Mein Mekka in der Kaiserstraße

Wie viele meiner Altersgenossen träumte ich schon als Schüler von einer kompletten Stereoanlage von Dual. 1969 nach dem Abitur wurde dieser Traum war.

Mein erster Job bestand im Aufräumen eines Aktenkellers bei einem Stahlhandel am Frankfurter Osthafen. Mit den sauer verdienten 600 DM ging’s dann gleich zu einem Großhändler, über den schon auf dem Schulhof gemunkelt wurde, dass er Dual „unter der Hand“ mit 20 Prozent Nachlass verkauft.

Überglücklich nahm ich in Bad Soden einen Plattenspieler 1015, einen Transistorverstärker CV 40 und zwei Lautsprecherboxen CL 40 in Empfang – alle natürlich von Dual.

HiFi-Automatikspieler Dual 1019 aus der gleichen Baureihe. Zum Topmodell der Dual-Plattenspieler hatten meine Finanzen leider nicht gereicht

Was mir im Nachhinein auffällt: Schon damals entwickelte ich ein unterschwelliges Faible für HiFi-Oldtimer. Denn die Dual-Plattenspieler 1209 und 1219 waren gerade erschienen, die Vorgänger 1015 und 1019 nur noch aus Restbeständen zu haben. Dennoch kamen die neuen Modelle für mich nicht in Betracht. Zehn Jahre später beim Kauf meiner zweiten Bandmaschine das Gleiche: Nicht der Revox B 77 galt mein Interesse – es musste noch die Vorgängerin A 77 sein.

Zu dieser Zeit fuhr ich bereits öfter zu ausgiebigen Streifzügen durch die HiFi-Läden ins nahe Frankfurt. Ich war bereits heftig infiziert und konnte Stunden mit dem Anschauen edler HiFi-Geräte verbringen.

Den räumlichen Eindruck von echter Stereofonie hatte ich erstmals im Phonohaus an der Hauptwache erfahren – über den Kopfhörerverstärker Shure Solo-Phone in Verbindung mit einem Braun-Plattenspieler PS 500, Shure Tonabnehmer M 75 und Kopfhörer von Koss mit flüssigkeitsgefüllten Ohrmuscheln.

Kopfhörerverstärker Shure Solo-Phone mit Anschlussmöglichkeit für zwei Kopfhörer – hier als Tischmodell

Für ein Schallplattengeschäft war das Ende der 1960er Jahre eine außergewöhnlich gute Abhöranlage. Damals konnte man Musik auf Vinyl vor dem Kauf noch anhören. Niemand musste da die „Katze im Sack“ kaufen.

In der vornehmen Klassik-Abteilung im Obergeschoss standen dafür sogar Abhörkabinen mit „Selbstbedienung“ bereit, auf der man die Scheiben auf einem Lenco L 75 samt Verstärker und Regalboxen von Goodmans probeweise auflegen konnte.

Der Shure Solo-Phone wurde in Deutschland ab 1965 von Braun vertrieben

Dank des eingebauten Entzerrer-Vorverstärkers konnte man mit dem Solo-Phone auch unabhängig von der HiFi-Anlage per Kopfhörer Schallplatten hören. Mit seinem Preis von 360 DM verkaufte sich der praktische Helfer aber kaum – egal ob als Tischmodell oder, wie im Falle Phonohaus, als Einbaugerät mit Frontplatte.

Üblich in den Theken der Schallplattengeschäfte waren Stielhörer und Plattenspieler mit viel grauem Kunststoff, Plastik-Tonarm, Kristallsystem und einem dünnen Teller, der unter einer LP verschwand

Die Freude an meiner ersten HiFi-Anlage währte nicht lang: Schon nach wenigen Monaten versagte am Plattenspieler die Automatik. Ich habe Höllenqualen durchlitten während der drei Wochen, in denen der Dual zur Reparatur war und ich keine Schallplatten hören konnte. Seit diesem Trauma habe ich nie mehr nur einen Plattenspieler in meiner Anlage betrieben.

Dual CV 40 – nach den glücklosen Vorgängern CV 1 und CV 4 der erste richtige HiFi-Stereoverstärker aus Sankt Georgen; Sinusleistung 2 x 18 Watt

Auch der Verstärker blieb von Kritik nicht verschont: Mein Eltern nervten mich damals immer öfter, ich solle meine Musik nicht so laut stellen. Also musste ein Kopfhörer her. Doch dafür bot die Verstärkerfront keine Anschlussmöglichkeit. Den Hörer musste ich dann umständlich an der Rückseite per Adapter betreiben. Eine Lösung, die mir absolut gegen den Strich ging.

Eine ganz andere Welt

Bei meinen Streifzügen durch die HiFi-Läden in Frankfurt hatte es mir das Studio von main radio in der Kaiserstraße 40 besonders angetan – was an der außergewöhnlichen Persönlichkeit des Studioleiters Rolf Ullmann, aber auch an dem hochklassigen Sortiment lag.

main radio führte ein großes Spektrum japanischer Marken mit den Schwerpunkten Sony und Kenwood. Das waren HiFi-Geräte, die zuverlässig funktionierten, gegenüber dem biederen Look vieler zeitgenössischer deutscher Erzeugnisse gut aussahen und in Testberichten hervorragend abschnitten.

Ganz Ohr, wenn es um die HiFi-Stereo-Anlage geht: Anzeige des 1968 eröffneten Studios von main radio im Hauptgeschäft an der Frankfurter Kaiserstraße 40

Hier gab es keine Nussbaum- sondern Stahlgehäuse, kein gebürstetes Aluminium, sondern anodisiertes Gold, keine Mager-Ausstattung, sondern umfangreiche Bedienungsmöglichkeiten, keine Diodenbuchsen, sondern international gebräuchliche Cinch-Ausführungen, die schon optisch viel mehr hermachten.

Und so lässt sich die Liste fortführen: keine wackeligen Drucktasten und Flachbahnregler, sondern satt rastende Drehknöpfe und schmatzende Schalter, keine aufgedruckten, sondern in dicke Frontplatten eingravierte Beschriftungen, keine nur einjährige Gewährleistung, sondern volle zwei Jahre Herstellergarantie.

Bestechend fand ich auch die englischen Beschriftungen der Japan-Geräte. Damals beherrschten in Deutschland viele Erwachsene die heutige Weltsprache nicht. Selbst Braun beharrte bis Anfang der 1970er Jahre auf deutsche Bezeichnungen, als fortschrittlicher Hersteller in modischer Kleinschreibung. Was mitunter zu kuriosen Abkürzungen wie „nadelf.“ führte – womit das Nadel- oder besser Rauschfilter an den Verstärkern und Receivern gemeint war.

Die meisten HiFi-Geräte bei main radio waren für mich als Student unerschwinglich, so der Thorens TD 125 mit Werkstonarm TP 25 oder besser noch dem SME 3012/II in langer Zarge mit verlängerter Frontschiene als TD 125 LB.

Thorens TD 125 LB mit Tonarm SME 3012/II. Die Tellermatte ist allerdings nicht original: Sie stammt von einem TD 125 Mk. II – und signalisiert, das hier schon mal was „gemacht“ wurde

Der Thorens TD 125 stand trotz seiner größeren Laufruhe immer im Schatten des berühmten Vorgängers. Die „LB“-Version ist selten: überlange Tonarme wie der SME 3012 kamen damals für einige Zeit aus der Mode.

Preislich an der Spitze der Importgeräte von Paillard-Bolex lag der McIntosh-Vorverstärker C 26 in Kombination mit der MC 2505 – der ersten Transistor-Endstufe aus Binghampton mit VU-Metern, den legendären „blauen Augen“. Heute steht diese Verstärkerkombi in meinem Klassikerschrank. Damals verharrte ich nur davor – fassungslos über diese unglaublich elegante, von innen hinterleuchtete Front und den McIntosh-Schriftzug, der mit seinen altmodischen Lettern auf mich streng wirkte. Aber auch die großen japanischen Vollverstärker in den Regalen von main radio befanden sich außerhalb meiner finanziellen Reichweite.

Ein Beispiel dieser HiFi-Oberklasse: der wunderbare Transistor-Vollverstärker Sony TA-1130 zum stolzen Preis von 1600 DM – Anfang der 1970er Jahre viel Geld. Der Bolide mit satten 2 x 50 Watt Dauerton war Nachfolger des Sony TA-1120, der schon 1965 in den USA vorgestellt wurde und ein Jahr später auch auf dem europäischen Markt erhältlich war.

Spitzen-HiFi aus Japan: Sony-Vollverstärker TA-1130

Ein besonderes Merkmal des hohen Bedienungskomforts ist die Klangregelstufe des TA-1130. Sony hat hier nicht die übliche Potentiometerschaltung, sondern eine Stufenschaltung mit Festwiderständen bevorzugt. Vorteil der aufwendigen Ausführung ist neben gutem Gleichlauf der Kanäle die Möglichkeit, für eine Tonquelle einmal gefundene optimale Einstellung der Höhen und Tiefen exakt reproduzieren zu können.

Auch sonst ist bei diesem grundsoliden Verstärker bedienungsmäßig alles bis auf’s kleinste Detail durchdacht. So die „Ausgliederung“ der beiden am Eingangswahlschalter meistbenutzten Stellungen „Phono 1“ und „Tuner“ in einen sparaten Kippschalter, an dem man zwischen Schallplatten- und Rundfunkwiedergabe schnell hin- und herschalten kann – eine Sony-Raffinesse.

Separater Kippschalter für die beiden meistbenutzten Eingänge „Phono 1“ und „Tuner“

Ebenso vorteilhaft die Anschlussmöglichkeit einer Hochpegelquelle am Eingang „Aux 3“ auf der Frontplatte mittels Klinkenstecker. Bemerkenswert der überaus saubere Aufbau im Inneren des TA-1130: „Die Printplatten mit ihren in Reih und Glied sitzenden Bauelementen muten nahezu preußisch an“, meint ein Testredakteur.

Spielpartner des Verstärkers ist der Weltklassetuner Sony ST-5130 mit Fünffach-Drehkondensator, Mos-Fets und acht keramischen Filtern, der UKW-Empfang auf höchstem Niveau garantiert.

Sony-Tuner ST-5130: Leider hat auch dieses Topgerät einen AM-Teil – als Zugeständnis an den amerikanischen Markt

Bestechend außer der Qualität der Geräte ist das klare, kühl wirkende Sony-Design jener Zeit. Mancher Liebhaber hält diese bis etwa 1975 dauernde Ära, in der auch die legendäre Verstärkerkombination TA-2000 F / TA-3200 F entstand, für die beste Schaffensperiode des japanischen Elektronik-Riesen.

Auch im Tonband-Regal von main radio gab es einen besonderen Sony-Hingucker, die Bandmaschine TC-755. Für mich eines der schönsten und am besten proportionierten Bandgeräte aller Zeiten.

Sony TC-755 mit Metallspulen von 26 Zentimeter Durchmesser und NAB-Adaptern

Ein Testbericht der Vierspurmaschine fiel zwar eher mäßig aus. Aber an diesen großflächigen, in warmem Gelb hinterleuchteten VU-Metern konnte ich mich nicht sattsehen!

Faszinierend die altmodischen Pfeile an den Zeigerenden der VU-Meter – ähnlich den Messinstrumenten an den Schalttafeln alter Kraftwerke

„Gold“ von Trio-Kenwood

Trio – so hieß Kenwood früher – war schon seit 1964 auf dem US-Markt mit einer Niederlassung in Los Angeles vertreten. „Die fernöstlichen Produzenten verstanden die Mechanismen des HiFi-Geschäfts in den USA besser als die einheimischen Hersteller“, erklärte damals ein HiFi-Händler deren Erfolg. „Als Außenseiter hatten die Japaner keine vorgefasste Meinung, wie der Markt funktioniert. Sie akzeptierten ihn so wie er ist, nicht wie er sein sollte.“

Durch lange Garantiezeiten und einem beispiellosem Reparaturservice begegneten die Hersteller Befürchtungen, mit Ersatzteilen aus einem 4000 Meilen entfernten Land könne es Probleme geben.

Receiver KW-60: Typisch für die damaligen Röhrenempfänger waren die getrennten Skalen für UKW- und Mittelwellen-Empfang – und Fronten im Straßenkreuzer-Design

1968 wagte Kenwood den Schritt auf den europäischen Markt. Das Deutschland-Geschäft wurde zunächst von der Trio-Kenwood Electronics S.A. in Brüssel gesteuert. Danach lief der Vertrieb bei uns über ein Verkaufsbüro in der Frankfurter Rheinstraße.

1972 wurde die Kenwood Deutschland GmbH mit Sitz in Heusenstamm im Kreis Offenbach gegründet. Nur wenige, handverlesene Händler durften Kenwood verkaufen. Für den Service unterhielt Kenwood in Heusenstamm ein hervorragend ausgestattes Labor mit hochmodernen Messgeräten. Ich selbst durfte mal einem der jungen japanischen Techniker über die Schulter schauen.

Preislich lagen die mehr am amerikanischen Geschmack orientierten Kenwoods etwas unter Sony-Niveau. Gegenüber den Produkten der deutschen Unterhaltungsindustrie – das war damals wirklich noch eine „Industrie“ – boten die Geräte eine mit Sony vergleichbare Qualität sowie ebenfalls die damals außergewöhnliche zweijährige Vollgarantie.

Kenwoods Spitzenreceiver TK 140: die Holzeinlage auf der rechten Seite der Front entsprach damals amerikanischem Geschmack

Die Produktpalette bestand Ende der 1960er Jahre aus mehreren Receivern mit dem TK-140 an der Spitze, zwei Verstärker-/Tunerpaaren der gehobenen Mittelklasse und zweien der Spitzenklasse – zu erkennen an deren goldfarbenen Fronten.

Für mich unerschwinglich, da jenseits der 1000 DM-Schwelle liegend, waren die goldenen Kenwood-Modelle KA-4000 (getestet von Karl Breh in der HiFi-Stereophonie, Heft 9/1969) und KA-6000 – große, prächtige Vollverstärker mit stark geriffelten, aus dem Vollen gefrästen Drehknöpfen.

Sehr praktisch die Auslegung des am meisten benutzen Reglers für die Lautstärke als großem, zentralen Drehknopf – heute üblich, damals aber eine Neuigkeit und bei deutschen Verstärkern nicht zu finden. Volume und Balance sitzen bei beiden Verstärkern auf einer Achse.

Vollverstärker KA-4000 – Paradebespiel japanischer Verstärkerbaukunst

Man hatte bei Kenwood an alles gedacht – vor allem in Hinblick auf den wichtigen Export nach den Vereinigten Staaten:

Für den Hersteller selbstverständlich in dieser Klasse sind auch hier Klangregler als aufwendige Stufenschalter, auftrennbare Vor- und Endstufe, die Möglichkeit für schnelles Absenken und präzises Wiederanheben der Lautstärke (Muting) bei den in Amerika häufigen Telefonanrufen, ein fünfstufiger „Mode Selector“ (Betriebsartenschalter, hervorragend zur Fehlersuche in der HiFi-Anlage geeignet) sowie nicht weniger als sechs Eingänge, denen im unteren Teil der Frontplatte sechs meergrün schimmernde Funktionslampen zugeordnet sind.

Alles, was man nur benötigen kann

Kenwood Vollverstärker KA-7002 – Sinusleistung 2 x 80 Watt

Das Topmodell KA-6000 wertet Kenwood 1971 mit dem Nachfolger KA-7002 noch auf. Auch seine Drehknöpfe bestehen aus Vollmetall und rasten satt ein. Selbst die schwarzen Kunststofftasten wirken sehr wertig. Beim KA-7002 beherbergt die Front endgültig alles was man nur benötigen kann – das war für die damalige Zeit jede Menge.

Frontplatte des Kenwood KA-7002 mit einer Fülle von Bedienungsmöglichkeiten

Die Klangsteller mit wählbaren Einsatzfrequenzen sind als zehnstufige Schalter ausgelegt. Es gibt drei (!) Lautsprechergruppen – was den KA-7002 zur Musikzentrale für’s ganz Haus geeignet macht. Der Mode-Schalter erlaubt auch das Vertauschen von rechtem und linkem Kanal. Weiter hat der Verstärker Anschlüsse für zwei Tapes, zwei Plattenspieler, Tuner sowie zweimal Reserve, zusätzlich sogar noch für Mikrofone. Dazu verzögertes Einschalten per Relais, ein zweistufiges Rumpelfilter sowie eine nicht einrastende „Null Balance“-Taste zum Abgleich der Stereo-Balance jeder beliebigen Signalquelle.

Die mit Cinch-Anschlüssen gespickte Rückseite des Kenwood KA-7002 kann es mit dem rückwärtigen Anschlussfeld eines AV-Receivers aufnehmen

Highend-Verstärker verfügen oft nur noch über einen dreistufigen Eingangswahlschalter ohne Phono und den Lautstärkeregler – obwohl sie vier- oder gar fünfstellige Euro-Beträge kosten. Die Anzahl der Bedienungsmöglichkeiten lässt hier keinen Rückschluss auf die Preisklasse mehr zu.

Das war beim Kenwood KA-7002 noch ganz anders: „Hinter jedem Schalter und Regler“, so Techniker Peter Feldmann, „verbergen sich im Gehäuse aufwendige Mechanik und komplizierte, von Hand ausgeführte Verdrahtungen, die entsprechend bezahlt werden müssen und bei Einsteigergeräten nicht zu realisieren sind.“

Welchen Vorteil die von Highend-Freunden als Klangverhinderer abgelehnten Möglichkeiten haben, verdeutlicht der Erfahrungsbericht eines jungen Besitzers des KA-7002 aus Amerika:

„Früher war ich der Meinung, dass solche Einrichtungen nur Chaos stiften und der Transparenz schaden. Inzwischen weiß ich, wie sehr sie dabei helfen, mittelmäßig aufgenommene Schallplatten klanglich zu verbessern.“ Linear abgespielt höre sich Frank Sinatras 1965er LP „September of my Years“ (Reprise FS 1014) grauenhaft an – ohne merklichen Bass und in der Mittellage völlig stumpf. „Ein Griff zum Loudness-Schalter, den Höhenregler zwei Strich aufgedreht, und Sie verwandeln dieses hässliche Entlein in einen stolzen Schwan.“ Sinatras Stimme werde auf einmal lebendig – einfach umwerfend. „Überlegen Sie einmal, wie viele ans Herz gewachsene Scheiben mit durchschnittlicher oder gar historischer Klangqualität Sie besitzen“, gibt er noch zu bedenken, „und welchen Nutzen die von Puristen verschmähten Regeleinrichtungen dabei haben.“

Kenwood-Anlage mit Verstärker und Tuner sowie hauseigenem Plattenspieler und Lautsprechern. Das Stillleben mit Dame und Pudelchen entspricht dem Geschmack der 1970er Jahre

Eine Besonderheit des KA-7002 ist der Umschalter für die Phono-Empfindlichkeit. Der Eingang erlaubt den direkten Anschluss von MC-Systemen, da er eine Empfindlichkeit von 0,06 mV bei 200 Ohm aufweist. 1972 war das eine (meist völlig unbemerkte) Sensation. Viele HiFi-Verkäufer kannten damals noch nicht einmal den Unterschied zwischen magnetischen und elektrodynamischen Tonabnehmern, da es noch keine MC-Systeme für den Heimgebrauch gab – lediglich solche für den Studiobetrieb von Denon, EMT und Ortofon.

Die Endstufen des KA-7002 sind bereits in Komplementärschaltung ausgelegt – also ohne Ausgangselkos. Der Verstärker überzeugt durch wirklich hochwertige Bauteile, das Vierfachpoti für Volume und zwei Kammern für Balance. Alle Abteilungen sind auf kleinen Platinen aufgebaut und mit Leitungen verbunden – in der Herstellung sehr teuer und aufwendig.

Heute steht ein KA-7002 neben meinem Rechner, an dem ich die Inhalte dieser Webseite verfasse – und dem ich bei meiner Arbeit gern Blicke zuwerfe. Klanglich hat mich der dicke Kenwood immer verblüfft. Er spielt groß auf mit satten sauberen Bässen und einer Dynamik, die einem Grinsen ins Gesicht zaubert. Zudem ist die Verarbeitung wirklich so solide, dass man diesem Kenwood locker noch einhundert Jahre Betrieb zutraut.

Außerdem ist der KA-7002 heute bezahlbar. Grauhaarigen HiFi-Veteranen vermittelt er eine Atempause von dem sich immer schneller drehenden Preiskarussel bei den Highend-Komponenten. Für ein gutes Exemplar sollten Sie 500 Euro und weitere rund 300 Euro für eine fachgerechte Revision inklusive Austausch altersschwacher Bauteile einplanen.

Bei meinem KA-7002 kamen noch die Kosten für neue Holzwangen hinzu, die meist verschrammelt sind. Dem Hausschreiner von Good Old HiFi gelangen diese passgenau und zu fairem Preis.

Ebenbürtiger Spielpartner des Kenwood KA-7002 ist der Tuner KT-7001 – hier die späte Ausführung mit großflächigen Anzeigen für Feldstärke und Ratiomitte

Passend dazu der Tuner Kenwood KT-7001 mit nicht minder großzügigem Bedienungskomfort: Zweistufiges Muting zum Unterdrücken von Störgeräuschen zwischen den Stationen, ein MPX-Filter, mit dem man das Rauschen schwach einfallender Stereo-Sender (zu Lasten der Übersprechdämpfung) vermindern kann, ein Schalter für ausschließlichen Stereo-Empfang und einen Regler für das Ausgangssignal.

Schließlich noch die „Multipath“-Taste des KT-7001 für das Umschalten des Feldstärke-Instruments auf Mehrwegempfang, womit sich eine Rotorantenne optimal ausrichten lässt. Als ich 1985 mein Haus kaufte, war die Installation einer Acht-Element-Rotorantenne auf dem Dach einer der wichtigsten Punkte im Lastenheft. Am Steuergerät von Stolle im Wohnzimmer ließen sich die sechs meistbenutzten Antennenrichtungen vorprogrammieren und bequem per Tastendruck anwählen.

UKW-Tuner Denon TU-400 mit VU-Metern und Trommelskala. Auch diesen Empfänger besaß ich früher

Die Leistung dieser Antennenanlage beim Senderfischen war enorm: Trotz ungünstiger Emfangsbedingungen hinter dem Feldberg konnte ich mit einem Denon TU-400 sogar UKW-Sender in der DDR störungsfrei empfangen.

Unschlagbar für 700 DM

Doch genug der Träume und zurück auf den Boden der Tatsachen: einen vierstelligen Betrag für einen Verstärker konnte ich mit meinem Studentensalär am Beginn der 1970er Jahre natürlich nicht aufbringen. Aber es gab im HiFi-Studio von main radio ja auch attraktive Kennwood-Angebote unterhalb der Schallgrenze von 1000 DM – die Verstärker-Tuner-Pärchen KA-2000/KT-1000 sowie KA-2500/KT-3500.

Die kleinste Kenwood-Anlage: Tuner KT-1000 mit Verstärker KA 2000

Bereits der Kenwood KA-2000 im Stahlgehäuse mit elegantem schwarzem Kräusellack und einer Leistung von 2 x 15 Watt wartet mit allem auf, was man zum genussvollen Musikhören braucht.

Völlig unüblich in der 500-DM-Klasse sind hier zwei (!) gleichberechtigte magnetische Phono-Eingänge. Für den Betreiber zweier HiFi-Plattenspieler an seiner Anlage ein klarer Vorteil – standen doch damals die heute üblichen separaten Phonovorverstärker zum Anschluss an jeden beliebigen Hochpegeleingang noch nicht zu Verfügung.

Transistorverstärker Kenwood KA 2000 – mit 2 x 15 Watt und kompakten Abmessungen ideal für’s Damenzimmer

Besser noch gefiel mir als „Features-Fan“ der größere Kenwood KA-2500 mit seiner für die 700 DM-Klasse unschlagbaren Ausstattung: kanalweise getrennte Regler für Höhen und Tiefen, Rausch- und Rumpelfilter, die Möglichkeit zum Betrieb zweier Lautsprecherpaare sowie auf der Rückseite zwei Kaltgerätebuchsen und der Ausgang für ein Mono-Summensignal.

Mehr Bedienungsmöglichkeiten und 2 x 20 Watt: Kenwood-Verstärker KA-2500

Begeistert war ich, wie schon beim kleineren KA-2000, von der praktischen Anschlussmöglichkeit eines Kopfhörers mit 6,3 mm-Klinkenstecker auf der Frontplatte – dort, wo so ein Anschluss hingehört. An der Front des KA-2500 befindet sich zusätzlich die Buchse für den bequemen Anschluss eines Bandgeräts – ohne dazu hinter den Verstärker kriechen zu müssen. Von solchen Dingen konnte ich bei meinem Dual-Verstärker nur träumen. Dazu auch hier dieses wunderbare Stahlgehäuse in schwarzem Kräusellack!

Natürlich besitzt auch der KA-2500 eine Schutzschaltung mit kurzschlussfesten Endstufen. Das war bei Geräten aus deutscher Produktion damals keine Selbstverständlichkeit – auch nicht beim Dual CV 40, dessen Bedienungsanleitung den Warnhinweis enthielt, man dürfe das Transistorgerät auf keinen Fall ohne angeschlossene Lautsprecher einschalten.

Meine Entscheidung zum Erwerb eines KA-2500 fiel daher sehr schnell. Dazu verkaufte mir Rolf Ullmann zwei Kompaktboxen von Wharfedale – ein Fabrikat, von dem ich vorher noch nie etwas gehört hatte. Dabei war ich mit dem Klang meiner Dual-Boxen CV 40 eigentlich zufrieden gewesen. Nun musste es aber die Super Linton des englischen Herstellers sein – Ullmanns Empfehlung war für mich Gesetz. Ein Plattenspieler Lenco L 75 im damals aufkommenden Weiß vervollständigte meine neue HiFi-Anlage.

Der schweizerische Lenco L 75 verkaufte sich mit seinem hohen Gegenwert Anfang der 1970er Jahre in Deutschland sehr gut. Auch mein Vater besaß einen – natürlich in Nussbaum

Wie ich für die HiFi-Geräte bei main radio das Geld zusammengekratzt habe, weiß ich heute nicht mehr. Zähes Sparen auf etwas war nie mein Ding. Nur an eine Finanzquelle erinnere ich mich noch genau:

Von meinem Opa erbte ich eine goldene Taschenuhr mit Sprungdeckel. Mein Vater wollte mir die Mechanik zeigen und den hinteren Deckel der Uhr öffnen. Als Werkzeug benutzte der Ungeschickte ein Obstmesser. Prompt rutschte er mit der Klinge aus und zog eine hässliche Rille ins Rotgold. Nach dem ärgerlichen Schaden hatte ich kein Interesse mehr an der Uhr – die ohnehin nicht dem Zeitgeschmack entsprach. Auf meine Verkaufsanzeige meldete sich ein Herr in feinem Tuch, zückte seine Brieftasche und stellte mir dafür einen Bankscheck über 750 DM aus. Wenige Tage später klingelte das Geld in der Kasse von main radio. Das Tragische an der Sache: Die Uhr stammte von der Firma Lange & Söhne in Glashütte – die damals hinter Mauern und Stacheldraht für die Werktätigen Reisewecker herstellen musste. Heutiger Verkaufswert der hundertjährigen Taschenuhr aus der inzwischen wieder berühmten Manufaktur: Wahrscheinlich im hohen vierstelligen Bereich – zumal sich im Originaletui noch eine Ersatzfeder befand. Und die Rille hätte jeder Goldschmied beseitigen können …

Der schlimme Rückfall

Aussehen, Verarbeitung und Klang des neuen Verstärkers, zu dem ich noch den passenden Tuner Kenwood KT-3500 erwarb, waren wirklich top – ich hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Dennoch behielt ich auch die Traumanlage von main radio nicht lang.

Zu der Zeit studierte ich gern mein Leib- und Magenblatt, die Fachzeitschrift HiFi-Stereophonie. Und dann begann etwas in mir zu bohren: das Manko, dass mein Kenwood darin nicht getestet war und der redaktionelle Segen fehlte. Am Ende machte mich die Vorstellung, dass das Testlabor bei der Untersuchung des KA-2500 vielleicht einen Schwachpunkt gefunden hätte, von dem ich nun nichts wissen konnte, fast krank.

Damals lobte Chefredakteur Karl Breh den brandneuen Saba-Receiver 8080 über den grünen Klee: Verstärker- und Empfangsteil erstklassig, dazu ein unschlagbares Preis-/Leistungs-Verhältnis. Als 1972 der Saba 8120 das herausragende Testergebnis seines kleineren Bruders noch deutlich toppte, kam es zu einem fatalen Rückfall in meiner HiFi-Karriere.

Immer und immer wieder las ich das Testurteil über den 8120 – das beste, das bis dato einem deutschen Receiver zuteil wurde. Und mit knapp 1300 DM war auch er auch noch erstaunlich bezahlbar. Die Aussicht auf 2 x 40 Watt Sinus – die doppelte Leistung meines Kenwood – führte dann endgültig zum Entschluss, meine HiFi-Anlage noch einmal neu aufzustellen und den Saba zu kaufen.

Saba-Receiver – ein Breitenmonster mit Stationstasten und Flachbahnreglern in modischem Schleiflack-Gehäuse

Dass hier wieder ein Kopfhöreranschluss auf der Frontplatte fehlte, hielt ich für verschmerzbar. Dass ich nun wieder bei Diodenbuchsen, wackeligen Drucktasten, lediglich einem Phono-Eingang und bei den hausbackenen deutschen Beschriftungen gelandet war, darüber sah ich hinweg. Auch die Flachbahnregler, nur ein Kombi-Instrument für Feldstärke und Ratiomitte sowie die unsinnige Lang-, Mittel- und Kurzwelle machten mir plötzlich nichts aus. Schließlich besaß ich ja jetzt einen glänzenden Testbericht, den ich mir an die Wand hätte nageln können …

Grob überlackiertes Sperrholz an den Kanten offenbart die nachlässige Verarbeitung des Saba-Gehäuses. So sahen damals viele deutsche HiFi-Geräte von der Rückseite aus

Als passende Lautsprecher wählte ich die legendäre Braun-Box L 710, von der ich schon länger träumte, zumal sie Referenz-Lautsprecher der HiFi-Stereophonie war. Und weil ich inzwischen wusste, dass Reibradantrieb nicht der Weisheit letzter Schluss ist, vervollständigte ich die Anlage mit dem Plattenspieler Thorens TD 150/II. Nach dem Abenteuer mit den drei rumpelnden TD 124, über das ich in SCHWEIZER PRÄZISION berichte, war dies mein erster Riementriebler aus Lahr.

Der Thorens TD 150/II ist Musterbeispiel eines guten, bezahlbaren Plattenspielers mit Schwingchassis und Riemenantrieb. Besonders gefiel er mir wegen der Gewichte des Tonarms in Form schwarzen Kugeln aber nicht – ein schrullige Design-Idee

Diese „Vernunftanlage“ begleitete mich durch meine ganze Würzburger Zeit – damit war ich unter Kommilitonen der HiFi-König. Bis ein Kumpel tatsächlich den dicken Kenwood KA-7002 besaß und ein anderer den Braun-Receiver Regie 510, der noch einmal in einer anderen Liga als mein Saba spielte. Mein Kollege aus Kitzingen, der schon als Student einen knallgelben Opel GT mit Schlafaugen fuhr, verfügte als Unternehmersohn über das entsprechende Budget.

Letzterer war es auch, der mich zum Kauf der Bandmaschine Braun TG 1000 verführte – leider mit Rücksicht auf die Finanzen als bandsparendes Vierspurgerät und im damals völlig neuen Schwarz – das Braun als erster Hersteller einführte. Heute kann ich das Einheitsschwarz der aktuellen Komponenten, das ständig nach dem Staubwedel verlangt, nicht mehr sehen.

Zu Ehrenrettung des Saba muss ich hier schreiben, dass er mich während meiner ganzen Studentenzeit und auch noch nach meiner ersten Anstellung im Ruhrgebiet klaglos begleitete. Dann aber schlug für den 8120 das letzte Stündlein.

Zurück zur Vollfettstufe

HiFi-Geräte von Marantz waren in Deutschland in den 1960er Jahren nur bei zwei ausgesuchten Händlern zu haben, in der HiFi-Abteilung des Möbelhauses Behr in Stuttgart und beim Funkhaus Evertz in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Anfang der 1970er Jahre erweiterte sich langsam der Händlerkreis. Bei main radio in Frankfurt stand ein Marantz Model 19 verlassen im Regal. Mit einem Preis von irrwitzigen 6500 DM war der Spitzenreceiver des kalifornischen Herstellers mit Senderabstimmung per Oszilloskop hier unverkäuflich.

Erst als Marantz die Produktion aus Kostengründen von Kalifornien nach Japan verlagerte und Paillard-Bolex den Deutschland-Vertrieb übernahm, änderte sich die Lage. Damals wurde aus München die neue 22er Receiver-Serie stark beworben. Das Spitzenmodell Marantz 2270 war mit 2 x 70 Watt Sinus an acht (!) Ohm angegeben. Die HiFi-Stereophonie maß an dem Boliden allerdings 2 x 140 Watt an vier Ohm, womit man laut Karl Breh ein ganzes Olympiastadium hätte beschallen können. Aber auch hier stand an dem Marantz noch ein dickes Preisschild – gebundene 3200 DM.

Marantz-Receiver 2270 – der neue Star meiner HiFi-Anlage. Vergleichen Sie den mal mit dem Saba …

Dann aber entdeckte ich bei Radio Sülz in der Düsseldorfer Altstadt, die ich wegen der Altbierkneipen und der leckeren Spanferkelbrötchen gern besuchte, einen Marantz 2270 im Schaufenster, der als Auslaufmodell und als Ausstellungsstück ohne Karton auf sensationelle 1800 DM herabgesetzt war.

Jetzt wissen Sie schon, was ich gemacht habe: Der Saba flog kurzerhand aus unserem Wohnzimmer. Mit dem wunderbaren Marantz 2270 war ich in meiner HiFi-Welt endlich wieder angekommen.

Neu für mich waren hier die faszinierende Blackout-Skala, die großflächigen, hellblau hinterleuchteten Anzeigeinstrumente für Feldstärke (auf Mehrwegempfang umschaltbar) und Ratiomitte, ein von innen beleuchteter Senderzeiger sowie Leuchtanzeigen für den gerade gewählten Eingang. Wenn man den Wahlschalter hin- und herdrehte, ergab sich oberhalb der Senderskala dazu ein tolles Lichterspiel.

Auch die Anzeige für Zweikanal-Empfang auf der Senderskala ist liebevoll gestaltet. Den „Stereo“-Schriftzug hat Marantz umrandet und mit einem funkelnden Stern versehen. Der Eingangswahlschalter befindet sich hier in der „FM“-Position

Der 2270 besitzt gleich drei stufige Klangsteller für Bass, Mitteltonbereich und Höhen. Alle drei mit Rutschkupplung und der dadurch gegebenen Möglichkeit für jeweils getrenntes Regeln des linken und rechten Kanals.

Dieser Marantz ist so solide, dass er noch heute in meinen treuen Diensten steht. Von Audiotronic in Heidelberg und dann von Good Old HiFi im brandenburgischen Städtchen Niemegk regelmäßig gewartet, erfreut er meine Frau und mich täglich beim Frühstück mit seiner großen Zuverlässigkeit und gutem Klang. Leistungsmäßig ist der 2270 – dem bei Marantz noch viel stärkere Stereo- und Quadro-Receiver folgten, an den kleinen Canton-Satelliten mit Subwoofer allerdings total unterfordert.

Der Bruch eines Tabus

Dank regelmäßigen Gehaltserhöhungen ging’s bei meinen HiFi-Anschaffungen nun Schlag auf Schlag: der TD 150/II musste meinem Traum Thorens TD 125 weichen – hier in der Mark-II-Version mit Tonarm TP 16. Im Grunde reichte der bewährte 150er in meiner Anlage völlig aus, aber dem größeren Bruder mit nochmals besserer Laufruhe konnte ich nicht widerstehen – er war ja als Auslaufmodell sooo günstig.

Dann brach ich ein TABU:

Da ich meine Schellackplatten, die ich von Einkaufstouren in London mitbrachte, auf dem TD 125 nicht spielen konnte, erwarb ich als zweiten Plattenspieler einen erst ein Jahr alten Thorens TD 126 in der seltenen Mark I-Version mit den ganz neuen Leuchttasten. Nach dem Vor-Vorgänger TD 124 hatte der TD 126 wieder die 78er Drehzahl – und läutete in der Oberklasse eine Rückbesinnung auf die Schellacks ein.

Sie haben richtig gelesen: „ein Jahr alt“ – also GEBRAUCHT. Bisher waren Geräte mit Vergangenheit für mich ausgeschlossen – ein Vorbesitzer könnte ja damit gebastelt oder sonstigen Schindluder getrieben haben.

Bei achtlosem Umgang des Vorbesitzers würde sich der 60 Jahre alte Fisher bestimmt nicht mehr in diesem makellosem Zustand befinden

Heute besitze ich zum Thema Gebraucht-HiFi ein entspannteres Verhältnis – es kommt immer auf den individuellen Zustand an. Viele meiner geschätzten Klassiker waren ja als Neugerät längst nicht mehr zu kaufen. Und ich habe erfahren müssen, dass es Vorbesitzer gibt, die mit ihren Sachen genauso achtsam umgehen wie ich selbst.

Einheit von Soft- und Hardware

Etwa Mitte der 1970er Jahre begann ich eine fixe Idee zu entwickeln: Nämlich dass meine alten Originalschallplatten, die vorwiegend vor 1965 gepresst wurden, idealerweise auch über HiFi-Geräte jener Zeit gehört werden sollten. Also eine Art Einheit von Soft- und Hardware.

Das waren natürlich allesamt Geräte mit Elektronenröhren. Aber wo hernehmen? Die Röhre war in den 1970er Jahren praktisch tot. Umso mehr überraschte mich dann eine Titelstory der HiFi-Stereophonie.

In der Juli-Ausgabe 1977 erschien ein Grundsatzartikel „Transistor contra Röhre“ von Fachmann Dušan Klimo. Ergänzt wurden seine Ausführungen durch Testberichte zweier neuer Verstärker-Kombinationen mit Glühkolben. Was heute kaum noch einer weiß: Das war der Startschuss für die Renaissance der Röhrentechnik

„Bereits seit geraumer Zeit hat Luxman wieder Röhrenverstärker im Programm, die sich aber auf dem hiesigen Markt nicht durchsetzen konnten“, schreibt Testredakteur Michael Thiele über die japanische Vorstufe CL-32 und die dazu gehörende Endstufe MQ 3600.

„Die technische Untersuchung“, so Thiele, „führte fast ausnahmslos zu positiven Ergebnissen.“ Bei einigen Punkten müsse natürlich wegen der völlig anderen Schaltungskonzeption von Röhrenverstärkern auf Renommierwerte verzichtet werden. Jedoch würden die Daten der Geräte aus Vor-Transistorzeiten deutlich übertroffen.

Also alles im grünen Bereich. Kurze Zeit später entdeckte ich dann die brandneue Luxman-Kombination bei einem Essener HiFi-Händler im Schaufenster.

Luxman-Röhrenenstufe MQ 3600 – Abbildung aus dem Originalprospekt

In die MQ 3600 habe ich mich sofort verliebt. Da waren sie wieder – vier dicke Leistungsröhren in Reih und Glied, die mich so an meinen Traumverstärker McIntosh MC 275 erinnerten.

Nun gut, die von Luxman verbauten Trioden 8045 G war nicht so sensationell dick wie die von McIntosh bei der MC 275 verwendeten Pentoden KT-88. Auch hielt der verschachtelte Aufbau der MQ 3600 optisch keinen Vergleich mit der gleichmäßigen Anordnung der Bauteile bei den Mac-Endstufen stand.

Die drei McIntosh-Endstufen im Paillard-Bolex-Gesamtprospekt: Dieses klassische Design, bei dem sich die Röhren in einem Meer glänzenden Chroms spiegeln, ist bis heute unübertroffen

Dafür gab es das Luxman-Pärchen, das mit je 2400 DM für Vor- und Endstufe sogar vergleichsweise günstig war, aber nun neu zu kaufen – inklusive dreijähriger Vollgarantie des Importeurs all akustik in Hannover.

Luxman-Röhrenvorverstärker CL-32

Schwachpunkt der Kombination war in meinen Augen die Vorstufe CL-32. HiFi-Verstärker besaßen damals durchgängig zwei „Etagen“ an Bedienungselementen. Die CL-32 wartete hingegen nur mit einer Reihe an Reglern und Schaltern auf. Mit ihrer flachen Form war sie Vorbotin des Highend-Designs.

Auch sonst war ich von der eigenwilligen Luxman-Gestaltung nicht begeistert. Die dünnen Kippschalter ragten wie kleine Spieße aus der Frontplatte, und die beiden Knebelschalter – eine Luxman-Spezialität – gefielen mir auch nicht. Eine richtige Katastrophe waren die fehlenden Höhen- und Tiefenregler. Hier gab es nur einen als „Linear Equalizer“ bezeichneten „Up Tilt – Down Tilt“ Schalter – ähnlich der „Klangblende“ an Kofferradios. Mir ist schleierhaft, wie sich in Japan jemand sowas hat ausdenken können.

Der Fehler meines HiFi-Lebens

Als ich dann von meiner Oma eine kleine Erbschaft machte, kam es zum größten Fehler meiner HiFi-Laufbahn. Denn mit dem unverhofft verfügbaren Betrag hätte ich meinen McIntosh-Traum endlich verwirklichen können. Damals wären die MC 275 und die Vorstufe C 24 per Kleinanzeige in der HiFi-Stereophonie günstig zu kaufen gewesen. Die Röhrentechnik war ja sowas von passé, und die künftige Ersatzbeschaffung der Glühkolben zu der Zeit mehr als fraglich.

Doch leider siegte hier noch einmal meine Abneigung gegen Gebrauchtgeräte: Mit den Kauf der nagelneuen Luxman-Kombi traf ich eine Fehlentscheidung, die mich in zwei Jahrzehnten (!) viele Nerven kostete und mich immer wieder frustierte.

Das Drama begann schon mit dem Händler, der in Düsseldorf exklusiv Luxman-Geräte führte. Schlembach + Co. war ein Elektro-Kaufhaus, das auch mit Waschmaschinen und Fahrrädern handelte. Dem entsprechend fiel dort die Beratung aus.

Der Mann bei Schlembach redete mir ein, meine vierohmigen Braun L 710 passten nicht zur Röhrentechnik – und verkaufte mir stattdessen Achtohm-Boxen eines damals neuen Herstellers. Magnat warb für seine Lautsprecher mit dem Logo einer bärbeißigen Bulldogge – was wohl deren kraftvollen Klang symbolisieren sollte.

Warm wurde ich mit den anthrazitfarbenen, schaumstoffbespannten Dreiwegboxen nie. Noch heute trauere ich meinen schönen Braun L 710 nach. 20 Jahre später wanderten die Magnats mit „flüssigkeitsgefülltem Hochtonhorn“, nachdem die Sicken zerbröselt waren, auf den Sperrmüll.

Ärger über Ärger

Doch das waren Peanuts gegenüber dem Trauma, das ich mit der Endstufe erlebte.

Die in der MQ 3600 verwendeten Leistungsröhren 8045 G waren eine spezielle  Entwicklung der  japanischen Firma NEC in Zusammenarbeit mit dem Luxman-Chefentwickler Tim de Paravicini. Für  diese Endtrioden gibt es keine Vergleichstypen – was sich bald als Nachteil erweisen sollte.

Nur wenige Monate nach dem Kauf bekamen die Endröhren seltsame „rote Bäckchen“ – die ich nicht zu interpretieren wusste. Dann flammte beim Einschalten der MQ 3600 eine Endröhre hell auf, weil der Heizfaden gerade durchbrannte. Aus den Magnat-Boxen erschreckte mich infernalisches Kreischen – ähnlich dem Trompetenstoß eines Elefanten. Die Röhre hatte ihr Vakuum verloren, das Getter-Metall im Röhrenkopf verschwand nach und nach. 

Meine defekte Luxman-Endstufe MQ 3600 – die linke Leistungsröhre 8045 G hatte sich gerade verabschiedet

Anfangs konnte man diese Röhren noch beim deutschen Vertrieb kaufen. Der Preis für ein Exemplar betrug allerdings bereits stolze 125 DM. Ein neuer Satz  8045 G wurde von all akustik eingesetzt, die Ruheströme beider Kanäle abgeglichen – die Endstufe funktionierte wieder wie sie sollte.

Noch zweimal passierte das Malheur: Wieder fiel eine Endröhre aus, das Fehlerbild war das gleiche. Zu dieser Zeit wurde die 8045 G schon nicht mehr hergestellt – man konnte aber noch welche zu wesentlich höherem Preis erwerben. In letzter Konsequenz tauschte der Importeur die komplette Endstufe, die ja unter der dreijährigen Herstellergarantie stand, gegen ein fabrikneues Exemplar.

Vergebens – auch das Austauschgerät zeigte bald die gleiche Macke. Über die Ursache lässt sich nur spekulieren. Offensichtlich war ich nicht der Einzige, den dieses Schicksal ereilte. Denn schließlich erhielt ich von all akustik das reparierte Austauschgerät mit Endröhren KT-88 von GE zurück.

Umgebaute Luxman-Endstufe MQ 3600 mit neuen Leistungsröhren KT-88 – hier von JJ Electronic

Allerdings standen jetzt die viel dickeren KT-88 auf dem Chassis gefährlich nah aneinander. Auch optisch sah der Umbau durch das dichte Gedränge der Glühkolben unharmonisch aus. Immerhin funktionierte die MQ 3600 danach wie sie sollte.

Problem blieb aber weiter die Vorstufe CL-32 – abgesehen von ihrem Äußeren, das mir nicht gefiel. Mit dem „Linear Equalizer“ ließ sich selten ein befriedigendes Klangbild erzielen – was auch an dem Fehlen einer gehörrichtigen Lautstärkeregelung lag.

Fast 20 Jahre litt ich bei dem dünnen – manche würden erklären wollen „audiophilen“ – Klang still vor mich hin. Auch wenn Highend-Geräte heute sonderbare Namen wie „Die Erleuchtung“ tragen – die kam mir mit den Röhrengeräten von Luxman nie.

Was ich die ganzen Jahre über versäumt hatte, wurde mir schlagartig klar, als ich 1997 die beiden Luxmänner gegen die Neuauflage der McIntosh-Kombination in Zahlung gab. Der Klang der Vorstufe C 22 CE in Verbindung mit der Endstufe MC 275 CE, die ich samt Tannoy D 700 bei Raum Ton Kunst in Frankfurt kaufte, entsprach endlich meinem klanglichen Ideal. Dieser volle Sound der Mac-Kombi – bis heute unübertroffen.

Opfer meiner Ungeduld

Die Erbschaft meiner Oma hatte auch noch zu einer weiteren Investition gereicht. Dabei entwickelte ich abermals eine kuriose Idee – und fiel damit ebenso auf die Nase.

Mein Solinger Plattenfreund Lothar Mackenbach besaß von seinem Sammelgebiet Bill Haley ultraseltene Schellack-Schallplatten – einige sogar aus den späten 1940er Jahren, als Haley sein Brot noch als Country-Sänger verdiente. Die waren unter Sammlern nicht mehr aufzutreiben. Deshalb wollte ich die raren Aufnahme wenigstens bestmöglich auf Band haben.

Beim Fachgeschäft „Foto Koch“ in Düsseldorf, das auch eine HiFi-Abteilung unterhielt, erstand ich eines der letzten Exemplare der Tonbandmaschine Revox A 77 – und zwar die „High Speed“-Version.

Verrückt: Mein Ziel war, Lothars unwiederbringliche, rauschende und knisternde 78er wie beim Rundfunk mit bandfressenden 38 cm/sec Vollspur (!) aufzunehmen.

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Als „Augenmensch“ kamen für meine Revox natürlich nur die eindrucksvollen 26er-Metallspulen mit NAB-Adaptern in Frage. Und weil das Agfa-Band, auf das die Spezialversion eingemessen war, volle drei Wochen Lieferzeit hatte, entschied ich mich ungeduldig für das im Laden erhältliche Revox-Band 601. Mein Gedanke: Was Willi Studer als Bandmaterial für seine Maschinen vorsah, konnte ja nicht schlecht sein.

Dieses Revox-Band 601, von dem ich mit der Zeit rund 60 Stück besaß, erwies sich als einziger Flop. Denn mit seinem hohen Abrieb ließ das von Scotch gelieferte Bandmaterial die Köpfe rasch verschmutzen und meine A 77 quietschen. Keine autorisierte Revox-Werkstatt war in der Lage, das Quietschen dauerhaft abzustellen.

Auch die tollen Metallspulen mit den dicken Adaptern erwiesen sich als Fehlentscheidung. Denn ihr hohes Gewicht machte die A 77 beim Umspulen und Bremsen schwerfällig. Sie belasteten die Mechanik auch unnötig. Mit den profanen grauen Kunststoffspulen, die optisch natürlich nichts hermachten, wäre die Maschine deutlich reaktionsschneller gewesen.

Zu allem Pech noch wurde ein wichtiger Vorteil der Revox – ihre gegenüber der LP viel längere ununterbrochene Spieldauer – durch das Erscheinen der Compactdisk mit über 70 Minuten Spielzeit hinfällig.

Und geradezu tragisch: Mit der Zeit gelang es mir doch noch, die auf Vollspur aufgenommenen Schellackplatten nach und nach zusammenzukaufen. Als Schallplatten-Liebhaber war ich nie ein Freund von Bandaufnahmen – mochten sie auch noch so hochwertig sein: Für mich waren das Surrogate – ich besaß ja die Plattencover nicht.

Nachwort

Der HiFi-Bazillus, von dem ich und meine Altersgenossen schon zur Schulzeit befallen waren – und der jugendlichen Käuferschichten heute abgeht – hatte viel mit der dürftigen Qualität der damaligen Konsumklassegeräte zu tun:

Plattenspieler mit einem Kaufpreis unter 200 DM waren in den 1960er Jahren durchgehend mit Kristall- oder Keramiksystemen bestückt. „Kristallfräsen“ oder gar „Rillen-Nachschneidegeräte“ nannten wir verächtlich diese Dreher mit Auflagekräften nicht unter vier Gramm. Die piezolektrischen Pickups waren schon wegen des Fehlens eines magnetischen Phono-Eingangs an den Radios eine Notwendigkeit. Die entsprechende Taste hörte meist auf den Namen „PU Kristall“.

Und so ging’s in der Konsumklasse weiter: Steuergeräte mit hifi-untauglicher Lang-, Mittel- und Kurzwelle. Skalen mit Namen von Sendern wie „Beromünster“ oder „Hilversum“, die in Deutschland kein Mensch ohne Störgeräusche empfangen konnte. Dann die unzähligen Vierspur-Tonbandgeräte, bei denen ein einziger Motor sowohl den Bandtransport als auch das Umspulen übernehmen musste – und die nach einiger Betriebszeit „flügellahm“ wurden. Schließlich noch Boxen mit ovalen Breitbandlautsprechern, bei denen sich der Hersteller die Frequenzweiche sparte.

Dazu immer wieder das unvermeidliche Nussbaum: „Die elektroakustische Industrie ist heute zu einem Zweig der Möbelindustrie verkommen“, klagte schon Ernst Pfau, der erste Chefredakteur der HiFi-Stereophonie.

In den 1980er Jahren sahen die Geräte der untersten Preisklasse mit ihren Metallgehäusen und englischen Beschriftungen dann attraktiver aus. Mit der Digitalisierung klangen sie auch besser als ihre billigen analogen Vorfahren. Jeder einfache CD-Spieler steckte einen preislich vergleichbaren Dreher oder Kassettenspieler in die Tasche. Damit gab es für jugendliche Käufer weniger Druck, sich mit dem HiFi-Thema zu beschäftigen.

Millionen Smartphone-Benutzer mit weißen AirPods in den Ohren haben noch nie den Klang einer HiFi-Anlage und noch viel weniger den einer Highend-Anlage erlebt. Auch der Besuch beim Fachhändler steht nicht auf dem Programm. Gekauft wird Kartonware im Internet, bei Saturn oder im Media Markt. Außerdem gehört im Zeitalter der Handyspiele und der sozialen Medien genussvolles, konzentriertes Musikhören ohnehin nicht mehr zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen.

Wie klein ist heute der Prozentsatz aufgeschlossener Zuhörer, und wie groß der Anteil der nur Geräuschbedürftigen …

Damit bin ich am Ende meines Beitrags über „HiFi-Geräte, die mich prägten“. Sie vermissen in meiner Aufzählung einen bestimmten Vertreter? Natürlich hat mich auch der Plattenspieler Thorens TD 124 geprägt – und wie! Aber die Geschichte lesen Sie ja in SCHWEIZER PRÄZISION …