte das Miniconic in der Hitliste der weltbesten Tonabnehmer an vierter Stelle nach Decca ffss, Ortofon SPU und Shure V-15.

Ein Urteil, dem ich mich nach einigen genussvollen Schallplattenabenden mit dem TD 124/II in Verbindung mit meiner Verstärkerkombination McIntosh C 26/MC 2505 nur anschließen kann: Ein sehr ausgewogenes, plastisches Klangbild – zum Beispiel bei Henry Mancinis Living-Stereo-LP „Peter Gunn“ (RCA Victor LSP-1956) aus den späten 1950er Jahren. Die berühmte, etwas vom Jazz inspirierte Filmmusik perlt förmlich aus meinen herrlich altmodischen Tannoy-Stirling-Lautsprechern mit Bespannung Marke „Omas Gardinenstoff“.

Wobei ich mir die lyrischen Klangkommentare von Highend-Zeitschriften („feinkörnig und eher stringent“) aber sparen möchte.

Thorens TD 124/II aus England mit Zink-Schwungteller CB 788

Anzumerken ist noch, dass das antimagnetische Schwungrad CB 788 des britischen TD 124/II sich hier nicht als klingelnder Klangverhinderer erwies, obwohl dies dem Zinkteller gegenüber der gusseisernen Normalversion nachgesagt wird und ich dies in meinem Werk SCHWEIZER PRÄZISION auch begründet habe.

Großer Erfolg war dem Miniconic trotz seines innovativen Ansatzes und positiver Eigenschaften nicht beschieden – wohl auch, weil der mir unbekannte Preis für die Tonarmkombination beträchtlich gewesen sein dürfte. Die Idee, für die Schallplattenabtastung ein völlig neues Prinzip anzuwenden, wurde aber weiter verfolgt. 1967 entwickelte Kenwood ein photoelektrisches Abtastsystem. Bekannter wurde in den frühen 1970er Jahren ein Modell ähnlicher Arbeitsweise von Toshiba. Grauhaarige HiFi-Veteranen erinnern sich noch an den markanten kugelrunden Tonkopf.