Garrard 301: Der britische Rivale

Unverwechselbar: Der Garrard 301 mit seinem markanten Stroboskopteller und dem auffälligen Weiß ist der direkte Konkurrent des Thorens TD 124

Der englische Garrard 301, der mir schon als junger Mensch so imponierte, wird 1953 von Edmund W. Mortimer konstruiert. Der Mann, der seine Laufbahn bei Garrard nach dem ersten Weltkrieg als Maschinenjunge beginnt und erst 1971 nach 51 Dienstjahren in den Ruhestand tritt, ist mit allen Entwicklungsschritten der Plattenspielertechnik bestens vertraut.

Edmund Mortimer im Konstruktionsbüro der Garrard-Fabrik: Der Autodidkat starb mit 80 Jahren am Heiligen Abend des Jahres 1985

Während das Vorgängermodell Garrard 201 noch für die ausschließliche Drehzahl 78 U/min ausgelegt ist, soll das neue Spitzenlaufwerk alle drei damals gebräuchlichen Schallplattenformate abspielen können: herkömmliche 78er Schellackplatten mit Normalrillen sowie die neuen, von RCA entwickelten 45er Singles und die 33er Langspielplatten von Columbia mit Mikrorillen.

Teller mit brauner Samtauflage: Vorgänger-Laufwerk Garrard 201 für Schellack-Platten

Der entscheidende Impuls, auf diesem Feld etwas Besonderes zu leisten, kommt von der British Broadcast Corporation, mit der Garrard schon seit den 1930er Jahren eng zusammenarbeitet. Die Techniker der BBC benötigen hochwertige Geräte und setzen den Herstellern entsprechende Standards.

So entwickelt Mortimer eine Konstruktion, „deren sorgfältige Ausführung mehr an eine Werkzeugmaschine, denn an ein Produkt für die Unterhaltungselektronik erinnert“, so das deutsche Liebhabermagazin „Orig.“ in einem Portrait des Klassikers. „Nicht umsonst wählte Garrard den Begriff Transcription Motor für den 301. Er verdeutlicht die Präzisionsaufgabe. Hier hat man es mit einem Auslesegerät für die feinen Mikrorillen der Schallplatte zu tun, nicht einfach mit einem Plattenspieler.“

Das Vorserienmodell zeigt die Garrard Engineering and Manufacturing Company, die ihren Sitz in südwestenglischen Swindon (Grafschaft Wiltshire, 65 Kilometer östlich von Bristol) hat, im Mai 1954 auf einer Ausstellung im Londoner Waldorf Hotel.

„Der große Newcomer ist der 301 Transcription Motor“, berichtet HiFi-Urgestein Percy Wilson in der September-Ausgabe der Zeitschrift Gramophone. „Von Garrard bereits im letzten Jahr angekündigt, waren meine Kollegen von der Präsentation bei der British Sound Recorder Association (BSRA) begeistert.“

Einen Monat später, im Oktober 1954, kommen die ersten Serien-Dreihunderteinser in den Handel – knapp drei Jahre, bevor der künftige Rivale Thorens TD 124 in der Schweiz erscheint.

Schon bald setzt das Garrard-Spitzenmodell auf dem Markt der Transkriptionslaufwerke einen eigenen Qualitätsmaßstab – den manche Audiophile bis heute für unerreicht halten.

Die renommierte Firma Quad setzt bei Vorführungen zwei Garrard 301 ein, um die Qualität der neuen Langspielplatten in Verbindung mit ihren elektrostatischen Lautsprechern zu demonstrieren

Nach ausgiebigen Tests mit allen damals im obersten Segment zur Verfügung stehenden Laufwerken stattet die BBC ihre Studios mit Garrard-Laufwerken 301 aus.

Auch von privaten HiFi-Liebhabern wird das Modell so gut angenommen, dass Garrard auf beschränkte Lieferfähigkeit hinweisen muss – trotz des Preises von 19 Pfund. Der Wochenlohn eines Normalverdieners beträgt damals 7 Pfund.

„Scheinbar triviale Aufgabe“

In Deutschland ist der Dreihunderteins über die 1959 gegründtete Garrard-Verkaufsgesellschaft in Frankfurt am Main erhältlich.

Ausschnitt aus dem Garrard-Katalog. Das Modell 301 kostet in Deutschland 285 DM zuzüglich Zarge

Gegenüber dem Thorens TD 124 wartet der Garrard mit einem Preisvorteil von fast 150 DM auf. Doch als Plattenspieler ohne Tonarm tut sich der 301 in Deutschland schwer. Außerdem ist das englische Modell zu unbekannt – trotz seines professionellen Aussehens, des guten Handlings und des eindrucksvollen Stroboskoptellers.

Das fono forum veröffentlicht schon 1960 einen Beitrag über den Thorens TD 124 aus der Feder von Chefredakteur Ernst Pfau. Über den direkten Konkurrenten dagegen findet man in dem Magazin kein Wort.

Lediglich eine Fachzeitschrift für Elektroingenieure schenkt der „Werkzeugmaschine“ Aufmerksamkeit:

Zu einer Zeit, als HiFi-Geräte in Deutschland kaum bekannt sind und das ehemalige Zentralorgan aller HiFi-Adepten, die HiFi-Stereophonie, noch nicht existiert, befasst sich die Funk-Technik mit dem Laufwerk. Der Artikel erscheint 1961 anlässlich der Ausstellung des Garrard 301 auf der Hannover Industriemesse.

„Ich hatte schon sehr früh den Wunsch, eine HiFi-Anlage zu erwerben”, erinnerte sich der spätere Chefredakteur der HiFi-Stereophonie Karl Breh. „Von einem Rundfunkhändler ließ ich mich zum Kauf einer Musiktruhe, Stilrichtung Barock, überreden. Als ich dann in Hannover den Garrard 301 sah, begann ich mich über die Truhe zu ärgern.“

Im Beitrag der Funk-Technik wirbt der Autor um technisches Verständnis für die Aufgabe des Plattenlaufwerks:

Manche Schallplattenfreunde glaubten, das Problem der HiFi-Qualität beim Abspielgerät mit einem hochwertigen Tonabnehmer gelöst zu haben. Dem Laufwerk werde deshalb vielfach nicht die ihm zukommende Beachtung beigemessen, weil seine Aufgabe, die Schallplatte mit konstanter Winkelgeschwindigkeit zu drehen, scheinbar trivial ist.

„Diese scheinbar so einfache Aufgabe“, so die Zeitschrift, „wird aber in dem Augenblick zu einem komplizierten Problem, wenn man an die Konstanz und Gleichmäßigkeit der Drehbewegung des Plattentellers HiFi-Anforderungen stellt. Die Einführung der Langspielplatte mit 33 ⅓ U/min hat die Ansprüche an das Laufwerk beträchtlich erhöht, weil Ungleichmäßigkeiten der Drehbewegung sich umso stärker bemerkbar machen, je niedriger die Drehzahl ist. Außerdem ist sorgfältig darauf zu achten, dass keine vom Laufwerk herrührenden oder von außen auf das Abspielgerät einwirkenden Erschütterungen auf den Schallplatten-Abtaster übertragen werden. Vor allem hochwertige Tonabnehmer mit geringer Auflagekraft sind in dieser Hinsicht oft sehr empfindlich.“

Als Quintessenz fordert die Funk-Technik von einem guten Plattenlaufwerk zwei wichtige Eigenschaften:

„Erstens ein Maß an Gleichlaufschwankungen und Rumpeln, das unter keinen Umständen hörbar ist. Zweitens die große Gewissheit, dass dieser Zustand auch nach vielen tausend Betriebsstunden so bleibt.“

Studiolaufwerk Garrard 301 mit Werkstonarm Garrard TPA/12 in einer Rundfunkstation in Manila

Als Resümee ihrer Untersuchungen schreibt die Funk-Technik:

„Der Garrard 301 hat Eigenschaften, die auch den anspruchsvollen HiFi-Freund zufriedenstellen und die denen von Studiogeräten nahekommen. Eigene Versuche in Verbindung mit dem Shure-Abtaster ‚Stereo Dynetic’ ergaben ausgezeichnete Resultate. Selbst bei Schallplatten, die als ‚rumpelempfindlich’ bekannt sind, und bei Anheben der tiefen Töne am Verstärker war keinerlei Rumpeln hörbar. Für langsame Schwankungen der Gleichmäßigkeit der Drehbewegung (wow) wird von Garrard ein Wert < 0,2 % garantiert. Die am Versuchsgerät gemessenen Werte betragen bei 33 ⅓ U/min 0,15 % für wow und 0,02 % für höherfrequente Gleichlaufschwankungen (flutter).“

Konstruktionsmerkmale des 301

Der Garrard 301 zeichnet sich durch ein klares, übersichtliches technisches Konzept aus. Reine Zweckmäßigkeit ist das Kennzeichen dieser Konstruktion.

Blick auf das kräftige Chassis bei abgenommenem Teller: Links oben der Antriebsmotor, in der Mitte der Ein- und Ausschalter mit Tellerbremse, unten die Bedienungselemente

Das Ein- und Ausschalten des Laufwerks erfolgt über den schwarzen Hebel in der linken vorderen Ecke des Chassis. Schiebt man ihn in die Position „On“, kuppelt ein Gestände das Reibrad zwischen Stufenscheibe und Plattenteller ein. Gleichzeitig löst sich die auf der Oberseite des Chassis angebrachte mechanische Bremse, die auf die Innenseite des Tellers wirkt.

Mit der Bewegung der Bremse wird über einen Winkelhebel der elektrische Ein- und Ausschalter betätigt. Dessen Kontakte sind entstört, um jede Beeinflussung des Abtastsystems durch Schaltknackse zu vermeiden.

Die Wahl der Drehzahl erfolgt über schwarzen Hebel in der rechten vorderen Ecke des Chassis. Dieser stellt über ein Gestänge und eine Schrägführung die Höhenlage des Reibrads so ein, dass es je nach gewählter Geschwindigkeit in Höhe eines der drei Absätze der Stufenscheibe steht.

Während des Betriebs des 301 ist das Gestänge für die Geschwindigkeitsumschaltung mechanisch verriegelt. Die Verriegelung stellt sicher, dass die Umschaltung nur bei abgeschaltetem Motor betätigt werden kann.

Ein Vorteil gegenüber dem Thorens TD 124: Die Verriegelung vermeidet nämlich das Schleifen des Reibrads auf dem Innenkranz des Tellers – was vor allem beim Umschalten von 78 auf 33 ⅓ U/min auftreten würde, wenn das Reibrad den noch zu schnell laufenden Teller abbremsen müsste.

Die Funktionen des Laufwerks werden über eine robuste Hebelmechanik betätigt. Garrard hat die Hebel mit Kadmium beschichtet. Bei qualifizierten Revisionen wird die Beschichtung durch ungiftiges Zink als Korrosionsschutz ersetzt

Der großzügig ausgelegte, kaum hörbare Induktionsmotor mit einer Drehzahl von 1500 U/min ist nach außen sorgfältig magnetisch abgeschirmt. Damit will Mortimer Einstreuungen auf die mit einem Laufwerk dieser Qualität benutzten hochwertigen magnetischen oder elektrodynamischen Tonabnehmer vermeiden.

Antriebsmotor des Garrard 301: Man beachte die gegenüber dem E 50-Motor des Thorens TD 124 sichtlich aufwendigere Bauweise

Der Antriebsmotor ist an vier Federn in einem stabilen Rahmen aufgehängt. Für den Transport lässt sich der Motor durch zwei von der Oberseite des Chassis zugängliche Schrauben festsetzen, die ihn gegen eine Brücke auf der Unterseite des Aufhängerahmens drücken.

Die in selbstschmierenden Sinterlagern laufende Motorachse trägt oben eine dreifach abgesetzte Stufenscheibe zur Änderung des Untersetzungs-Verhältnisses auf 33 ⅓, 45, und 78 U/min des Plattentellers

Die Stufenscheibe treibt über ein Reibrad direkt den Innenkranz des Plattentellers an. Das Rad selbst ist auf einer Art Schwinge schwenkbar gelagert, die von zwei Federn – einer Spannfeder und einer Rückholfeder – gehalten wird.

In ausgeschaltetem Zustand ist das Reibrad von der Stufenscheibe und dem Innenkranz des Tellers automatisch abgehoben, so dass sich an ihm keine Druckstellen bilden können, die das Rumpelverhalten verschlechtern.

Prinzip von Stromzählern

Mit einer aufwendigen Wirbelstrombremse ähnlich derjenigen des Thorens TD 124 lässt sich beim Garrard 301 die Drehzahl des Plattentellers exakt auf den Sollwert einstellen. Für die drei Geschwindigkeiten steht ein Regelbereich von 32 bis 34, 44 bis 46 beziehungsweise 76 bis 80 U/min zur Verfügung.

Die Bremse besteht aus einer unterhalb der Stufenscheibe auf der Motorachse angeordneten Aluminiumscheibe, die sich im Einflussbereich eines Dauermagneten dreht.

Aluminium-Scheibe der Wirbelstrom-Bremse

Bewegt man den schwarzen Bakelitknopf aus seiner Nullposition nach rechts oder links, wird ein am Motorgehäuse befestigter Magnet über ein Hebelgestänge mehr oder weniger weit über die Aluminiumscheibe geschwenkt.

Sehr technisch mutet das Feld der Drehzahl-Feinregulierung an. Auch dies befördert den Eindruck einer „Werkzeugmaschine“

Durch Drehen des Kopfes entsteht ein größeres oder kleineres Bremsmoment; der Plattenteller dreht sich langsamer oder schneller. Ein federndes Zwischenglied sorgt dafür, dass das Gestänge keine Vibrationen vom Motor auf das Chassis überträgt.

Die laut- und reibungslose Bremse des Garrard 301 findet man übrigens auch in den alten Hausstromzählern – dort allerdings ohne die Möglichkeit, die Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe über einen Drehknopf zu regulieren …

Große Sorgfalt verwendet der Hersteller auf die genaue Lagerung des Tellers. Die lange Achse aus gehärtetem und geläpptem Stahl läuft in Lagern aus Phosphorbronze.

Das obere Ende der Achse ist leicht konisch geformt, so dass sich wegen der ebenfalls konischen Bohrung im Plattenteller ein sauberer und exakt definierter Sitz ergibt. Dadurch dreht sich der Teller ohne jeden erkennbaren Höhenschlag.

Während sich das Schwungrad des Thorens TD 124 mit seiner Achse aus der Hülse des offenen Hauptlagers vorsichtig herausziehen lässt, wird der Teller des Garrard 301 durch beidseitiges Anheben und gleichzeitig leichtem Klopfen einer assistierenden Person auf die Tellerachse, am besten mit einem gummierten Schraubenziehergriff, vom Laufwerk entfernt.

Vorbildliche Unterlagen

Perfekt wie alles am Garrard 301 sind auch seine Unterlagen:

Zum Lieferumfang zählen Stroboskopscheibe und eine aufwendige Bedienungsanleitung mit handschriftlich eingetragener Fabrikationsnummer. Ein braunes, in Leinen gebundenes Buch mit Hartcover und Goldprägung, das verschiedene Baupläne und eine komplette Ersatzteilliste enthält.

Garrard gibt die Bedienungsanleitung des 301 in insgesamt sieben Auflagen heraus. Die frühen Exemplare tragen auf der Titelseite dazu keinen besonderen Hinweis. Ab etwa Seriennummer 5000 unterscheidet der Hersteller die einzelnen Auflagen durch die Zahl der Sterne – maximal sechs – auf dem Buchdeckel.

Einstern-Manual eines grauen Garrard 301, der 1955 gebaut wurde

Wer einen Dreihunderteinser mit noch vierstelliger Produktionsnummer betreibt und dazu eine passende Bedienungsanleitung sucht, sollte nach einer der selten auftauchenden Ausgaben ohne oder mit nur einem Stern Ausschau halten. Hier ist es also umgekehrt wie beim Cognac, bei dem die Qualität mit der Zahl der Sterne steigt …

Handschriftlich ausgefülltes Messprotokoll eines 301 mit Stromspannung 117 V/60 Hz für den US-Export

Das von einem Mitarbeiter ausgefüllte und von einem Kollegen gegengezeichnete Messprotokoll enthält folgende Angaben:

– Einhalten der Sollgeschwindigkeit bei 33 ⅓, 45 und 78 U/min

– Werte für wow und flutter (Gleichlaufschwankungen) sowie für Rumpeln, gemessen bei allen drei Geschwindigkeiten

– allgemeiner Funktionstest

Isolationstest bei 1500 Volt

Aufwendige Maßnahmen also, die sich Thorens beim TD 124 hätte zum Vorbild nehmen können. Das Laufwerk aus Sainte-Croix hat in dieser Hinsicht lediglich die individuelle, in das nierenförmige Bedienungsfeld eingravierte Seriennummer zu bieten. Beim Garrard 301 befindet sich diese Nummer in ein massives Metallschild eingeschlagen unter dem Plattenteller.

Weiterentwicklung in zehn Jahren

Der Garrard 301 wird aufgrund seiner Qualität und seines Verkaufserfolgs zehn Jahre lang gebaut und während dieser Zeit laufend verbessert. Zwei Modernisierungen sind jedoch grundlegend, weshalb es vom 301 insgesamt drei Ausführungen gibt.

Die erste Variante ist hammerschlaggrau und hat ein fettgeschmiertes Hauptlager. Diese Urversion ist heute die begehrteste – vor allem in Fernost

Die Bedienungsfelder der 1954 und 1955 gebauten grauen Ausführung sind schwarz unterlegt und tragen Beschriftungen, die erhaben, also zu „fühlen“ sind.

Blick auf das massive fettgeschmierte Tellerlager. Das Fettreservoir befindet sich in einem kleinen, an der Lagerhülse seitlich angebrachten Zylinder, der vor Einbau des Laufwerks bis zum Rand mit Fett gefüllt wird

Bei Bedarf lässt sich der Fettvorrat im Hauptlager durch leichtes Drehen der Rändelschraube am Zylinder ergänzen. Dank einer Öffnung im Chassis ist die Schraube von der Oberseite aus erreichbar.

Äußeres Merkmal für Fettschmierung ist die Bezeichnung Schedule 51400 (bei ganz frühen Exemplaren) oder Schedule 51400/1 auf dem mittleren Bedienungsfeld.

Auch diese Beschriftung wirkt sehr technisch – weiteres Merkmal der „Werkzeugmaschine“

Der hohe, knapp drei Kilogramm wiegende Plattenteller des 301 besteht aus dem gleichen Material wie das Chassis und ist sorgfältig dynamisch ausgewuchtet. Der Teller der frühen Exemplare ist ebenfalls grau und trägt keine Stroboskopmarkierungen.

Die Gummimatte des grauen Tellers hat konzentrische Rillen für die Schallplattenauflage und einen gerippten Rand

Bis zur Seriennummer von gut 15000 werden ausschließlich hammerschlaggraue Dreihunderteinser gebaut.

„Mein Vater, ein Elektroingenieur, war einer jener Enthusiasten mit einem lebenslangen Abonnement auf sämtliche HiFi-Zeitschriften. Eines Tages um 1956 kam er mit einem nagelneuen Garrard 301 nach Hause. Das Laufwerk war eines der letzten in grauem Hammerschlaglack, Seriennummer 15108. Als Kind durfte ich den in einen Schrank eingebauten Plattenspieler nicht berühren. Benutzt wurde er sparsam. Der Vater hörte nur gelegentlich seine Klassik- und Opernschallplatten damit.“

Umstieg auf Elfenbein

Ab Frühjahr 1957 wird der 301 in einem weniger technisch aussehenden Weißton ausgeliefert. Allerdings experimentiert Garrard noch mit dem hellen Decklack, bevor die Produktion gänzlich auf ihn umgestellt wird. Die Fabrikation grauer und elfenbeinbarbiger Laufwerke läuft deshalb einige Zeit lang parallel.

Einerseits hat Garrard Hammerschlag-Dreihunderteinser für Industrie- und Exportkunden noch bis etwa Seriennummer 22000 hergestellt. Andererseits existieren Elfenbein-Exemplare mit Seriennummern knapp unter 16000.

Früher Elfenbein-Dreihunderteins. Der Plattenteller ist jetzt schwarz lackiert

Auch bei dieser zweiten Auführung des 301 wird das Hauptlager mit Fett geschmiert

Zum Lieferumfang zählt eine Tube mit Ersatzfett, für die Liebhaber heute – selbst schon zu zwei Dritteln ausgequetscht – hohe Preise zahlen

Alternativ zu den schwarzen Bedienungsfeldern baut Garrard jetzt elfenbeinfarbige Laufwerke mit Feldern in Silber – eine Ausführung, die sich bald zum Standard entwickelt.

Elfenbein-Dreihunderteins mit silbernen Bedienungsfeldern: Gegen Aufpreis ist nun der Teller mit Stroboskop-Punkten erhältlich. Geld, das offenbar viele Käufer gern ausgaben, denn er ist auf dem 301 häufiger anzutreffen

Die Elfenbein-Exemplare haben eine geänderte Tellermatte mit glattem Rand und drei eleganten „Garrard“-Schriftzügen, die schräg über die Rillen laufen

Statt Fett jetzt Öl

Als Ende der 1950er Jahre die ersten Stereoschallplatten erscheinen, wird das Hauptlager des Garrard 301 wegen der höheren Anforderungen der neuen Tonträger an die Abspieltechnik auf Schmierung mit Öl umgestellt.

Zu erkennen sind diese Öllager-Dreihunderteinser – die dritte Ausführung – am Schriftzug Schedule 51400/2 auf der Platine. Dies war ein technischer Fortschritt, keine der später beim Nachfolger 401 vorgenommenen Kostensenkungsmaßnahmen.

Blick auf das Öl-Hauptlager der dritten Variante. Von dieser Ausführung hat Garrard bis Ende 1964 die meisten Exemplare gebaut

Auf Anregung der BBC versteift Garrard die Chassis-Konstruktion – zu erkennen an der Einfassung und leichten Erhebung der Grundplatte rund um den Ausschnitt für den Plattenteller. Die seltensten aller Dreihunderteinser sind Exemplare mit schwarzen Bedienungsfeldern und erhabenen Beschriftungen, die diese Modifikation noch nicht aufweisen, aber bereits elfenbeinfarben sind.

Wie bei den grauen Laufwerken läuft auch die Produktion elfenbeinfarbiger Fett- und Öllager-Dreihunderteinser eine Zeit lang parallel. Belegt sind eine Öllager-Ausführung mit Seriennummer 32268 und ein Fettlager-Dreihunderteins mit Nummer 36155.

Fettlager versus Öllager

Welche der beiden Lagerausführungen des Garrard 301 die bessere ist, wird heute viel diskutiert. Hartnäckig hält sich in Diskussionszirkeln die Vorstellung, die alten Laufwerke mit Fettschmierung klängen besser – was sich auf dem Gebrauchtgerätemarkt in deutlich höheren Preisen für diese Version niederschlägt.

Garrard-Spezialist Matthew Taylor sieht die Ursache für den angeblich besseren Klang in dem höheren Drehmoment des Motors älterer Laufwerke: „Das ist ein Faktor, der oft übersehen wird. Die Hammerschlag-Exemplare haben Motoren, die auch bei einer Stromspannung von 100 Volt sehr gut funktionieren, weshalb sie in Japan so begehrt sind.“

Dosierschraube des Fett-Hauptlagers am Garrard 301

Doch zum Thema Fettlager versus Öllager gibt auch plausibel klingende gegenteilige Meinungen:

„Viele fettgeschmierte Dreihunderteinser rumpeln wegen verhärteten Lagerfetts, das zu entsprechendem Lagerverschleiß führt“, meint einer der Diskutanten. „Die Laufwerke mit Öllager aus Sinterbronze behalten ihren Schmiervorrat besser und sind leichter zu warten.“

Laufende Verbesserungen

Garrard hat den 301 immer wieder fortentwickelt:

Anfang der 1960er Jahre drängte Decca darauf, das Laufwerk stärker elektrisch abzuschirmen, um die klanglich hervorragenden, aber gegen Brummeinstreuungen empfindlichen ffss-Tonabnehmer nach dem Moving-Iron-Arbeitsprinzip auf dem beliebten 301 leichter verwenden zu können.

Verbesserte Schalter-Abschirmung der Öllager-Dreihunderteinser durch Gehäuse aus Nichteisenmetall

Ansichtssache ist die Frage, welcher der beiden Teller zu einem elfenbeinfarbigen Garrard 301 besser passt:

Puristen halten den schwarzen Non Strobe-Teller für authentischer, da es für den Teller mit Stroboskop-Markierungen ohnehin keine stationäre Beleuchtung gab. Allerdings tauchen Laufwerke mit dem einfachen Teller nur selten auf.

Elfenbeinfarbiges Laufwerk mit einfachem Teller

Der Stroboskopteller, der dem 301 und 401 ein professionelles Aussehen verleiht, bleibt 20 Jahre lang Alleinstellungs-Merkmal des Garrard-Laufwerks

1976 stellt dann der wuchtige Stroboskop-Teller des direkt angetriebenen Micro-Seiki DDX-1000 den Garrard in den Schatten

Es folgen auch andere japanische Firmen und dann deutsche Hersteller damit, ihre Plattenteller am Rand mit Stroboskop-Punkten auszustatten. Bei Dual bis hinunter zu den schlichteren Modellen – womit die Sache viel von ihrem Reiz verlor.

Dreihunderteins in der Werbung

Garrard hat sein Modell 301 in Großbritannien in den beiden führend Fachzeitschriften Gramophone und Hi-Fi News sowie in Messekatalogen zur Londoner Audio Fair regelmäßig beworben.

Die erste Anzeige erscheint im April 1955 in der Musikzeitschrift Gramophone – rund ein Jahr nach der Markteinführung. „Voll tropentauglich“ sei der Garrard 301 – ein im Zeitalter der britischen Übersee-Kolonien wichtiger Aspekt. Ausdrücklich wird auf die noch beschränkte Liefermöglichkeit des Laufwerks hingewiesen

Zweites Anzeigenmotiv im April 1956: Unter dem Begriff „Transcription Motor“ wird in England ein Plattenlaufwerk verstanden. Laut Garrard wurde mit dem Modell 301 ein bisher unerreichtes Qualitätsniveau beim Bau von Plattenspielern erreicht – eben „Audio Perfection“

Garrard natürlich! Die schwungvolle Anzeige wurde nur ein einziges Mal – im Hi-Fi Yearbook 1962 – geschaltet. Bekannt war sie mir als Illustration eines Beitrags von Haden Boardman 1997 in der Zeitschrift Classic Hi-Fi. Zu sehen sind hier die Elfenbein-Modelle der frühen 1960er Jahre: HiFi-Wechsler Type A, Tonarm TPA/12 und das Modell 301

„Gesicht“ von Garrard: Das Motiv mit der jungen Dame hat der Hersteller öfters verwendet – so auch für diesen Faltprospekt. Ob es sich um eine der zahlreichen Mitarbeiterinnen handelt, ließ sich nicht ermitteln

In Deutschland Ladenhüter

Im Westdeutschland der beginnenden 1960er Jahre sind ausländische HiFi-Geräte noch nahezu unbekannt. Da zeigt Garrard großen Mut, in Frankfurt einen Verkaufsstützpunkt zu etablieren. Im Frühjahr 1959 gründet das Unternehmen an der Hauptwache eine Niederlassung.

An der Hannover Messe beteiligt sich die Importfirma mit einem Plattenspieler völlig neuen Zuschnitts. Der Garrard 301 hat keinen Tonarm, sondern wird als reines Laufwerk angeboten. Weitere Exponate sind der zum 301 passende Werkstonarm TPA/12 und der eigenwillig gestylte Einzelplattenspieler 4HF, beide ebenfalls im elfenbeinfarbigen Kleid.

Diese Anzeige schaltete Garrard in den HiFi-Zeitschriften fono forum und HiFi-Stereophonie

Gekauft wird in der Hochburg von Elac, Perpetuum-Ebner und Dual – wenn überhaupt – der Garrard-Wechsler „Type A“, aber praktisch nur von Angehörigen der US-Armee. Das Laufwerk 301 wird lediglich einigen wenigen HiFi-Liebhabern bekannt und erweist sich als Ladenhüter.

Hauptabsatzgebiete für den Garrard 301 sind Großbritannien und die Commonwealth-Länder. Auch in den USA unterhält Garrard schon in der Vorkriegszeit eine eigene Vertretung.

Glückwünsche zum Jahreswechsel vom amerikanischen Geschäftsführer Leonard Carduner

In den 1950er Jahren ist die Importfirma British Industries in Port Washington nahe New York für den Vertrieb von Garrard-Erzeugnissen in den Vereinigten Staaten zuständig. Eine ganzseitige Anzeige erscheint im Januar 1956 in der Zeitschrift Audiocraft.

Die Annonce mit ausführlichen technischen Einzelheiten erscheint bezeichnenderweise in einem Magazin für den Selbstbau von HiFi-Anlagen. Denn der Garrard 301 ist vornehmlich zum Einbau in Möbel gedacht

Trotz der Werbung bleibt die Nachfrage nach dem 301 im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verhalten – obwohl der elegante Garrard den oft grobschlächtig anmutenden Spielern der US-Konkurrenten optisch wie qualitativ überlegen ist.

„Der Garrard 301 war in Amerika kein großer Verkaufserfolg“, bestätigt Brian Mortimer, der 2020 gestorbene Sohn von Edmund Mortimer

„Das Styling des 301 war funktionaler als das seines Nachfolgers“, meint Mortimer. „Obwohl von einem professionellen Designbüro gestaltet, hatte der 401 nicht dieses robuste Aussehen, das leichte Bedienbarkeit verspricht – aber das ist nur meine persönliche Sichtweise.“

Schon Anfang der 1960er Jahre entdecken automatikverwöhnte Amerikaner den hifi-tauglichen Plattenwechsler. Bald sind der von Edmund Mortimer konstruierte Garrard Type A, später auch der A 70 und der LAB 80, in den USA die meistverkauften Modelle. Wieder dabei die Garrard-Dame, die zur Absatzförderung beitragen soll

Garrard Type A mit Shure M 44-C aus meiner Sammlung: Seine große Stunde schlägt sonntags beim Frühstück, wenn der Bayerische Rundfunk Gottesdienste überträgt. Selten ist die Version in einer attraktiven Blechzarge

Die graue Blechzarge mit den roten Zierstreifen hat ihren besonderen Reiz. Die Optik inspirierte einen Liebhaber sogar zu einem perfekten Nachbau mit größeren Abmessungen für seinen Garrard 301

Widersprüchliche Zahlen

Insgesamt kann Garrard vom Dreihunderteins knapp 85000 Exmplare absetzen – fast so viel wie von den beiden Versionen des Thorens TD 124 zusammen. Vor allem die weltweiten Exporte tragen zu dem außerordentlichen Verkaufserfolg des Spitzenmodells bei.

Auch der Umstand, dass der Garrard 301 trotz seiner aufwendigen Bauweise deutlich preiswerter als ein Thorens TD 124 war, dürfte zur regen Nachfrage beigetragen haben.

Viel kann Garrard an diesem Prestigemodell nicht verdient haben – beim 401 mussten in der späten Produktionsphase die billigeren Modelle das Flaggschiff sogar subventionieren.

„Der 301 wurde in der nachfrageärmeren Zeit zwischen Januar und Juli vorproduziert und bei anziehendem Geschäft im Herbst sukzessive in den Handel gegeben“, erinnert sich Brian Mortimer, der Leiter der Qualitätssicherung bei Garrard war. Der Fachmann kannte die Produktionszahlen von Garrard ganz genau

Wesentlich geringer waren die Stückzahlen des Nachfolgers, der schon in Konkurrenz zu den Riemen-Plattenspielern stand. Kaum mehr als 50000 Exemplare verließen in der Zeit von 1965 bis 1977 vom Garrard 401 die Bänder der Fabrik. Zur verhaltenen Nachfrage trug bei, dass das Laufwerk 401, vom modernisierten Äußeren abgesehen, kaum etwas Neues bot.

So sah auch Percy Wilson bei der Vorstellung des Nachfolgers zu Jubel keinen Anlass: „Alles in Allem stellt der 401 keinen Fortschritt dar“, meinte der bekannte britische Fachjournalist. „Ich war und bin mit meinem 301 zufrieden.“

Es kursieren Informationen, wonach vom Garrard 301 rund 65000 Exemplare produziert worden sind. Das ist nachweislich falsch, denn ich habe schon einen Dreihunderteins mit Seriennummer 81292 mit eigenen Augen gesehen.

Diese letzten Dreihunderteinser werden schon mit dem Teller des Garrard 401 ausgeliefert. Zu erkennen sind diese ganz späten Elfenbein-Exemplare an der Gummimatte mit dem typischen Chromring.

Mein eigener Öllager-301 mit Fabriknummer 72723 wurde von fachkundiger Seite – dem Loricraft-Chef Terry O’Sullivan – auf das Jahr 1963 taxiert.

Rumpeln in Werkszargen

Garrard sah es nie als vordringliche Aufgabe an, für sein Spieler ohne Tonarm adäquate Konsolen zu entwickeln. In der Regel wird die Frage der Unterbringung den Käufern überlassen. Der Hersteller empfiehlt lediglich, das Laufwerk auf eine „stabile“ Grundplatte zu montieren.

In Deutschland ist von der Garrard-Verkaufsgesellschaft für den 301 eine Werkszarge mit weißem, schräg gestelltem Garrard-Logo links an der Frontseite erhältlich.

Dünnwandige Zarge der deutschen Garrard-Vertretung ähnlich Thorens-Sockel ST 114. Rumpeln in dem geschlossenen Kasten vorprogrammiert !

In den USA liefert der Importeur eine schwarze abgerundete Zarge mit eingebauter Kreislibelle vorn rechts auf der Grundplatte zur genauen horizontalen Ausrichtung des Laufwerks.

301-Konsole von British Industries mit Kreislibelle. Sie bietet auch für die Aufnahme von Zwölfzoll-Tonarmen genügend Platz

Ungeeignete Montage ist der Hauptgrund, warum Garrard-Laufwerke mit ihren reichlich dimensionierten Antriebsmotoren bei HiFi-Liebhabern allmählich in Ungnade fallen. Die in Großbritannien beliebten Musikschränke bieten einem vibrierenden 301 beste Arbeitsbedingungen.

Beim Plattenspieler-Sammeltest in der HiFi-Stereophonie (Heft 2/1964) zeigt der Garrard 301 einen Rumpel-Fremdspannungsabstand von lediglich -37 dB. Der Wert ist damit um 3 dB schlechter als der des ebenfalls getesteten Thorens TD 124.

Zarge des dänischen Garrard-Vertriebs mit Tonarm von Bang & Olufsen: Arena entwickelte für den 301 eine klobig wirkende staionäre Stroboskop-Beleuchtung

Mit dem Aufkommen riemengetriebener Plattenspieler ab Ende der 1960er Jahre sind die Ansprüche an die Laufruhe nochmals deutlich gewachsen. Das bei unsachgemäßem Einbau oder zu dünnem Material der Montageplatte auftretende Rumpeln wollen die Besitzer eines Garrard 301 oder des Nachfolgers 401 nicht länger ertragen. Viele Laufwerke landen damals auf dem Dachboden.

Neubesinnung auf Garrard

Über die Wiederauferstehung des Garrard 301 in Fernost, die europäische Wiedergeburt der beiden Garrard-Laufwerke durch Loricraft, die Preisentwicklung, die heutige Restaurierungs- und Verbesserungsmöglichkeiten sowie den Bau hochwertiger Zargen habe ich bereits in meinen Blog-Beitrag über den Garrard 401 vom Mai 2022 berichtet.

Inzwischen hat der mit hoher Ingenieurskunst konstruierte sowie außergewöhnlicher Präzision und Sorgfalt gebaute Dreihunderteins längst den Status einer Ikone des goldenen Audio-Zeitalters. Nicht selten ist er Bestandteil von Highend-Anlagen mit fünfstelligen Preisschildern.

Besonders die kleine Firma Audio Grail von Matthew Taylor sticht mit fachgerechten Garrard-Revisionen hervor. Meinen Vorschlag, auch für revidierte TD 124 eine solche Verpackung zu entwickeln, wollte Schopper in der Schweiz nicht aufgreifen

Von Keystrobe ist jetzt auch für den Stroboskopteller des Garrard 301 eine stationäre Stroboskop-Beleuchtung erhältlich

Die LED-Leuchte wird einfach statt der vorderen rechten Schraube in das Chassis eingedreht

Für eine fachgerechte Revision muss man heute nicht mehr nach England fahren. Riverside in der Schweiz erhebt den Anspruch, einen Garrard 301 in gleicher Perfektion wie den Thorens TD 124 zu restaurieren. Firmeninhaber Sascha Zeier kommt aus der Medizintechnik und ist daher mit allen Belangen der Feinmechanik vertraut.

In Deutschland kann ich für Revisionen Peter Feldmann empfehlen. Nach dem Thorens TD 124 hat er auch bei den Garrrad-Laufwerken einen umfangreichen Erfahrungschatz aufgebaut.

Mein von Martin Bastin restaurierter 301 hatte 25 Jahre lang unmittelbar nach Einschalten die gewählte Drehzahl eingehalten – „dead quiet“, wie die Engländer sagen. Also ohne das übliche Vor- oder Nachlaufen in der Aufwärmphase des Motors. Doch vor kurzem zeigt der Garrard laut Stroboskop erhebliche Gleichlaufschwankungen, die mir Sorgenfalten ins Gesicht trieben. Die Ursache – eine Fehlstellung des Reibrads – hat Feldmann sofort gefunden und natürlich das Manko gleich behoben.

Die Versorgung mit Ersatzteilen des Garrard 301 in Großbritannien ist nach dem Ende der Firma Perfect Sound weiter gesichert. Die Classic Turntable Company in Wakefield bei Leeds führt ein ähnlich umfangreiches Sortiment:

Garrard-Suche mit Happy End

Meinen Garrard 301 mit den begehrteren schwarzen Bedienungsfeldern hat mir 1997 Martin Bastin freundlicherweise in Großbritannien auf einer Messe für Gebraucht-HiFi besorgt, anschließend sorgfältig restauriert und in eine breite „Maxplank“-Zarge mit elegantem Wurzelholz-Furnier eingebaut.

Viel war an dem Spieler nicht zu tun, denn der äußerlich makellose 301 war offenbar auch wenig gelaufen und immer pfleglich behandelt worden. Bis dahin war es allerdings ein steiniger Weg:

Mehrere Mail-Anfragen nach einem 301 bei Loricraft blieben unbeantwortet. Und 5000 DM für einen 301 mit langem SME-Tonarm, wie vom deutschen Edelversender Manufactum (vermutlich aus Loricraft-Quelle) kurzzeitig angeboten, wollte ich dann doch nicht ausgeben.

Erst als ich im Beitrag von Haden Boardman in der Zeitschrift Classic Hi-Fi von Martin Bastins hervorragender Arbeit und seine Adresse erfuhr, kam der Stein ins Rollen.

Mein Garrard 301 mit SME 3012/I in Wurzelholz-Zarge des britschen Garrard-Experten Martin Bastin – der ihn auch sorgfätig restauriert hat. In dieser Massivzarge, in der das Laufwerk hart angekoppelt arbeitet, ist Rumpeln kein Thema

Authentisch: Decca-Nadelreiniger unter dem Bakelit-Tonarmkopf

Stationäre Stroboskop-Beleuchtung von Peter Feldmann

Diesen 301, heute mit Tonarm SME 3012 der ersten Serie (1959-62) bestückt, habe ich jetzt schon seit über einem Vierteljahrhundert in Betrieb. Von der einfachen Bedienung und der hervorragenden Performance bin ich immer noch angetan.

Angenehm im Umgang mit dem Laufwerk ist die rasch wirkende Tellerbremse, die das Wechseln meiner Schellackplatten enorm erleichtert. Ohne diese Bremse würde der Teller nach dem Abschalten aus 78 U/min bis zu 20 Umdrehungen nachlaufen.

Die schnellste Drehzahl wurde in den frühen Tagen des 301 noch häufig benötigt, und ein praktikabler Umgang war damit folglich sehr wichtig. Auch daran zu erkennen, dass Garrard die Stellung „78“ des Drehzahlwählers ganz vorn am Chassis angeordnet hat.

Drehzahlwähler am Garrard 301

Persönliche Abholung

Den 301 habe ich auf einer unvergesslichen Reise nach Großbritannien mit dem Auto abgeholt – allein die breite Zarge bringt 23 Kilogramm auf die Waage.

Erst ging’s per Katamaran-Fähre von Ostende über den Kanal nach Dover. In einem kleinen Bed & Breakfast südlich von London machte ich Zwischenstation. Täglich fuhr ich mit British Rail von Wallington über Croydon nach Victoria Station und gönnte mir ausgiebige Streifzüge durch die Schallplattengeschäfte der britischen Hauptstadt.

Danach besuchte ich Dr. Martin Bastin, der damals in Wolverhampton bei Birmingham wohnte. Der Krankenhausarzt war zu der Zeit schon länger pensioniert.

Mein freundlicher Gastgeber machte in seinem Haus in der Tettenhall Road nicht nur ein Zimmer für mich frei. Er führte den Gast aus Deutschland auch mit seiner liebenswürdigen Frau Flora zu einem Abendessen in ein Lokal mit köstlicher Küche aus Bangladesch aus.

Später bezogen die Bastins dieses einsame Cottage in der Grafschaft Shropshire – das nur über einen holperigen, von Farnkraut umsäumten Feldweg erreichbar ist. Im Anbau vorn die Garrard-Werkstatt

Martin Bastin an der Drehbank. Garrard-Besitzer schätzen seine tiefen feinmechanischen Kenntnisse

Von Bastins hervorragender Arbeit, seiner großen Sorgfalt bei der Revision des Garrard 301 und dem überzeugenden Ergebnis bin ich bis heute begeistert.

Ob der Fachmann noch lebt? Das weiß ich leider nicht – er müsste jetzt über 80 sein. Per Mail ließ er sich schon damals nicht erreichen. Sein neuestes Kommunikationsmittel war ein Fax-Gerät.

Last not least – was ich als Autor von SCHWEIZER PRÄZISION gar nicht schreiben sollte: Auf genau diesen Garrard 301 – nicht auf einen Thorens TD 124 – fiele meine Wahl, wenn ich auf eine einsame Insel nur einen einzigen Plattenspieler meiner Sammlung mitnehmen dürfte! – Behalten Sie’s einfach für sich …