Die Welt der „Dualesen“

Sankt Georgen im Schwarzwald – ehemaliges Zentrum der deutschen Phonoindustrie. Photomontage aus meinem Werk SCHWEIZER PRÄZISION

Nach Sankt Georgen an der berühmten Schwarzwaldbahn, wo meine Großeltern lebten, wo ich als Kind oft zu Besuch war und wo die Wiege der deutschen Phonoindustrie stand, zieht es mich immer wieder – so auch dieses Jahr.

Nach zweijähriger coronabedingter Pause ging im Juni die weithin bekannte Radio- und Phonobörse in der Bergstadt wieder über die Bühne. Hier bietet sich willkommene Gelegenheit zum Schlendern durch die Tischreihen, zu anregenden Gesprächen unter Analogfans – und für mich zur Ausstellung meiner Bücher. Beim Blättern in den Ansichtsexemplaren hatten interessierte Besucher die Gelegenheit, auch mal eine andere Seite kennen zu lernen …

„Ultra Hi-Fi“ war in Sankt Georgen nicht anzutreffen. Es ging um HiFi, Semi-Fi, Low-Fi – oder auch Nicht-HiFi

Wohl jeder junge Mensch – mich eingeschlossen – träumte am Beginn der 1970er Jahre von einem eigenen Plattenspieler oder einer gar einer kompletten Heimanlage von Dual. Und das nicht ohne Grund: Dank einer in der Großserienfertigung unerreichten Präzision und eines hervorragenden Preis-/Leistungsverhältnisses entwickelte sich Dual ab 1963 bis in die späten 1970er Jahre zu einem der erfolgreichsten Hersteller des Weltmarkts.

Meine Dual-Karriere währte aber nicht lang. Bald hatte ich eine höhere HiFi-Etage entdeckt. Stichworte: Lenco, Thorens, Acoustical, Garrard. Schon nach einem halben Jahr trennte ich mich wieder von meinem Plattenspieler Dual 1015 samt Verstärker CV 40 und den beiden Boxen CL 40.

Dualesen und ihre Geräte an der Schwelle der 1970er Jahre: Verstärker noch mit Germanium-Transistoren, Tuner mit Kurz-, Mittel- und Langwelle (die kein Mensch braucht) sowie Stationstasten mit Diodenabstimmung. Der Plattenspieler rechts in weißer Schleiflack-Zarge samt Rauchglashaube könnte ein 1209 sein

Für viele Schallplattenfreunde hingegen – die „Dualesen“ – blieb Dual der Nabel der Welt – bis zum heutigen Tag. Eine große Anhängerschaft, auch der Schwestermarke PE, kümmert sich liebevoll um die riesige Zahl der in drei Jahrzehnten produzierten Geräte, tauscht sich im viel besuchten Dual-Forum mit Erfahrungen und Reparaturtipps aus, kann fundierte Informationen aus dem Fachbuch über die St. Georgener Phonoindustrie meines Autorenkollegen Norbert Kotschenreuther beziehen.

Nur Du, Du, DUAL lein – Liebeserklärung in Sankt Georgen

Etwa 40 Aussteller aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und Dänemark beteiligten sich an der Radio- und Phonobörse mit einem Messestand, darunter viele bekannte Gesichter.

Blick in den Zuschauerraum der Stadthalle mit den Ständen der Aussteller

Unzählige Geräte der Radio- und Phonotechnik, Fachliteratur und Ersatzteile aller Art zogen die Besucher an. Manches hatte Seltenheitswert. Und natürlich immer wieder Nussbaum, Nussbaum, Nussbaum …

Zum bunten Messeangebot zählte auch dieses Röhrenprüfgerät. Röhrentaschenbücher und Elektronenröhren gab’s natürlich auch zuhauf …

Lecker, lecker: Blaubeeren aus der Lüneburger Heide

Tonarm von Hand betätigen? – Für höhere Ansprüche empfiehlt Dual die Automatik

Arme aus Vorkriegszeit und den frühen fünfziger Jahren; in der Mitte zwei braune „Bärentatzen“ von Perpetuum-Ebner

Und immer wieder Dual, Dual, Dual

Für die zahlreichen Radio- und Plattenspieler-Bastler gab’s ein reichhaltiges Angebot – zum Beispiel dieses:

Lenco L 85 mit Dellen in den Chromringen und abgerissenem Armrohr – manche Aussteller wollten für Müll noch Geld …

Bei all der Konsumware ließen sich aber auch einige Ausstellungsstücke aus der höheren HiFi-Liga entdecken – so ein Thorens TD 125 mit SME-Tonarm 3009/II sowie ein Braun-Plattenspieler PS 500 im „Grand Design“ von Dieter Rams – sogar noch in klassischem Silber. Außerdem zwei hochwertige Revox-Verstärker A 50 und A 78 – umgeben von allerei Krimskrams.

Kommen wir nun zu den Raritäten der Börse – die auch mein gesteigertes Interesse fanden:

Kofferbandmaschine Revox D 36, Baujahr 1960. Erstes Stereo-Modell für Zwei- und Vierspuraufzeichnung – konstruiert von Willi Studer und Mitarbeiter Guido Besimo

Die genaue Typisierung der alten Revox gelang mir mit Hilfe meines Buches „Die sprechenden Maschinen“ von Peter Holenstein – eine Auftragsarbeit von Willi Studer, mit der er sein Lebenswerk professionell (und unter seiner Kontrolle …) gewürdigt wissen wollte. Leider ist diese bibliophile Kostbarkeit seit langer Zeit vergriffen und wird unter Liebhabern inzwischen nicht unter 300 Euro gehandelt.

Uraltes Bandgerät von Tandberg in goldenem Hammerschlag-Lack und elfenbeinfarbigem Bakelit-Gehäuse des Kopfträgers – Modell unbekannt

Schon im Vorfeld der Börse war mir von den Veranstaltern dieser Thorens TD 124 angekündigt worden:

Laufwerk vom Baujahr 1964: Der Tonarm ist ein klassischer SME 3009/II unimproved in der Variante von US-Importeur Shure – sogar mit dem korrekten Kopf

Äußerlich war der 124er in gutem Zustand. Auch zeigte sich das Laufwerk nach Abnahme von Hilfsteller und Gusseisen-Schwungrad unverbastelt. Der SME ohne jeden Kratzer, sogar der Lift funktionierte noch wie er soll. Dazu die zeitlich korrekte Ausführung mit geteiltem Gegengewicht und dem passenden „Shure SME“-Kopf – also alles im grünen Bereich.

Allein der attraktive SME mit Metall-Messerlager wird in diesem Zustand und in dieser Version heute um 800 Euro gehandelt. Für das Gesamtpaket wollte der Anbieter faire 1440 Euro haben. Trotzdem wandten sich die vielen Interessenten beim Blick auf das Preisschild schnell ab – die Offerte war für die Phonobörse zwei Nummern „zu hoch“. Dabei hätte man auf dieser Preisbasis aus dem 124er zu überschauberen Kosten ein audiophiles Schmuckstück machen können.

Nun gut, der Lencoclean-Saugnapf hinten links würde beim Entfernen auf dem cremefarbenen Lack wahrscheinlich einen unschönen Abdruck hinterlassen. Man könnte ihn aber auch als Remineszenz an die „Nassfahr-Ära“ – lang ist’s her – auf dem Chassis belassen – oder das Geld für eine professionelle Neulackierung bei einem der Spezialisten in der Schweiz in die Hand nehmen. Wobei sich dann auch eine fachgerechte Revision anbietet, da das Laufwerk vor der Lackierung ohnehin in seine Einzelteile zerlegt werden muss.

Allein die Bolex-Rumpelzarge mit billig gemachter Bodenplatte, in der das Laufwerk hier noch sitzt, ist ein „No-Go“. Da bedarf es einer guten ST-104 oder einer der schönen Nachbauten.

Exot aus Plochingen

Sehr spezielles Angebot war ein 1965 gebauter, 2 x 30 Watt Dauerton leistender Vollverstärker einer der damals ganz wenigen deutschen Kleinmanufakturen. Das volltransitorisierte Modell LSV 60 der Firma Apparatebau Erwin Kroha in Plochingen/Neckar wurde als Gerät der internationalen Spitzenklasse beworben: „Modernste Si-Transistor-Technik, kurzschlusssichere Ausgänge durch elektronisch abgesicherte Endstufe, 1 Jahr Garantie.“

Den Transistorverstärker Kroha LSV 60 gab es sowohl als Fertiggerät als auch als Bausatz. Bemerkenswert der gute äußere Zustand dieses Exemplars

Auch ich war auf der Radio- und Phonobörse mit einem außergewöhnlichen Ausstellungsstück vertreten: Als „Hingucker“ auf dem Büchertisch platzierte ich meinen Garrard-Wechsler Type A, der in England von 1958 bis 1965 in rund 100000 Exemplaren entstand. Der Großteil dieser Wechsler mit HiFi-Anspruch ging in die USA, wo der Type A von den automatikverwöhnten Amerikanern in großer Zahl gekauft wurde.

Joel mit seinem Papa ließ sich die Funktion der „Pusher Platform“ am Type A erklären. Der Elfjährige berichtete mir stolz von reichen Phono-Erfahrungen, die er seit seinem sechsten Lebensjahr schon gesammelt hat

Konstruiert wurde der in Deutschland kaum bekannte Plattenwechsler von keinem Geringeren als Edmund Mortimer, Schöpfer des legendären Garrard 301. Auch mein Exemplar stammt aus den USA, wurde von Peter Feldmann sorgfältig restauriert und auf die europäische Stromspannung umgestellt. Den für 50-Hertz-Betrieb notwendigen Pulley anderen Durchmessers hat ein Anbieter solcher Spezialteile aus Hawaii auf seiner Drehbank angefertigt.

Wie ich beim Gang durch die Tischreihen feststellte, war mein Spieler der einzige Garrard in der Stadthalle. Dabei hatte Garrard in Großbritannien und auf dem Weltmarkt eine mit Dual vergleichbare Marktstellung. Ein Interessent versuchte sich mit französischer Aussprache des ihm unbekannten englischen Markennamens. Das klang etwa wie „Scharaa“ .

Eine (unbemerkte) Sensation

... auf der Radio- und Phonobörse war diese Röhrenvorstufe HF 25 A des englischen Schallplattenlabels PYE mit dem Beinamen „Cambridge“. In den Forschungslabors der Universitätsstadt wurde sie entwickelt.

Die Pye HF 25 A blieb von den Börsenbesuchern weithin unbeachtet. Viele wissen gar nicht, dass es Vor- und Endstufe eines Verstärkers als getrennte Einheiten gibt – sowas hat Dual nie angeboten

Dass ein Schallplattenhersteller unter seinem eingeführten Namen auch HiFi-Geräte offeriert, war eine Besonderheit des britischen und amerikanischen Marktes. Auch die Plattenlabel Decca, RCA und Columbia hatten solche Geräte aus Fremdproduktion im Programm.

Das Foto eines Sammlers zeigt das spartanische Innenleben des Vorverstärkers mit nur zwei Röhren – die Point One von Marktführer Leak hat deren vier

Ganz typisch für die Zeit der Phono-Eingang mit fünf verschiedenen Entzerrungskurven. Dazu das bei britischen Vorstufen übliche dreistufige, sehr steile Höhenfilter. Die Frontplatte der Vorstufe besteht aus hochglanzpoliertem Kupfer.

Leider wurde in Sankt Georgen nur der Vorverstärker angeboten – es fehlte die dazu gehörende Endstufe.

Anzeige aus einer englischen HiFi-Zeitschrift vom Jahr 1956 – hier mit der passenden Endstufe HF 25

Endverstärker und Vorstufe des Schallplattenlables PYE hatten in der Werbung die Beinamen „Provost“ (der an der Spitze Stehende) und „Proctor“ (der Aufsichtsführende)

Der Kraftverstärker, natürlich in Mono-Ausführung, bietet 35 Watt sinus respektive 50 Watt Musik. Als Frequenzbereich nennt der Hersteller abenteuerliche 2 – 160.000 Hertz bei „unendlichem“ Dämpfungsfaktor. Der Klirrgard soll bei 25 Watt nur 0,5 Prozent betragen.

Nachfolgend eine Farbaufnahme des auf der Börse fehlenden Spielpartners – die wie diejenige des Innenlebens der Vorstufe aus meinem Archiv stammt.

Der Besitzer dieser wunderschönen Endstufe ist zu beneiden. Ein solch gepflegtes Exemplar taucht praktisch nie auf dem Sammlermarkt auf – wer es hat, behält es

Pye bezeichnet die von 1954 bis 1958 gebaute Verstärkerkombination als „Höhepunkt jahrelanger Forschung auf dem Gebiet naturgetreuer Musikwiedergabe“. Und betont, dass die Kombi – die übrigens auch in den USA angeboten wurde – „voll tropentauglich“ sei. Bei der damaligen Kolonialmacht England ein wichtiger Aspekt …

Bis zum Schluss der Börse zählten die Organisatoren etwa 220 zahlende Besucher. Ob das nun viel oder wenig ist vermag ich nicht zu beurteilen. Nach meiner Beobachtung war der Besuch schwächer als zu Vor-Corona-Zeiten. Vor allem um die Mittagszeit flaute das Interesse merklich ab, und mancher Standbetreiber drehte „Däumchen“. Auch wenn die Lokalpresse überschwänglich von „großem Zulauf“ und „zufriedenen Ausstellern“ berichtete.

Foto-Nachlese 2023

Auch im Jahr 2023 habe ich an der Radio- und Phonobörse mit meinen Büchern teilgenommen. Der Besuch war etwas stärker als im Vorjahr, das Angebot für Liebhaber von HiFi-Klassikern dafür noch magerer. Lediglich einen zum Verkauf stehenden Thorens TD 126 mit Werkstonarm habe ich in der Stadthalle gesichtet.

Einziges Profigerät in Sankt Georgen war dieser Rundfunk-Kontrollempfänger der Firma Nogoton in Delmenhorst, der angeblich beim RIAS Berlin seinen Dienst versah. Verkauf ohne jede Funktionsgarantie

Mit dem Dual 1015, hier als sehr gut erhaltenes Chassis, begegnete ich einem alten Bekannten – war doch der 1015 mein erster eigener Plattenspieler

„1a Zustand“ – nicht übertrieben: Dual 1019 in Luxuszarge. Der treuherzige Hinweis „alle Funktionen geprüft“ allerdings Muster ohne Wert, wenn man nicht weiß, WER die Kontrolle durchgeführt hat

Dieses überaus solide und top-erhaltene ehemalige Spitzenmodell von Dual in makelloser Zarge und Haube wurde für schmale 120 Euro angeboten. Ein Paradebespiel für einen guten Dreher, mit dem ein Neuling preiswert in die Welt des Vinyls einsteigen kann. Dafür bedarf es keinen der modernen Brettspieler, die ein Mehrfaches dieser Summe kosten.

Zuletzt diente der 1019 zum Abspielen von 78er Schellacks – zu erkennen am grünen Nadeleinschub N 77-3 des Tonabnehmers Shure M 77. Dem Verkäufer war diese Besonderheit seines Angebots noch gar nicht aufgefallen

Die 16 Zoll-Schallplatte des AFN auf dem Thorens TD 121 und der Rek-O-Kut Tonarm S-160 mit Auriol Pickup Control an unserem Stand haben kaum interessiert

Kaffee, Hefezopf, Wienerle …

Was an der Radio- und Phonobörse immer wieder begeistert ist die ausgesprochen familiäre Atmosphäre unter Ausstellern und Besuchern. Alles ist von den Veranstaltern perfekt und mit viel Herzblut organisiert.

Dank der großartigen Bewirtung durch die Sankt Georgener Vereine brauchte in der Stadthalle beim Stöbern auch niemand zu verhungern oder zu verdursten: Frühmorgens beim Aufbau der Stände bereits duftender Kaffee, dazu vielleicht ein Stück Hefezopf. Gegen Mittag dann das volle Programm: Lecker belegte Brötchen, warmer Fleischkäse, Wienerle mit scharfem Senf, Kartoffelsalat.

Mit schlappen 15 Euro pro Tisch war der Preis für die Teilnahme als Aussteller übrigens äußerst moderat. Die Analogue Audio Association nimmt auf ihrem jährlichen Analog Forum in einem Drei- oder Viersternehotel – bei zweitägiger Dauer und natürlich viel höheren Overhead-Kosten – stolze 360 Euro dafür. Dabei darf auf dem Forum am Sonntag noch nicht einmal etwas verkauft werden – der Verein hält sich an das Ladenschlussgesetz.

Im Anschluss an die Börse werden die Aussteller traditionell zur Besichtigung des Phonomuseums am Bärenplatz eingeladen. Dort am Empfang ist die passende Literatur zu haben. In erster Linie natürlich das Dual-Buch von Norbert Kotschenreuther.

Schwerpunkte der Exponate im Museum sind die Plattenspieler von Dual und Perpetuum-Ebner. Den umfangreichen Platz der schlichteren Modelle hätte man besser für Spieler anderer großer Marken nutzen können – etwa von Acoustical, Connoisseur, Garrard oder Rek-O-Kut

Mir bot sich die Gelegenheit, einen Blick in die Werkstatt des Museums zu werfen. Lange Zeit hatte die Museumsleitung für die Ausstellung nach einem Thorens TD 124 als Beispiel eines „State-of-the-Art-Plattenspielers“ gesucht – und dabei auch einen Blick auf meine Sammlung geworfen.

Auch ich hatte überlegt, dem Museum einen Thorens TD 124 als Leihgabe zu überlassen. Doch es macht keinen Sinn, dafür eines meiner aufwendig revidierten Exemplare zur Verfügung zu stellen, wenn es in Sankt Georgen nur ausgestellt wird – und langfristig Standschäden zu befürchten sind. Dann hätte ich mir die teure Revision sparen können.

Was meine Motivation für eine Leihgabe auch nicht gerade beförderte: Der damalige Museumsverantwortliche zeigte sich gegenüber freundlichen Hinweisen auf einige Fehler bei den Objektbeschriftungen beratungsresistent. Geändert hat sich danach an den Schildern – nichts.

Schließlich war das Museum mit einem cremefarbenen Laufwerk der ersten Serie samt Ortofon-Tonarm RS 212 doch noch fündig geworden. Inzwischen gelang es dem Team, auch einen der seltenen Thorens TD 224 aufzutreiben. Leider mit abgebrochenem Transportarm, so dass die Wechslerversion des TD 124 nun dort der Aufarbeitung harrt.

Werkstatt des Deutschen Phonomuseums: Hier werden historische Plattenspieler für die Präsentation in der Ausstellung fit gemacht

Übrigens: Nicht nur historische Exponate, sondern auch zwei aktuelle Modelle sind im Phonomuseum in einer Vitrine zu besichtigen. Wolfgang Epting, Inhaber der Firma WE AUDIO SYSTEMS, stellt heute im Industriegebiet am Bahnhof diese Plattenspieler der Traditionsmarke Perpetuum-Ebner her. Mit den früheren PE-Spielern haben seine Produkte allerdings weder optisch noch technisch etwas gemein – reines High End. Da ist die Verwendung des historischen Firmennamens und der Hinweis auf den gleichen Produktionsstandort eher ein marketingmäßiges „Cash In“.

Besuch in der Klosterbergstraße

Anschließend haben meine Frau und ich noch das ehemalige Haus meiner Großeltern in der Klosterbergstraße 27 besucht.

Die hundertjährige „Villa Bung“ wurde 1924 errichtet. Heute gehört das dicht eingewachsene Anwesen der Zahnarztfamilie Dr. Schnitzer, die es innen umsichtig und mit viel Liebe renoviert hat

Vom Garten aus offenbart sich der repräsentative Charakter des 350-Quadratmeter-Hauses. Auf der Terasse meine Frau mit Hausherrin Waldtraut Schnitzer

Hausfoto 1964 mit handschriflicher Erläuterung meiner Oma Cari Bung. Links am Bildrand das Sträßle nach Brigach mit Bahnwärterhaus – das damals noch auf dem Damm des Klosterweihers verlief

Familienfoto 1925: oben Cari und Hugo Bung, untere Reihe mein Uropa Peter Bung mit Frau Luise, geborene Haas – die aus der Sankt Georgener Uhrendynastie Philipp Haas stammt. Die Buben an ihrer Seite sind links mein Vater Helmut, rechts der im Krieg gefallene Bruder Günther

Das Wandern im Schwarzwald und Bergsteigen in den Alpen hat in meiner Familie Tradition. Bei meinen Besuchen in Sankt Georgen unternahm Opa Hugo mit mir gern ausgiebige Fußmärsche – zum „Großbauern“ im Stockwald, über die Fuchsfalle nach Triberg und sogar einmal über Seelenwald und Rappenfelsen bis nach Hornberg.

Hugo Bung mit seinem markanten Bürstenhaarschnitt, bis zum Ruhestand 1959 Geschäftsführer und Teilhaber der Uhrenfabrik Tobias Bäuerle & Söhne in Sankt Georgen. Der Enkel auf seinem Arm bin ich …

Eine besondere Tradition im gastfreundlichen Haus an der Klosterbergstraße war der „Empfang“ von Verwandten und Freunden, die von Offenburg aus mit der Schwarzwaldbahn nach Sankt Georgen anreisten. Dann wurden auf dem Balkon im ersten Stock, vom Zugabteil aus gut sichtbar, zur Begrüßung Bettlaken geschwenkt. Alle Familienmitglieder, ob sie wollten oder nicht, mussten da auf Geheiß von Cari mitmachen.

Als meine Großeltern ihr Haus, an das ich wunderbare Erinnerungen habe, 1966 aus Altersgründen an die Untermieterfamilie Dr. Schnitzer veräußerten und ich sie dort nicht mehr besuchen konnte, brach für mich eine Welt zusammen.

Cari und Hugo sind dann in eine reizlose Dreizimmerwohnung in einem alten Klinkerbau oben am Bärenplatz gezogen. Die neue Umgebung in der lauten Stadtmitte muss meinem Opa nicht bekommen sein. Schon wenige Monate später ist er dort mit 83 Jahren gestorben. Meine Oma verbrachte ihre letzten Jahre bei ihrem Sohn Fritz-Peter Bung in einem Seniorenheim in Konstanz.