Elegant: Abtastkombination EPU 100 des Schallplattenkonzerns E.M.I.

Schallplattenlabel, die unter ihrem eingeführten Namen auch HiFi-Bausteine anbieten, waren eine Besonderheit des englischen Marktes. Decca, His Masters Voice, Pye, RCA und auch Electric and Musical Industries (E.M.I) führten Tonarme, Plattenspieler und Verstärker im Programm.

Die Abtastkombination EPU 100 wurde ursprünglich in den Forschungslaboratorien von E.M.I. zur Qualitätsprüfung von Stereo-Schallplatten entwickelt. Tonarm und Pickup erwiesen sich aber als so großer Wurf, dass sich der Musikkonzern entschloss, das integrierte System auch privaten Musikliebhabern zugänglich zu machen.

Der Armsockel des EPU 100 mit Deckel aus massivem Metallguss zeigt den EMI-Schriftzug vor dem Hintergrund einer Weltkarte

1960 führte der Konstrukteur P. P. Pyke auf der Londoner Audio Fair das Vorserienmodell dem Publikum vor. Es dauerte aber noch ein Jahr, bis die hochwertige Kombination in ihrer endgültigen Form im Handel erhältlich war. Als Zielgruppe für das EPU 100 nennt E.M.I. „Audio-Ingenieure und HiFi-Enthusiasten“ in seinem Prospektblatt.

Während die Decca-Tonarme von der kleinen Firma Reid & Sigrist gebaut wurden – eine seit 1954 zu Decca gehörende Tochtergesellschaft – entstand der EPU 100 direkt im Werk von E.M.I. im Londoner Vorort Hayes. Wobei E.M.I. betont, dass alle Anforderungen an eine solche Abtastkombination nur erfüllbar sind, wenn sich Forschung und Produktion an einem Ort befinden.

Vertrieben wurde der Tonarm von E.M.I. in Großbritannien durch Clarke & Smith. Der EPU 100 sei kein komplizierter Tonarm für den Spezialisten, warb die Firma mit Sitz in Wallington südlich von London. Mit etwas Vorsicht könne jeder Laie ihn bedienen

Für knapp 100 Dollar – dem Preis des Thorens TD 124 – wird der EPU 100 von E.M.I. auch in den Vereinigten Staaten angeboten. Importeur ist hier die Scope Electronics Corporation in New York, die auch Vorverstärker, Endverstärker, Tuner, Lautsprecher und Bandgeräte der Schallplattenfirma im Programm hat.

Abbildung aus dem Hersteller-Prospekt des E.M.I.-Tonarms

„Jedes Bauteil dieses Super-Tonarms basiert auf unseren neuesten Entwicklungsergebnissen“, versichert E.M.I. „Strenge Kontrollen bei der Produktion und ausführliche Tests mit hochmodernen Messinstrumenten stellen das Einhalten engster Toleranzen sicher. Die äußere Erscheinung des EPU 100 entspricht diesem technischen Anspruch und macht den Arm zum würdigen Begleiter feinster Audiogeräte.“

Mit dem Decca fffs hat der Tonarm von E.M.I. einige Gemeinsamkeiten:

1. Beide Abtastkombinationen stammen von einem Schallplatten-Hersteller.

2. Arm und Abtaster wurden als Einheit entwickelt. Kein anderer Tonabnehmer passt in den Tonarm, und er lässt sich mit keinem anderen System verwenden.

3. Auch der EPU 100 beinhaltet einen Moving-Iron-Tonabnehmer, der nach dem „Summen-und-Differenz-Prinzip“ konstruiert ist und mit variablem magnetischem Fluss arbeitet.

4. Der Abtastdiamant kann nur vom Hersteller getauscht werden.

5. Mit 19 Pfund kostet der EPU 100 in Großbritannien etwa gleich viel wie der Decca Super Pickup Arm samt Decca ffss.

Im Gegensatz zum Decca ffss aber war der E.M.I.-Tonarm aufgrund seines hohen Preises kein großer Verkaufserfolg – es blieb bei diesem einen Modell.

EPU 100 in Originalverpackung

Lange habe ich nach einem guten Exemplar dieses einpunktgelagerten Arms gesucht. Ganz selten wird mal einer angeboten, dann aber praktisch immer in ungepflegtem, unvollständigem oder verbasteltem Zustand.

Meine lange Suche wurde schließlich belohnt: Ich konnte einen EPU 100 in Originalverpackung erwerben, der offenbar noch nie auf einem Laufwerk montiert worden war

Aufdruck auf dem stabilen Karton mit Oberfläche aus genarbtem Kunstleder

Die Originalverpackung des EPU 100 enthielt sämtliche Unterlagen – auch die mehrseitige Montage- und Bedienungsanleitung war mit dabei

Der unbenutzte Tonkopf mit Nadelschutz befand sich in einem separaten kleinen Karton

Montage auf Thorens-Brett

Den EPU 100 habe ich Peter Feldmann zum Restaurieren und zur fachgerechten Montage auf einem Thorens-Brett gebracht.

Fertig restaurierter Tonarm EPU 100 auf meinem TD 124/II – eine zeitgenössische, auch optisch stimmige Kombination

Zitterpartie bei einem integrierten Arm ist immer die Frage, ob das Abtastsystem nach gut einem halben Jahrhundert noch funktioniert. Doch in diesem wichtigen Punkt gab Feldmann Entwarnung – mehr noch: Der Techniker stellte fest, dass sich in den geräumigen Kopf notfalls sogar ein modernes MM-System einbauen lässt.

Für den Einbau eines Fremdtonabnehmers verwendet Feldmann gern das preiswerte Audio Technica. So auch bei meinem Ronette Fonofluid, in dem ein besser klingendes elliptisches MM-System AT 95-E den ursprünglichen Kristall-Tonabnehmer ersetzt

Für das EPU 100 waren drei durch Mu-Metall geschirmte Köpfe mit Diamantnadel erhältlich – ein weiß gekennzeichneter für Stereo-LPs, ein roter für Mono-Schallplatten und ein grüner für 78er Schellacks.

Mein Tonkopf mit weiß gekennzeichnetem Stiftchen ist die Stereoversion. Die Nadelnachgiebigkeit beträgt hier vertikal 3,5 x 10–6 cm/dyne und lateral 7 x 10–6 cm/dyne.

Der hohe grifflose Tonkopf des EPU 100 hat die ungewöhnliche Form eines Achtecks. Der kleine weiße Stift an der Vorderseite erleichtert punktgenaues Aufsetzen

Der EPU 100 wird durch ein Gewicht hinter der senkrechten Achse ausbalanciert. Verstellen kann man es nicht – die Auflagekraft ist bereits herstellerseitig auf 2,5 Gramm eingestellt.

Die exzentrische Anbringung des Gegengewichts sorgt für die notwendige laterale Balance

Geometrisch ist der Drehtonarm so ausgelegt, dass an den kritischen inneren Bändern einer Schallplatte der Tangentialfehler und damit die harmonischen Verzerrungen am geringsten bleiben.

Das Tonarmkabel führt außerhalb des Sockels zu seinem Fuß hinab – eine damals nicht unübliche Konstruktion

Die Bewegung des einpunktgelagerten Tonarms erfolgt in allen Koordinaten auf einem gehärteten Stahlkonus, der in einem einzigen Lager gehalten und mit Silikonöl hydraulisch gedämpft wird.

Die rote Unterlegscheibe hebt den Einpunkter aus seinem Lager und fixiert ihn während der Montage und des Transports

Den Behälter für das Silikonöl unter dem Sockeldeckel hat Peter Feldmann neu befüllt. Laut Hersteller verhindert die Unterlegscheibe das Auslaufen des Öls während des Transports. Der Techniker rät aber, darauf nicht zu vertrauen und den Arm besser nur senkrecht zu transportieren.

Die Dämpfungsflüssigkeit hat erheblichen Einfluss auf das Abtastverhalten des Tonarms. Auch wenn Selbermacher (Moin!) hier wieder aufheulen: Schon wegen der Konsistenz des Öls und der genauen Einfüllmenge gehört die Restauration des EPU 100 in die Hand eines Fachmanns.

Der am Sockel integrierte Lift ist eine elegantere Lösung als die damals meist verwendeten separaten, auf das Armbrett geschraubten Aufsetzhilfen.

Die Liftbank hat eine gummibewehrte Aufnahme für das Armrohr, die den Tonarm in seiner Ruhelage sicher hält

Laut Hersteller arbeitet auch der Armlift mit dem Silikonöl und ist hydraulisch gedämpft. Bei meinem Exemplar ließ sich das aber nicht nachvollziehen – der Lift ist eindeutig ungedämpft. Dennoch lässt sich die Abtastnadel damit sehr sanft und punktgenau in die Schallrille senken. Fachleute wie Karl Breh von der HiFi-Stereophonie geben dieser Lösung sogar den Vorzug.

Wegen der hohen Nachfrage nach TD 124-Restaurationen lohnt es für Peter Feldmann, die benötigten Armbretter selbst herzustellen. Auch dieses perfekte Exemplar für den EPU 100 stammt aus „Eigenproduktion“

Und wie spielt nun der EPU 100 auf meinem Thorens TD 124/II? – Sehr ordentlich, wenngleich man natürlich keine Klangdarbietung wie die eines modernen Tonarms mit Hochleistungssystem erwarten kann. Die Freude über diesen historischen Fund und die Tatsache, dass der EPU 100 funktioniert und alltagstauglich ist, gleicht das aber mehr als aus.

Die Ausgangsspannung der Abtastkombination ist gering – weshalb ihre Verwendung in Verbindung mit historischen Röhrenverstärkern nicht zu empfehlen ist. Besser geht das mit einem brumm- und rauscharmen Transistorverstärker wie meinem Sony TA-1130.

Doch auch bei dem von 1971 bis 1974 gebauten Verstärkerboliden mit 2 x 50 Watt sinus muss der Lautstärkeregler für hifi-gerechte Lautstärke bis etwa zur Hälfte aufgedreht werden. In dieser Stellung sind Störgeräusche zwischen den Bändern einer Langspielplatte nicht zu vernehmen.

Positive Pressestimmen

„In jedem Ingenieurleben gibt es einige Höhepunkte“, stellt im November 1960 der britische HiFi-Fachmann Stanley Kelly in den Hi-Fi News fest. „Bei mir waren es in den 1930er Jahren das Telefunken-Pickup, nach dem Krieg das Acos-Kristallsystem, an dessen Entwicklung ich beteiligt war, und vor vier Jahren das Decca ffss, das alle anderen Pickups in den Schatten stellte. Zu der Zeit war E.M.I. bei der Stereoaufzeichnung führend, und die Fachleute wunderten sich, warum nicht auch dieser Schallplattenkonzern seine Erfahrung in eine eigene Abtastkombination ummünzte. Mit dem EPU 100 wurde jetzt diese Erwartung erfüllt. Ich hatte das Glück, eines der ersten Exemplare zu testen.“

Typisch englische HiFi-Truhe: Rechts Laufwerk Connoisseur Type B mit Tonarm EPU 100, links Vollverstärker Emisonic 555 von His Masters Voice mit unbekanntem Tuner

Kelly bezeichnet den robusten Tonarm aus Werkzeugstahl mit Oberfläche aus anodisiertem Aluminium als professionelle Lösung ersten Ranges. „Das Warten darauf hat sich gelohnt. Die Wiedergabequalität ist in jeder Hinsicht ausgezeichnet. Ich bezweifele, dass es ein noch besseres Abtastsystem gibt. Würde Alan Blumlein noch leben, wäre er stolz auf diese Errungenschaft.“

In der Musikzeitschrift Gramophone lobt Percy Wilson im Sepetmber 1961 die geringe Skatingkraft, die offenbar der speziellen Dämpfung des Arms zu verdanken ist. „Die Leichtigkeit, mit der alle Vorzüge des EPU 100 erreicht wurden, ist einer der stärksten Argumente für die Entwicklung von Tonarm und Tonabnehmer als Einheit.“

Im gleichen Monat testet die englische Audio & Record Review den EPU 100. Hervorgehoben wird der völlig brummfreie Betrieb der Kombination, die hohe Abtastfähigkeit und der geringe Tangentialfehler. „Ein hochwertiger Tonarm für Stereowiedergabe, der auch den kritischsten Hörer überzeugt.“

In Deutschland bespricht John Gilbert in der Zeitschrift Funk-Technik die Kombination: „Es handelt sich um eine der besten britischen Konstruktionen. Der Frequenzgang ist von 30 bis 20000 Hertz praktisch linear.“