Thorens TD 124 mit Automatik

In den Vereinigten Staaten ist der Thorens TD 124 nach seiner Einführung 1957 auf Anhieb ein großer Markterfolg. Was sich an den vielen Laufwerken mit noch vierstelliger Seriennummer ablesen lässt, die dort bis heute in Betrieb sind.

Dass der TD 124 bei all seinen Qualitäten keine Schallplatten wechselt, empfinden Amerikaner als Manko. Auch in Deutschland – wo Plattenwechsler damals weit verbreitet sind – fragt sich mancher Interessent, warum der Thorens TD 124 bei seinem hohen Preis nicht die Bequemlichkeit einer Automatik bietet.

Schließlich gibt die Thorens-Vertretung ELPA in New Hyde Park bei New York den Anstoß zu einer Wechslerversion des Thorens TD 124, für die in den USA gute Marktchancen gesehen werden.

Aus dem erfolgreichen Thorens TD 124 einen herkömmlichen vollautomatischen Plattenwechsler abzuleiten kommt für den Entwicklungschef Louis Thévenaz aber nicht in Frage – sind doch dessen Nachteile zu offensichtlich:

Manuelle Laufwerke haben nur die Aufgabe, eine Platte absolut gleichmäßig und ohne Störgeräusche zu drehen. Automatische Spieler haben zwei weitere, nämlich den Tonarm zu bewegen und die Schallplatten zu wechseln – mit negativen Folgen für die Musikwiedergabe.

Bei Wechslern wirken hohe mechanische Kräfte

Die Steuerung der Wechselautomatik erfordert vom Tonarm hohen Auflagedruck auf die Schallplatte – entsprechend groß ist der Plattenverschleiß Wechsler mit Kristallsystem sind regelrechte Plattenkiller

Weil sich bei Wechslern die Tellerachse nicht mitdreht, kann sich bei Schallplatten das Mittelloch ausweiten

Bei Wechslern müssen die Hersteller für den Anstellwinkel des Tonarms einen klanglich ungünstigen Kompromiss eingehen

Ein Dilemma – das mancher Vinylfreund in den USA durch den Betrieb zweier Plattenspieler in seinem Wohnraum löst.

Links ein Wechsler Garrard RC-88 für das Spielen von Platten mit Tanzmusik, rechts ein Laufwerk Rek-O-Kut LP-743 mit Tonarm Gray 106-SP für das Einzelspiel von Klassik-Schallplatten

Die gravierenden Nachteile der Plattenwechsler will Louis Thévenaz bei seiner ehrgeizigen Konstruktion nun vermeiden.

Für den geplanten Wechsler übernimmt Thévenaz die bewährte Antriebstechnik des TD 124. Darauf baut ein Wechselmechanismus auf, der mehr einem komplexen Uhrwerk als einem Abspielgerät für Schallplatten gleicht und völlig anders als bei allen anderen Wechsler-Designs funktioniert.

Der Wechsler TD 224 mit dem Beinamen „Masterpiece“ fand seine Abnehmer hauptsächlich in den USA. Das Manual war englisch abgefasst – diese Version in deutscher Sprache ist eine Rarität

Beim Thorens TD 224 lagern die Platten nicht wie bei herkömmlichen Wechslern über dem Teller, sondern auf einem Stapel zu seiner linken Seite. Der Stapel belastet dadurch den Plattenteller und sein Lager nicht. Es liegt also immer nur eine Schallplatte auf dem Teller. Das hat gleich zwei Vorteile:

Erstens tastet der Tonabnehmer immer in gleicher Höhe und in gleichem Winkel ab. Zweitens reiben die empfindlichen Vinyl-Oberflächen nicht aneinander – was bei einem konventionellen Wechsler regelmäßig dann passiert, wenn eine abzuspielende Platte auf den sich drehenden Stapel bereits abgetasteter Scheiben fällt.

Ebenfalls selten: Der von Thorens in Deutsch herausgegebene Wechsler-Prospekt

„Keine Verzerrung, keine Überbeanspruchung, keine Schwankungen“, preist Thorens die Vorzüge des einmaligen Konzepts:

„Stellen Sie sich einen sanft und doch sehr präzise arbeitenden Schwenkarm vor, der von einem Stapel eine einzelne Schallplatte nimmt und sie vorsichtig über dem Plattenteller positioniert. Der Tonarm schwenkt zur ihr hin, der Tonkopf tastet mit einem an seiner Innenseite angebrachten Bügel ihren Durchmesser ab. Danach fällt die Platte auf den Teller, der Tonarm senkt sich auf sie herab und findet automatisch die Einlaufrille. Beim Erreichen der Auslaufrille löst der Wechselmechanismus aus. Der Schwenkarm hebt die Platte vom Teller und platziert sie seitlich auf einem niedrigeren, durch eine Gummifläche gepolsterten Stapel. Dann bewegt er sich wieder auf den oberen Stapel mit den noch nicht gespielten Schallplatten zu, hebt eine davon ab und beginnt von neuem mit der Prozedur. Nach dem Abspielen der letzten Schallplatte kehrt der Arm in seine Ruheposition zurück, das Laufwerk schaltet sich ab.“

Bis zu acht Schallplatten jeden Durchmessers zwischen 17 und 30 cm auf einem Stapel von maximal 2 cm Höhe lassen sich mit dem Thorens TD 224 automatisch abspielen ─ vorausgesetzt Drehzahl, Rillenform (Mikro- oder Normalrille) und Lochdurchmesser sind gleich.

Eine Bildfolge visualisiert den eleganten Vorgang des Plattenwechselns:

Eine anschauliche grafische Darstellung des Wechselvorangs mit Funktionsbeschreibung findet sich in einer Zeitschrift aus der Schweiz. RADIORAMA – herausgegeben von Johannes Gutekunst aus Rupperswil – ist eine Publikation, die Thorens allerdings nur am Rand behandelt und sich vorwiegend funkhistorischen Dingen widmet.

Schema des Plattenwechselns im Online-Magazin RADIORAMA

Die auf dem TD 224 aufgebrachten Zahlen von eins bis sechs beziehen sich auf die obigen Erläuterungen

Weitere Besonderheiten

Das Abspielen von Singles und Extended Plays mit großem Mittelloch ist für den Wechsler kein Problem: Dazu muss vorher lediglich das Zentrierstück an der Halterung des oberen Plattenstapels in die entsprechende Position gebracht und der Puck des Plattentellers aktiviert werden.

Schema des variablen Zwischenstücks (links Stellung für LPs, Mitte Position für Singles mit großem Loch) sowie vom versenkbaren Puck des Plattentellers (rechts)

Danach befördert der Transportarm die Kleinplatten sicher auf den Teller und nach dem Abspielen auf die Ablage zurück. Um Störgeräusche in den Lautsprechern zu vermeiden, werden die Tonleitungen während der Wechselvorgänge kurzgeschlossen.

Links das variable Zentrierstück. Rechts die patentierte Reinigungsvorrichtung am Transportarm mit weinroter Samtlippe nach dem Prinzip von Cecil E. Watts (Erfinder des „Dust Bug“)

Ein vorzeitiger Abbruch des Automatikbetriebs ist möglich. Ebenso können während des Spielvorgangs Schallplatten vom Stapel genommen oder neue hinzugefügt werden.

Außerdem interessant – und weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber Geräten der deutschen Phonoindustrie: Die Geschwindigkeit des Wechselmechanismus ist immer gleich – egal, mit welcher Plattendrehzahl der TD 224 gerade arbeitet.

Bei Handbedienung arbeitet der Wechsler auch als rein manueller Plattenspieler. Dabei bleiben Tonarm und Pickup von der Automatik unbeeinflusst.

Den Studiotonarm BTD-12 S – hier voll automatisiert – übernimmt der Wechsler vom Einzelspieler Thorens TD 124

Der Arm besitzt „niedrigste Trägheit und garantiert genaues Abtasten selbst unebener Schallplatten sowie geringfügigste Platten- und Nadelabnutzung“, versichert Thorens. „Sein senkrechter Abtastfehler ist ebenso minimal wie beim professionellen Plattenspieler. Auch hochwertige Tonabnehmer lassen sich verwenden.“

Der Tonkopf des Wechslers hat als Besonderheit einen seitlichen Sensor zum Abtasten des Platten-Durchmessers – heute ein gesuchtes Ersatzteil. Techniker Peter Feldmann gelang von dem Sensor für einen US-Kunden eine perfekte Kopie

Steuerung über zweites Reibrad

Konstruktionsbedingt weist der Wechsler gegenüber dem Einfachspieler TD 124 nicht nur äußerlich, sondern auch technisch erhebliche Abweichungen auf.

Beim TD 224 dient der Motor E 50 auch zur Steuerung der Automatik. Über ein zweites Reibrad, das seine Kraft von der obersten Ebene des Stufenantriebsrads bezieht, wird der Wechselmechanismus aktiviert

Ein System aus Zahnrädern, von denen das erste in den kleinen Zahnkranz unterhalb dieses Gummirades eingreift, sowie Hebeln und Federn setzt sowohl den Arm für den Plattentransport als auch den Tonarm in Bewegung.

Ein Gestänge verändert – schon passen fünf andere Teile nicht mehr zusammen: Die von Louis Thévenaz ersonnene Mechanik unter dem Chassis ist äußerst kompliziert

Aufwendig: Kugellager an der Achse des Transportarms

Die zusätzlichen Teile benötigen unter dem Chassis entsprechenden Platz. Der TD 224 verfügt deshalb nicht über das starke Hauptlager des TD 124, sondern das kompaktere Lager von TD 121 und TD 135 mit nur 10 Millimeter Achsdurchmesser.

Der Schacht des Leuchtstroboskops muss bauartbedingt etwas nach links verlegt werden. Die Gummiauflage des Plattentellers trägt bei frühen Exemplaren ein Sternenmuster. Manchem Liebhaber gefällt dieses Design von allen drei Thorens-Matten am besten

Das Schaltfeld des Thorens TD 224 hat gegenüber dem TD 124 eine leicht veränderte Form

Der zweiteilige Plattenteller des TD 124 macht bei einem Wechsler keinen Sinn. Der Teller des TD 224 ist deshalb einteilig.

Wie bei den Thorens-Modellen TD 121 und 135 besteht dieser Teller aus Zinkspritzguss und hat ein Gewicht von 3,5 Kilogramm. Stroboskopische Geschwindigkeitskontrolle des viertourigen TD 224  ist nur bei 33 ⅓ und 45 U/min möglich.

Halbrechts am Chassis der Umschalter zwischen manuellem und automatischem Betrieb. Mancher Vinylfreund meint, der Hebel sei zur Bedienung der Tellerkupplung da – die der Thorens TD 224 nicht hat

Ablösung bisheriger Denkmuster

„Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass für hochwertige Schallplattenwiedergabe ein Plattenspieler mit ‚Transcriptor‘-Qualitäten benötigt wird“, schreibt Clement Brown 1963 in einem Beitrag über den Thorens TD 224 in der britischen Zeitschrift Records & Recording. „Ihre solide Konstruktion und professionelle Eigenschaften garantieren Zuverlässigkeit, konstante Umdrehungsgeschwindigkeit und Rumpelfreiheit.

Viele Musikliebhaber seien bereit, für solche Vorteile entsprechend zu zahlen:

„Es macht ihnen überhaupt nichts aus, ihre Schallplatten einzeln abzuspielen und den Tonarm mit Vorsicht selbst zu bedienen. Sie lehnen Plattenwechsler ab, die – obwohl nützlich in der Funktion, für die sie gebaut wurden – eine Reihe von Nachteilen aufweisen, die hochwertiger Musikwiedergabe entgegenstehen.“

Anzeige zur jährlichen Londoner Audiomesse: Ab 1964 vertreibt der britische Importeur Metro Sound das Meisterstück in England

„Jetzt aber“, so Brown, „hat eine Entwicklung eingesetzt, die solche Denkmuster in Frage stellt.“ Der große Thorens-Wechsler kombiniere die Vorteile beider Gattungen – ohne deren Nachteile aufzuweisen.

So blieben in der Familie Konflikte erspart: Während die junge Generation beim Abspielen von Singles mit Schlagern die Vorteile der Automatik auskosten könne, biete sich den Erwachsenen bei Langspielplatten mit ernster Musik die Möglichkeit manuellen Betriebs.

Brown stellt fest, dass die Qualitäten des Thorens TD 124 bei der Wechsler-Version praktisch erhalten bleiben. Der TD 224 besitze die gleiche Präzision, Robustheit und Liebe zum Detail. Die zusätzlichen Komponenten seien von professionellem Standard und ihre Funktionsweise äußerst plattenschonend.

Dann wird der Tester fast lyrisch:

„Die Geschmeidigkeit des Mechanismus’, die technische Überlegenheit der Maschine sind beinahe unheimlich. Man ist davon bereits fasziniert, bevor man für einen Hörtest den Tonabnehmer eingebaut hat. Ich stelle mir schon die Begeisterung auf der nächsten Audiomesse vor – über das genialste Gerät, das die Welt der Schallplattenspieler je gesehen hat.“

Ein stets interessantes Angebot an Vintage-Geräten unterhielt der verstorbene HiFi-Händler Matthias Thelen. Hier präsentiert Karin Thelen den unverkäuflichen Thorens TD 224 im Wuppertaler Laden

Begeistert vom „Finale“

Kaum weniger euphorisch gibt sich Ralph West im britischen Magazin Hi-Fi News:

„Der Name Thorens ist allgemein anerkannt und der TD 124 einer der besten, wenn nicht der beste Plattenspieler auf dem Weltmarkt. Mancher Musikliebhaber mag die Augenbrauen hochziehen, wenn er erfährt, dass der TD 224 ein Plattenwechsler ist. Er wird aber aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, wenn er sich dem Gerät nähert und die Automatik de luxe in ihrer Funktion erlebt.“

Begeistert ist West vor allem von dem „Finale“, nachdem der TD 224 die letzte Schallplatte abgespielt und der Transportarm sie zurück auf den unteren Stapel befördert hat:

„Der Arm schwenkt dann hinüber zum Teller und wartet dort auf den abgehobenen Tonarm – der sich tatsächlich auf ihn zubewegt. Er scheint ihm zuzuflüstern, dass die Arbeit erledigt ist. Worauf der Arm auf die Stütze zurückkehrt, während die Samtlippe die Gummimatte des Tellers säubert. Der Transportarm wendet sich hinüber zum Stapel der abgespielten Schallplatten. Er teilt ihnen mit, dass keine weiteren kommen. Schließlich begibt er sich ebenfalls in seine Ruheposition und schaltet den Wechsler ab.“

Dieser Vorgang sei notwendig, um eine Sequenz zu vervollständigen und für den nächsten automatischen oder manuellen Betrieb bereit zu sein.

Nicht nur in Großbritannien fand der TD 224 Abnehmer: Garantiekarte eines am 22. Oktober 1965 in Léopoldville verkauften Wechslers. Die Hauptstadt des Kongo trägt heute den Namen Kinshasa

Auch das britische Magazin Gramophone widmet sich im Mai 1964 dem Thorens-Wechsler aus der Schweiz.

Autor Geoffrey Horn bezeichnet es als ein Wunder, dass ein einziger E 50-Motor in der Lage ist, nicht nur den schweren Plattenteller anzutreiben, sondern auch noch den ganzen komplizierten Mechanismus des wuchtigen Wechslers zu steuern.

Ebenso bemerkenswert findet Horn, dass der TD 224 die Schallplatten mit einem Tonabnehmer Shure M 44-5 am automatisierten Tonarm BTD 12-S bis herab zu einem Gramm Auflagekraft sicher abtastet, obwohl der konservative Hersteller mindestens 3,5 Gramm empfiehlt.

Sein abschließendes Urteil:

„Eine bemerkenswerte Maschine, perfekt in jedem Detail. Faszinierend war festzustellen, mit welcher Leichtigkeit all die Nachteile bisheriger Wechsler dank der Ingenieurkunst und der Präzisionsfertigung der Firma Thorens vermieden werden konnten – zu einem zugegebenermaßen stolzen Preis.“

„Tiefstapelnder Plattenroboter“

In Deutschland befasst sich keine HiFi-Zeitschrift näher mit dem Thorens-Wechsler. Der HiFi-Stereophonie ist die Markteinführung lediglich eine Kurzmeldung wert.

Doch im damals viel gelesenen „Hobby“-Magazin erscheint 1964 unter dem Titel „Plattenroboter stapelt tief“ ein größerer Beitrag für Otto Normalverbraucher, der sogar aus der Feder eines Fachjournalisten stammt.

Gedankenversunken lauscht diese junge Dame der Musik von einem Thorens-Wechsler TD 224. Im Hobby-Magazin heißt es: „Die Traummaschine für den Stereofreund konstruierten Spieldosenmacher von Ste. Croix“

„Fünf Jahre lang hatten im hoch gelegenen Gebirgsstädtchen Ste. Croix im Schweizer Jura die Techniker der Thorens S.A. – seit Generationen geschult, mit erfahrenen Uhrmacherhänden klangvoll tönende Spieldosen zu bauen – an der Vervollkommnung einer Wechselmaschine für die anspruchsvollsten unter den Musikfreunden herumexperimentiert.“

Das wortreiche Statement stammt von Ernst Pfau – der neben seinem Amt als erster Chefredakteur der HiFi-Stereophonie publizistisch öfters fremdgeht. Und weiter:

„Sie hatten sich das Ziel gesteckt, ein perfektes Gerät zu entwickeln, stammte doch aus ihrer Werkstatt bereits der berühmte Thorens-Plattenspieler TD 124, den die Fachleute vielfach als den besten Plattenspieler der Welt ansehen. An dieses Vorbild hat man sich in Ste. Croix natürlich auch beim TD 224 gehalten.“

Die Zeitschrift Hobby erschien ab 1953 im Stuttgarter Ehapa-Verlag. Sie war in einem zukunftsgläubigen, technikverliebten Stil geschrieben

„Ein schweres Gusschassis“, so Pfau, „bildet das solide Gerüst des neuen Geräts. Von den 11 Kilogramm, die es insgesamt wiegt, entfallen allein 3,5 Kilogramm auf den Plattenteller aus Spritzguss. Seinem Gewicht verdankt der Wechsler die Laufkonstanz. Die zentimeterdicke Achse ist mit der Genauigkeit einer Motorkurbelwelle auf Hochglanz poliert.“

Dann geht dem Autor der Gaul etwas durch, wenn er schreibt, dass diese Achse „von einer Nylonkugel abgestützt“ wird. Als „ausgesprochen sensationell“ beschreibt der Chefredakteur den Wechselmechanismus:

„Hier gibt es keinen unsicher über dem Teller schwebenden Plattenberg mehr und auch keine Anhäufung der abgespielten Platten auf dem Teller, die den Tonarm zwingt, allmählich in schwindelnde Höhen zu klettern. Will man den Arm von der Automatik befreien, so genügt ein einfacher Hebeldruck. Genau wie beim Studio-Einzelspieler kann man dann auf Handbedienung übergehen.“

Hoher Preis, geringe Stückzahlen

Wegen des hohen Preises können vom Wechsler weltweit weniger als 4000 Stück verkauft werden. Die Serienummern beginnen wie beim Thorens TD 124 mit eintausend. Die höchste von mir beobachtete Seriennummer lautet 4255.

Hauptzielgruppe des Thorens TD 224 sind die automatikverwöhnten Amerikaner.

Titelblatt des Prospekts, mit dem der Thorens TD 224 „Masterpiece“ in den Vereinigten Staaten beworben wird. Die Unterzeile bezieht sich auf die lange Zeit für unmöglich gehaltene Kombination zwischen dem Thorens TD 124 und einem Plattenwechsler

Hinweis auf dem Transportarm: Einige Exemplare des Wechslers lieferte der US-Importeur ELPA zu Promotionszwecken an den Handel

In Deutschland wird der Thorens-Wechsler 1963 zur Deutschen Funkausstellung in Berlin als Neuigkeit vorgestellt:

„Der Thorens TD 224 löst die Probleme automatischer Plattenspieler und Plattenwechsler, die zugunsten der Annehmlichkeiten an Qualität einbüßen mussten und Plattenabnutzung mit sich brachten“, verkündet eine Produktvorschau.

„Mit dem TD 224 ist in fünfjähriger Entwicklungsarbeit ein Gerät geschaffen worden, das alle Vorzüge eines Berufsplattenspielers und sämtliche Vorteile eines automatischen Plattenwechslers vereint.“

Musikalischer Genuss und Bewunderung brillanter Technik: Mancher Liebhaber des TD 224 raucht beim Plattenhören gern ein Pfeifchen (Abbildung aus dem Prospekt von Paillard-Bolex)

Für den Thorens TD 224 „Masterpiece“ werden schon als Chassis und ohne Tonabnehmer 890 DM verlangt. Um seine Eigenschaft als Wechsler stärker zu betonen, bezeichnet Paillard-Bolex das Meisterstück als Thorens TDW 224.

Präsentation des Thorens Studiomatic TDW 224 im Gesamtprospekt von Paillard-Bolex

Bei uns ist das Modell – wohl aufgrund des schleppenden Absatzes – relativ lang zu haben. Erst 1968 nimmt der Münchener Importeur den Ladenhüter aus dem Programm.

Vom Thorens TD 224 Studiomatic gab es nie eine graue Version „Schrägstrich zwei“ – also nicht „Mark zwei“. Den englischen Begriff „Mark“ für Weiterentwicklungen einer Baureihe hat Thorens erst 1972 in Lahr beim TD 125 eingeführt.

1965 wurde der cremefarbene Wechsler mit Zutaten des TD 124/II lediglich äußerlich modernisiert. Auffälligstes Zeichen der überarbeiteten Version ist die vom TD 124/II übernommene Gummiauflage des Hilfsplattentellers mit dickeren und in regelmäßigen Abständen unterbrochenen Wülsten.

Tonkopf eines späten TD 224: Hier trägt die Headshell TP 50 den wichtigen Sensor für den Platten-Durchmesser

Die attraktive Matte mit dem Sternenmuster war offenbar in der Produktion ausgegangen, und eine Neubeschaffung lohnte sich bei den geringen Produktionszahlen des TD 224 nicht mehr.

Thorens TD 224 mit geänderter Matte und Hybrid-Tonarm – eine nachträgliche Mischung zwischen BTD-12 S (Sockel, Rohr) und TP 14 (Headshell, Gegengewicht). Bild: Schopper AG

Blickfang im Jazzclub

Vollständig funktionierende Thorens-Wechsler sind heute eine Rarität. Der inzwischen leider gestorbene Niederländer Rudolf Bruil, der im Internet die viel besuchte „TD 124 page“ unterhielt, konnte sich gut an die Zeit erinnern, als er in Paris lebte:

„Mit meinen Freunden besuchte ich häufig einen Jazzclub namens ‚Le Crocodile’. Dort wurden Schallplatten automatisch über einen Thorens TD 224 gespielt. Das Programm wechselte von Sonny Rollins über Duke Ellington und Miles Davis zu Dave Brubeck – um nur einige der Interpreten zu nennen. Alle klangen über den TD 224 fantastisch. Für mich, der ich nicht nur an guter Musik, sondern auch an HiFi-Technik interessiert war, bedeutete das majestätische Gerät nicht nur Ohren-, sondern auch Augenschmaus.“

In einer Bar in Winterthur fungiert ein Thorens TD 224 als umsatzfördernder Blickfang; Bild: Jürg Schopper

„Die Idee zu einer vollautomatischen Version des Thorens TD 124 war super, die komplizierte Mechanik aber kaum alltagstauglich“, bemängelt Armin Graf, der in der Fabrik in Sainte-Croix im Export arbeitete und später Verkaufsleiter der Thorens Franz AG in Wettingen war.

Kritiker meinen, bei der Entwicklung des TD 224 sei Louis Thévenaz über das Ziel hinausgeschossen

Carsten Fischer aus San Francisco, der hochwertige Plattenwechsler aus der Schellack-Ära und den Kindertagen des Vinyls sammelt und restauriert, hält den Thorens TD 224 gar für eine „ziemliche Katastrophe“.

Hätte Thorens für die Aufgabe des Plattenwechselns beim TD 224 einen zweiten Motor verwendet, so die Meinung des kalifornischen Experten mit deutschen Wurzeln, wäre die Konstruktion einfacher gewesen.

Gerhard Weichler begann zur seiner Zeit bei Thorens in Lahr mit dem Aufbau einer historischen Gerätesammlung. Hier präsentiert er den Wechsler TD 224 im Untergeschoss seines Hauses in Engelskirchen

Inzwischen hat Thorens-Inhaber Gunter Kürten in Bergisch-Gladbach die Sammlung übernommen. Auch er freut sich über das seltene Exponat; Bild: Christopher Arlinghaus

Schwierige Revision

Die fachgerechte Überholung des komplizierten Thorens-Wechslers war früher nicht selten ein hoffnungsloses Unterfangen. Einziger Fachmann in Deutschland, der das Wunderwerk aus Sainte-Croix zuverlässig reparieren konnte, war der 2012 gestorbene Werkstattleiter von Paillard-Bolex in München.

Bei seinen Revisionen verließ sich Johann Gurinov mehr auf sein ganzes feinmechanisches Können als auf das Manual aus Sainte-Croix

Inzwischen hat in der Schweiz die Schopper AG in Seuzach sich des Themas angenommen.

„Leider sind für den TD 224 keinerlei Ersatzteile mehr erhältlich“, erklärt Firmeninhaber Jürg Schopper. „Deshalb kann eine erfolgreiche Revision nur ausgeführt werden, wenn alle Teile vorhanden und unbeschädigt sind.“

Jürg Schopper bietet an, einen vollständig erhaltenen TD 224 unverbindlich zu überprüfen und den Kunden über die Möglichkeiten und Kosten einer Revision zu informieren

Auch kann ein revidierter TD 224 für den Rücktransport laut Schopper nicht mit der Post versendet werden:

„Schon die kleinste Dejustage des komplizierten Mechanismus genügt, dass dieser nicht mehr funktioniert. Deshalb muss dieses Wunderwerk der Technik bei uns persönlich abgeholt werden.“

Der Erzählung nach transportierten Außendienstmitarbeiter von Paillard-Bolex, weil sie Transportschäden fürchteten, den Wechsler auf den Rücksitzen ihrer Autos zu den Händlern.

Beim Abholen des revidierten Geräts gibt Schopper dem Besitzer die nötigen Instruktionen, um es künftig selbst warten zu können. „Schon wenn ein TD 224 länger nicht mehr in Betrieb war, kann das ein Grund sein, dass er nicht mehr richtig arbeitet.“

Für den TD 224 war von Thorens eine breite Konsole lieferbar, die sich links auch zum Plattenstapel erstreckt

Weitere kompetente Adresse für die Revision des Thorens TD 224 ist Riverside in Esslingen nahe Zürich.

Firmeninhaber Sascha Zeier, der selbst den Thorens-Wechsler besitzt, führt nicht nur fachgerechte Reparaturen aus. Er hat sich sogar an einen Nachbau der breiten Spezialkonsole gewagt und diese in sein Verkaufsprogramm aufgenommen.

Konsole von Riverside mit verbesserter Steifigkeit: Statt aus Sperrholz besteht diese Konstruktion aus verleimten Mehrschichtplatten

„Das bewusst gewählte, ruhig strukturierte Nussbaumfurnier setzt den Thorens TD 224 perfekt in Szene und unterstreicht den 60er Jahre Stil des Geräts“, schreibt Zeier auf seiner Webseite.

Riverside-Inhaber Sascha Zeier gilt in der Schweiz als der Experte für die Thorens-Spieler aus Sainte-Croix

Großartig werden die Verkaufszahlen des Nachbaus, der bei Riverside mit Füßen und Gummipilzen faire 590 Franken kostet, sicher nicht werden. Der Mut, sich an die Reproduktion eines derart ausgefallenen Teils ohne Blick auf Wirtschaftlichkeit zu wagen, ist Sascha Zeier hoch anzurechnen.

Wer heute einen vollständig erhaltenen TD 224 erwerben und ihn dann bei den genannten Adressen restaurieren lassen möchte, wird am besten bei eBay fündig.

Oft taucht der TD 224 im Online-Auktionshaus allerdings nicht auf, und falls doch nicht im erstrebten Zustand. Für Bastler und Selbermacher ist der Thorens-Wechsler eine herrliche Spielwiese.

Reichlich Geld müssen Sie auch mitbringen. Unter 2000 Euro ist ein vollständiger Thorens TD 224 mit guter Substanz zum Restaurieren kaum aufzutreiben – Ausnahmen bestätigen die Regel:

Diesen Thorens TD 224 erwarb John Barnwell aus der Nähe von Seattle für bescheidene 225 Dollar. Weil der eBay-Verkäufer den Wechsler in der Betreffzeile als „Torens“ bezeichnet hatte, gab es nur einen einzigen Mitbieter