Eleganz und technische Vollkommenheit

SME-Tonarm 3009 der Serie I auf Thorens-Brett: Die Urversion erschien im Herbst 1959 auf dem britischen HiFi-Markt

„Es wird immer HiFi-Freunde geben, die ihre Anlage mit Komponenten der absoluten Spitzenklasse ausrüsten möchten“, schreibt im Januar 1962 die Zeitschrift HiFi-Stereo Praxis, in der es um die Frage des bestmöglichen Tonarms für den Thorens TD 124 geht. Flexibel verwendbare Modelle gebe es nur wenige. Als Musterbeispiel eines guten Universaltonarms wird den Lesern der 3009 von SME vorgestellt.

Startausgabe der HiFi-Stereo Praxis mit dem Testbericht des SME 3009: Von den beiden ersten Jahrgängen der Zeitschrift, die ab Mai 1963 HiFi-Stereophonie hieß, wurden nur jeweils 400 Exemplare gedruckt. Heute tauchen diese frühen Ausgaben auf dem Gebrauchtmarkt praktisch nicht mehr auf. Sehr ungewöhnlich: Das Titelbild mit Braun-Geräten wurde von dem damals noch in Frankfurt ansässigen Hersteller bezahlt

SME wird 1946 unter dem Namen „Scale Model Equipment Company” im südenglischen Steyning gegründet. Erster Betriebszweck ist das Anfertigen hochpräziser Teile für den Modellbau. Später wird der Schwerpunkt auf die Herstellung von Bauteilen für Flugzeuginstrumente und Büromaschinen verlagert.

„SME ist ein kleines Werk, das auf Präzisionsgeräte höchster Qualität spezialisiert ist“, schreibt der englische Journalist John Gilbert in einem Messebericht, der in der Doppelausgabe Mai/Juni 1962 der Zeitschrift HiFi-Stereo Praxis erscheint. „Der Managing Director Alastair Robertson-Aikman betrachtet sein Interesse an Tonarmen mit den Augen eines geübten Präzisionskonstrukteurs wie auch des Mathematikers. Vor einigen Jahren untersuchte er sämtliche verfügbaren Tonarme und kam zum Schluss, dass keines der Modelle seinen Vorstellungen hinsichtlich geringsten Reibungswiderstands, maximaler Verzerrungsfreiheit und größtmöglicher Eleganz entsprach. Der Firmenchef setzte sich zum Ziel, einen Tonarm zu entwerfen, der seinen schwer zu befriedigenden Ansprüchen genügt. Da SME über eine Werkstatt mit den besten schweizerischen, deutschen und britischen Werkzeugmaschinen verfügt, entwickelte Robertson-Aikman einen außergewöhnlichen Tonarm.“

Ende der 1950er Jahre gibt Robertson-Aikman in seiner Metallbaufirma dann den Bau dieses Tonarms in Auftrag. Ziel ist, damit alle am Markt erhältlichen Lösungen technisch zu übertreffen.

SME-Inhaber und Schallplatten-Liebhaber Alastair Robertson-Aikman

Als der Prototyp fertig ist, wird er Fachleuten auf einer Konferenz der Schallplattenindustrie im englischen Seebad Blackpool vorgestellt und anschließend in der Fabrik weiter verbessert.

Bei diesem Vorserienmodell wird die Auflagekraft noch nicht durch den bekannten seitlichen Ausleger mit Zusatzgewicht, sondern direkt am zweiteiligen Gegengewicht erzeugt.

Der hintere Teil des Gewichts und der Ring des Kardanlagers sind durch ein in 0,5 Gramm-Schritten markiertes Röhrchen verbunden. In diesem Röhrchen verläuft eine Zugfeder, deren Spanung nach Ausbalancieren des Tonarms mit der Rändelschraube auf dem Lagerring auf null gestellt wird.

Das Einstellen der Auflagekraft erfolgt nach Einschätzung des SME-Kenners Robert Graetke mit der Rändelschraube am hinteren Teil des Gegengewichts.

Nahaufnahme des SME-Prototyps: Das Liftgehäuse ist hier noch eckig und das Armrohr am Drehpunkt verdickt

Nach Analyse von Techniker Peter Feldmann ruht das Vertikallager des Prototyps noch nicht auf Schneiden: „Es handelt sich um ein justierbares Einpunktlager oder ein Miniatur-Schrägkugellager mit der Möglichkeit, das Lagerspiel einzustellen. In beiden Fällen gibt es einen verstellbaren Lagerstift ähnlich einer kleinen Madenschraube mit präzise geschliffener Spitze, den eine Kontermutter sichert.“

Nachfolgend die Ganzaufnahme des Vorserienmodells:

Im Kasten der Anzeige entschuldigt sich der Hersteller für die versehentlichte Abbildung des Prototyps in der Zeitschrift Gramophone (Heft 10/1959), „die nicht in unserem Einfluss lag“ – und verspricht, in der nächsten Ausgabe das Bild der endgültigen Version nachzuliefern.

Nur dank dieses „Versehens“ des Verlags kann ich das interessante Vorserienmodell hier vorstellen!

Und jetzt die endgültige Version des SME-Tonarms mit dem bekannten seitlichen Ausleger für das Einstellen der Auflagekraft: Die Anzeige erscheint eine Ausgabe später, im Oktober 1959.

Produktionsbeginn 1959

Von dem neuartigen Universaltonarm sind Freunde des Firmenchefs in der Musikbranche derart begeistert, dass in Steyning die Entscheidung zu einer vorsichtigen Serienproduktion fällt. Die ersten Exemplare erscheinen im Herbst 1959 auf dem britischen Markt.

Diese Tonarme, deren Wochenproduktion nicht mehr als 25 Exemplare erreicht, werden noch aus individuell angefertigten Bauteilen zusammengefügt. Das ist auch der Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen in sein heutiges Gebäude in der Mill Road umzieht und den Firmennamen auf SME Limited verkürzt.

SME-Werk im Marktflecken Steyning in den frühen 1960er Jahren

„Neue Entwicklungen in der Schallplattentechnik wie die Einführung der Stereo-Wiedergabe haben Tonabnehmer hervorgebracht, die immer höheren Anforderungen genügen“, stellt SME im Prospekt des neuen Modells fest. „Den Tonarmen der Plattenspieler wird dagegen weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese die Musikwiedergabe in starkem Maße beeinflussen.“

Originalprospekt der SME-Modelle 3009 und 3012 aus dem Jahr 1959

„Viele hochwertige HiFi-Anlagen werden mit ausgezeichneten Pickups an Tonarmen vergleichsweise einfacher Konstruktion betrieben. Einige von ihnen benötigen eine Kraft von nicht weniger als drei Gramm, um sie aus der Ruhelage zu bringen.“

Ein guter Tonarm soll nach dem Maßstab von SME den Tonabnehmer so über die Schallrille halten und führen, als ob er selbst nicht existieren würde. Dazu muss er selbst so reibungsfrei wie möglich gelagert sein.

Für die Bewegung des SME-Tonarms um seine senkrechte Achse sorgen Kugellager. Die waagerechte Lagerung ist in Form von zwei gehärteten, exakten Stahlschneiden ausgeführt, die wie bei chemischen Analysewaagen in V-förmigen Widerlagern ruhen.

Dem Ausgleich aller auf den Tonarm wirkenden Kräfte dient ein wohldurchdachtes System von drei Gewichten. Die hintere Sektion des zweiteiligen Gegengewichts ist auf dem Armrohr nicht verschiebbar

Die kardanische Aufhängung des Tonarmrohrs ähnelt im Prinzip derjenigen der Ortofon-Tonarme RMG 212 und RMG 309. Bei ausbalanciertem Tonarm wird an der Nadelspitze des Tonabnehmers eine Kraft von lediglich 0,02 Gramm benötigt, um den SME in seiner Lage zu verändern.

Um Eigenschwingungen des in verchromter Stahlausführung schon sehr starr gebauten SME-Tonarms noch zu verringern, ist das Innere seines Rohres mit einer Gussmasse gefüllt.

Auffällig am SME der Serie I gegenüber den Versionen der Serie II ist die allgemein schwerere Ausführung und die dickere Grundplatte

Lieferung in zwei Längen

Der neue Universaltonarm wird in zwei Dimensionen geliefert: Das kurze Modell mit einer wirksamen Länge von 214 Millimeter trägt die Bezeichnung SME 3009. Die überlange Variante mit 304 Millimeter effektiver Länge, für das Abspielen von 16-Zoll-Schallplatten in Ton- und Rundfunkstudios gedacht und wegen des geringeren Tangentialfehlers vom Hersteller auch für den Heimbereich empfohlen, heißt SME 3012.

Studiotonarm SME 3012 der Serie I: Der Marktwert dieser international gesuchten langen Ausführung in obigem Zustand liegt heute bei 3000 Euro

Tonkopf von Ortofon

Die Urversion des SME ist für die Verwendung mit dem damals weltbeste Tonabnehmersystem, dem Ortofon SPU, entworfen worden. Der schwarze Tonkopf mit SME-Logo entspricht vom Design her genau dem länglichen „G“-Modell des dänischen Herstellers.

Der heute selten anzutreffende geschlossene Bakelit-Tonkopf mit SME-Firmenzeichen wird von Ortofon als Auftragsfertigung produziert

Interessant an der Urversion des SME ist die Möglichkeit, den Steckerkontakt in der Überwurfmutter des Armrohrs um 45 Grad zu drehen und damit auch Tonköpfe mit Kontaktstiften nach EMT- und ESL-Norm verwenden zu können.

Nur die Tonarme der ersten Serie verfügen über den drehbaren Kopfanschluss – der den professionellen Anspruch unterstreicht. Die Serie II-Tonarme weisen diese praktische Eigenschaft nicht mehr auf

Erster Tonarm mit integriertem Lift

In seiner Ruhelage wird der Tonarm von einer Halterung mit einem Sicherheitsbügel aufgenommen, der hier noch aus Stahl, später aus Kunststoff besteht.

Der SME ist 1959 das erste Modell mit einem integrierten Armlift. Bisher mussten Tonarme entweder mit der Hand auf die Schallplatte gesetzt oder mit einem separaten Armlift bedient werden.

Das Absenken auf die Schallplatte geschieht über eine pneumatisch gedämpfte Aufsetzvorrichtung mit einem Hebel, der an seinem Ende eine schwarze Kugel als Griff trägt. Die späteren SME-Arme haben einen stromlinienförmigen schwarzen Griff

„Herrlich zu bedienen“, schwärmt die HiFi Stereo-Praxis von dieser praktischen Einrichtung. „Auch Amateure mit ungeschickten Händen dürften damit keine Gelegenheit mehr haben, Schallplatte oder Abtastspitze zu beschädigen.“

Ergänzung um Driftausgleich

Beim Abspielen einer Schallplatte entsteht durch die Reibung zwischen der Abtastspitze und den Rillenflanken eine Kraft, die den Tonabnehmer in Laufrichtung der Platte zu ziehen sucht. Wegen der notwendigen Abwinkelung eines Drehtonarms an seinem vorderen Ende verursacht diese Kraft ein Bestreben des Arms, zur Plattenmitte hin zu wandern.

Bereits ab 1961, zwei Jahre nach der Markteinführung, liefert SME als Zubehör eine Ausgleichsmöglichkeit „für extreme Anforderungen“, so die Zeitschrift fono forum.

Der vom britischen HiFi-Journalisten John Crabbe 1960 erstmals beschriebene und von SME adaptierte „Bias Adjuster“ ist an dem Tonarm als kleiner Bügel für eine Nylonschnur mit angehängtem Gewicht zu befestigen. Er sorgt für eine genau definierte Gegenkraft, um den beschriebenen Effekt auszugleichen.

Je nach Auflagekraft des Tonabnehmers im Bereich zwischen 1,5 und 4,5 Gramm hängt man den Nylonfaden in eine der vier Kerben des Bügels. Der Clip ist heute ein gesuchtes Ersatzteil. Techniker Peter Feldmann gelang ein Nachbau, der vom Original nicht zu unterscheiden ist

„Diese Kompensation“, erklärt fono forum, „ist besonders für Stereo-Wiedergabe wichtig, um eine absolute Gleichwertigkeit der Abtastung beider Rillenflanken zu erreichen. Derartig justiert, kann der Tonarm selbst bei einer Neigung des Plattenspielers von 30 Grad gegen die Waagerechte noch einwandfrei abspielen.“

John Crabbe ist Erfinder der Antiskating-Einrichtung am SME-Tonarm

Der SME ist Anfang der 1960er Jahre der erste Tonarm mit einem solchen Antiskating. Seine einfache, mit Bügel, Faden und Gewicht arbeitende Einrichtung wird zum Vorbild zahlreicher ähnlicher Lösungen bei Armen von Thorens, Lenco und anderen Herstellern.

Vom Start weg Verkaufserfolg

Den SME-Tonarm umgibt ein gewisses Flair funktionsbedingter technischer Eleganz. Und er verrät in allen Einzelheiten die Solidität der Verarbeitung.

Es wundert daher nicht, dass der englische Hersteller schon innerhalb der ersten drei Jahre nahezu 15000 SME-Tonarme verkaufen kann – obwohl sie fast so viel kosten wie mancher komplette HiFi-Plattenspieler.

Zum Verkaufserfolg tragen auch die überaus positiven Testberichte bei:

„Man könnte stundenlang vor dem Arm sitzen und ihn tätscheln“, äußern sich die HiFi-Journalisten Donald W. Aldous und David Phillips von der Zeitschrift Gramophone Record Review begeistert, als der SME der Fachpresse vorgestellt wird.

„Die horizontale und vertikale Lagerreibung beträgt weniger als ein Zehntel anderer von mir getesteter Tonarme, selbst solcher für den professionellen Einsatz“, äußert sich der Testredakteur der Gramophone befriedigt.

In Frankreich stellt die Fachzeitschrift Revue du Son im Dezember 1960 die sensationellen neuen Tonarme aus Großbritannien ihren Lesern vor. In Italien druckt das Magazin Alta Fedeltà den französischen Beitrag, in die Landessprache übersetzt, im Oktober 1961 nach.

Zeitweise bestehen bei den Tonarmen sogar Lieferengpässe: „Die Nachfrage ist sehr lebhaft und der Arm kein Massenprodukt“, entschuldigt SME die Situation. Wobei die Modelle 3009 und 3012 in allen britischen HiFi-Magazinen regelmäßig beworben werden.

SME-Anzeige in der Zeitschrift Hi-Fi News im Dezember 1962

In den Vereinigten Staaten sind die SME-Tonarme – bevor 1963 Shure dort den Vertrieb übernimmt – von der Importfirma „Lectronics of City Line Center Inc.“ in Philadelphia erhältlich. Lectronics führt auch die Erzeugnisse von Quad – den Vorverstärker 22, die Endstufen II und den elektrostatischen Lautsprecher ESL 57 – nach den USA ein.

Vertrieb über Klavierhaus

Erste Deutschland-Vertretung von SME ist der HiFi-Import Döll. Das 1957 von Dr. Alfred Döll in Hannover neu gegründete, ursprünglich im mitteldeutschen Halle beheimatete Klavierhaus Döll unterhält seit 1961 eine Abteilung für HiFi-Produkte aus England.

Anzeige von Döll zur Industriemesse Hannover 1961

Verstärker und Tuner von Rogers und Radford, Plattenspieler, Tonarme und Tonabnehmer von SME, Connoisseur und Decca sowie Lautsprecher von Tannoy und KEF umfasst das anspruchsvolle Importprogramm.

Der Preis für den SME 3009 beträgt damals in Deutschland stolze 306 DM. Der überlange SME 3012 steht mit 340 DM in der Preisliste. Importeur in der Schweiz ist der Züricher HiFi-Großhändler Egli, Fischer & Co.

Eine Anzeige schaltet Döll erst 1962 für den SME 3012 der Serie II – hier mit Adapter und Decca ffss-Tonkopf

Spielpartner für Thorens TD 124

Unterstützt wird der SME-Verkauf auch in Deutschland durch die überaus positiven Testberichte:

Die HiFi-Stereo Praxis schreibt: „Der SME-Tonarm lässt an Eleganz der Erscheinung so wenig zu wünschen übrig wie an technischer Vollkommenheit.“ Gleicher Meinung ist das Konkurrenzmagazin fono forum: „Ein Tonarm mit allen Schikanen.“

Mit seinen zahlreichen Raffinessen bietet sich der SME-Tonarm für den Thorens TD 124 als ebenbürtigen Spielpartner geradezu an. Wer immer nach Schallplatten-Wiedergabe in höchster Vollendung trachtet, entscheidet sich für diese Lösung – die den Preis des Spielers mit passendem Tonabnehmer allerdings auch über die damals kaum vorstellbare Schwelle von 1000 DM treibt.

Ein Thorens TD 124 mit SME-Tonarm weist seinen Besitzer als absoluten HiFi-Kenner aus.“

Der Meinung ist auch der Hersteller selbst: In Anzeigen und in den Bedienungsanleitungen bildet das Unternehmen seinen Hochleistungsarm stets in Verbindung mit dem Thorens TD 124 ab – obwohl die Kombination mit dem heimischen Garrard 301 eigentlich näher läge.

Die Bedienungsanleitung des Serie I-Tonarms ist heute gesucht

Preisgekröntes Design

Der SME-Tonarm heimst nicht nur hervorragende Presseberichte ein. Er ist auch Träger eines angesehenen britischen Designpreises.

Qualitätssiegel des London Design Center: Mit dem Prädikat für gutes Industriedesign wurde der SME-Tonarm 1962 ausgezeichnet

Den Preis für eines der zehn am besten gestylten britischen Industrieprodukte nahm SME-Inhaber Alastair Robertson-Aikman (rechts) aus der Hand von Prinz Philip, Herzog von Edinburgh und Gemahl von Königin Elisabeth, in Empfang

Wer heute die Urversion des SME 3009 oder gar des SME 3012 sein Eigen nennt, kann sich glücklich schätzen. Und wer den preisgekrönten Tonarm so belässt wie er ist, beweist Sinn für Ästhetik.

Die Tonarme der Serie II werden gern mit angeblich klangsteigernden Bronze-Teilen für Basis und Messerlager ausgestattet – als ob SME nicht selbst wüsste, wie man einen guten Tonarm konstruiert. Der durch die Tuning-Maßnahmen entstehende „Rolex-Look“, der dem Grundgedanken des SME-Designs widerspricht, stört Highend-Freunde nicht.

Das Verwenden fremder Tonköpfe am SME, mit Ausnahme des Ortofon SPU, ist ebenfalls kein Tabu – selbst bei der ultrararen Erstversion: Das folgende Bild zeigt einen SME 3012/I am EMT-Rundfunkspieler R 80 mit abstoßendem Headshell-Gebilde. Auch hier hat der Besitzer seinen SME als Gesamtkunstwerk nicht verstanden.

Zum Vergleich ein stimmiger SME 3012/I mit dem originalen Bakelit-Tonkopf :

Schlankheitskur für die Serie II

Nach der Markteinführung des SME-Tonarms erreichen den Hersteller von privaten und professionellen Anwendern zahlreiche Vorschläge für Verfeinerungen und Verbesserungen. Diese werden in der Fabrik sorgfältig registriert, analysiert und in praktischen Versuchen bewertet.

Alastair Robertson-Aikman und sein Mitkonstrukteur Jack Watkinson, seit 1960 bei SME, entwickeln ebenfalls Ideen zur Optimierung. Als Ergebnis aller Überlegungen erscheint im Juli 1962 der verbesserte Tonarm der Serie II.

SME-Tonarm der Serie II – zunächst noch mit dem Bakelit-Tonkopf des Urmodells: Auffälligstes Merkmal ist die geänderte Aufnahme für die vertikalen Schneidenlager. Der rückwärtige Bügel für das Antiskating-Gewicht ist nun in die Lageraufnahme integriert und bietet einen größeren Einstellbereich als der nachträglich anzubringende Clip

Die Grundprinzipien des SME-Tonarms bleiben bei der Serie II unverändert – ein sicheres Zeichen der von Anfang an soliden Konstruktion. Kennzeichnend für die weiter entwickelte Ausführung ist eine allgemein leichtere Bauweise – die auch die Eleganz des Arms noch steigert.

Für die Tonarme der Serie II wird 1962 der modernere SME-Tonkopf S. 3 aus Metall eingeführt. Er ist heute wesentlich seltener als die übliche gelochte Ausführung

1963 erregt der SME-Tonkopf S. 2 das Aufsehen der Fachwelt. Mit seinen nahezu 120 Lochungen wiegt dieser Kopf für moderne Tonabnehmer mit hoher Compliance nur noch sechs Gramm. Der S. 2 entwickelt sich am SME bald zum Standard

Das Geheimnis um „Shure SME“

1963 kommt es bei SME zu zwei wichtigen Änderungen im Auslandsvertrieb:

In den Vereinigten Staaten übernimmt Shure die Vertretung der SME-Tonarme – auch im Hinblick auf die Entwicklung des neuen Spitzentonabnehmers Shure V-15, der nach einem besonders hochwertigen Arm verlangt.

In Prospekten und Datenblättern führt der Hersteller aus Evanston im Bundesstaat Illinois die englischen Modelle 3009/3012 sowie die eigenen Typen M 222 / M 226 und M 232 / M 236 unter dem Oberbegriff „Shure-Tonarme“ auf und spricht von den Tonarmen Shure SME sowie Shure Dynetic und Shure Professional.

Die amerikanische Bezeichnung des SME-Tonarms ist der Grund für den auf den ersten Blick verwirrenden Doppelnamen Shure SME auf den Tonköpfen

Doch nicht nur die SME-Tonköpfe tragen die Aufschrift „Shure SME“ – die gleiche Bezeichnung findet sich am Sockel der in den USA verkauften SME-Tonarme.

In Deutschland übernimmt 1963 die Braun AG den Vertrieb der Tonabnehmer und Tonarme von Shure und SME. Auch im Gesamtkatalog der Kronberger wird der englische Tonarm als „Shure SME“ bezeichnet

Den hauseigenen Plattenspieler PCS 5 mit seinem auffällig hohen Teller wertet Braun durch den Shure SME-Tonarm auf. Diese gesuchte Spezialversion trägt die Bezeichnung Braun PCS 52

Gut vier Jahre verbleibt der SME-Vertrieb bei der Braun AG. Als der US-Rasierklingenhersteller Gillette – dessen vornehmliches Interesse dem Braun Rasierer „Sixtant“ gilt – das Unternehmen 1967 übernimmt, wird in Kronberg die Konzentration auf Kernaufgaben verlangt.

Der Bereinigung des Portfolios fällt das SME-Programm zum Opfer. Auch bei verlustbringenden Aktivitäten wie der ELA-Anlage für HiFi-Wiedergabe in großen Räumen, von der nicht mal 100 Exemplare abgesetzt werden, treten die Amerikaner auf die Bremse.

1968 übernimmt Paillard-Bolex in München die SME-Vertretung – speziell im Hinblick auf das Angebot eines Spitzentonarms für das neue, elektronisch gesteuerte Laufwerk Thorens TD 125.

Anzeige zur ersten deutschen HiFi-Messe 1968 in Düsseldorf